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E-Book

Handbuch Arbeitsrecht in Restrukturierung und Insolvenz

VerlagRWS Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl534 Seiten
ISBN9783814554150
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis98,00 EUR

Das gesamte Arbeitsrecht vom Zeitpunkt der Krise bis zur Insolvenz wird in dem umfassenden Handbuch in chronologischer Abfolge dargestellt. Von der arbeitsrechtlichen Reaktion in der Krise mit Kurzarbeit, Befristung von Arbeitsverträgen, Freistellungsabreden, Kündigungen und Massenentlassungen über die Erklärung von Kündigungen in der Insolvenz bis hin zur Insolvenzsicherung erörtert das hochkarätige Autorenteam kapitelweise in praxisgerechter Form die notwendigen Maßnahmen. Dabei ergänzen Checklisten, Formulare, Muster und Übersichten in jedem Kapitel die praxisgerechte Darstellung.

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Leseprobe
Teil I
Rechtsgrundlagen
Einführung des Herausgebers:
Für Juristen wie Nicht-Juristen gleichermaßen gilt: Ohne einen „Blick ins Gesetzbuch“ – und wenn auch nur im Wege eines „Überblicks“ – keine „Rechtsfindung“. Gerade der Grenzbereich vor und nach Insolvenzeröffnung birgt erhebliche Handlungsspielräume, die vor allem aus einem „Paradigmenwechsel des Insolvenzarbeitsrechts“ folgen, also den arbeitsrechtlichen Erleichterungen in der eröffneten Insolvenz. Das nachfolgende Kapitel gibt hierzu einen guten „Praktiker-Überblick“ als Einführung für alle Leser dieses Sammelbandes.

§ 1  Überblick: Die wichtigsten Regelungen bzgl. der Arbeitnehmerschaft


Übersicht


I. Einleitung ... 1
II. Arbeitsrecht und seine Einschränkung der unternehmerischen Freiheit ... 2
1. Das Kündigungsschutzgesetz ... 2
2. Interessenausgleich und Sozialplan nach dem BetrVG ... 19
3. Der Betriebsübergang nach § 613a BGB ... 28
III. Sanierungsarbeitsrecht außerhalb der Insolvenz: Interessenausgleich mit Namensliste ... 34
IV. Sanierungserleichterungen im Insolvenzverfahren ... 37
1. Verkürzung der Kündigungsfristen und Kündigungserleichterungen in der InsO ... 38
2. Interessenausgleich und Sozialplan in der Insolvenz ... 42
3. Besonderheiten zum Kündigungsschutz in der Insolvenz ... 49
4. Betriebsveräußerung in der Insolvenz ... 50
5. Das Insolvenzgeld und dessen Vorfinanzierung ... 57
V. Fazit ... 63
Literatur: Backes (Hrsg.), Transfergesellschaften, Grundlagen, Instrumente, Praxis 2. Aufl., 2009; Reinhard, Die Pflicht zur Unterrichtung über wirtschaftliche Folgen eines Betriebsübergangs – ein weites Feld, NZA 2009, 63; Rupp, Das Problem widersprüchlicher Unterrichtungen bei § 613a V BGB, NZA 2007, 301.

I.  Einleitung


1  Sanierung und Arbeitsrecht stehen in enger Wechselbeziehung. Einerseits führen wegen der tatsächlichen oder vermeintlichen Schwierigkeiten des Arbeitsrechts unterlassene oder aufgeschobene Personalentscheidungen oft erst in eine Situation, in der Sanierungen erforderlich werden. Auf der anderen Seite bietet das Arbeitsrecht vor allem nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Sanierungsarbeitsrecht eine Reihe von Instrumentarien, die wesentlich zum Gelingen einer Sanierung beitragen können. Hier sollen deshalb für den eiligen Leser zunächst die Regelungskomplexe des Arbeitsrechts skizziert werden, welche die unternehmerische Freiheit bei der Umsetzung von Sanierungsentscheidungen einschränken und sich damit auf die Kosten eines Unternehmens erheblich auswirken. Danach werden die Vorschriften erläutert, die Ausnahmen oder Einschränkungen zu den vorgenannten Regelungen zulassen, damit durch Kostenentlastungen Sanierungen möglich werden. In den Folgekapiteln werden diese Themen dann vertieft und detailliert.

II.  Arbeitsrecht und seine Einschränkung der unternehmerischen Freiheit


1.  Das Kündigungsschutzgesetz
2  Der Abbau von Arbeitsplätzen i. R. einer Sanierung ist nur in Kleinstbetrieben ohne weiteres möglich. Soweit in einem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden, findet gemäß § 23 KSchG der allgemeine Kündigungsschutz nach dem KSchG Anwendung.1)
3  Selbst wenn aber Betriebe wegen geringer Größe nicht in den Anwendungsbereich des KSchG fallen, muss bei der Kündigung von Arbeitsverhältnissen nach der Rechtsprechung des BVerfG ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme beachtet werden.2) Die auf diese Entscheidung hin entstandene Befürchtung, dass dadurch die Maßstäbe des KSchG nunmehr auch für Kleinstbetriebe angewendet würden, erwies sich aber als unbegründet. Weder erweiterte sich die Zahl der Kündigungsschutzprozesse auf Kleinstbetriebe signifikant, noch wurde von den ArbG die Forderungen nach einem Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme über die Wirkung eines Willkürverbotes hinaus erweitert.
4  Darüber hinaus sind Arbeitsverhältnisse in Kleinstbetrieben zwar von der Anwendung des allgemeinen Kündigungsschutzes ausgenommen, dies gilt jedoch nicht für den besonderen Kündigungsschutz bestimmter Arbeitsverhältnisse. Dieser besondere Kündigungsschutz gilt unabhängig von der Betriebsgröße. Es gibt eine Vielzahl von Sonderkündigungsschutzbestimmungen, die sich sowohl in der arbeitsrechtlichen Gesetzgebung als auch in Gesetzen außerhalb des Arbeitsrechts finden.3) Die am häufigsten zur Anwendung kommenden besonderen Kündigungsschutzbestimmungen sind die für schwerbehinderte Personen, Personen in der Elternzeit und für Schwangere. Der Sonderkündigungsschutz ist für die jeweils besonders geschützten Personen unterschiedlich ausgestaltet. Während bei Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 % und einer Betriebszugehörigkeit von mindestens sechs Monaten die jeweils zuständigen Versorgungsämter einer Kündigung grundsätzlich zustimmen müssen,4) beschränkt sich der Kündigungsschutz für Eltern in der Elternzeit auf einen bestimmten Zeitraum.5) Schwangere können generell nicht gekündigt werden, wenn der Arbeitgeber von der Schwangerschaft weiß oder erfährt.6) Sonderkündigungsschutz gibt es auch für Betriebsratsmitglieder und die Wahlvorstände bei den Betriebsratswahlen. Das dies regelnde BetrVG findet bereits Anwendung bei einer Betriebsgröße von fünf Arbeitnehmern. Betriebsräte und der für sie geltende Sonderkündigungsschutz können also auch bereits in Kleinstbetrieben bestehen.
5  Überschreitet die Betriebsgröße den Schwellenwert von zehn Arbeitnehmern, so unterliegen Arbeitsverhältnisse, die länger als sechs Monate bestehen, dem allgemeinen Kündigungsschutz. Gemäß § 1 KSchG ist dann eine Kündigung nur wirksam, wenn ein betriebsbedingter Grund vorliegt, Sozialauswahlkriterien ausreichend berücksichtigt worden sind und der zu kündigende Arbeitnehmer nicht auf einem anderen Arbeitsplatz beschäftigt werden kann.7)
6  Ein betriebsbedingter Grund setzt immer eine unternehmerische Organisationsentscheidung voraus, mit welcher der Arbeitgeber auf eine bestimmte wirtschaftliche Situation des Betriebes reagiert. Es ist also nicht die wirtschaftliche Situation selbst, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führt, sondern erst die Entscheidung des Arbeitgebers, Arbeitsplätze abzubauen. Nicht die Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens ist der betriebsbedingte Grund, sondern die Umsetzung eines Sanierungskonzeptes, welches den Abbau bestimmter Arbeitsplätze beinhaltet. Die Entscheidung zum Abbau bestimmter Arbeitsplätze kann von den ArbG nur eingeschränkt überprüft werden. Die Überprüfung beschränkt sich darauf, ob
• diese Entscheidung im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung vorlag,
• der Beschäftigungsbedarf für den konkreten Arbeitnehmer entfallen ist und ob
• die Umsetzung der Entscheidung nicht gegen sonstige Gesetze oder Tarifverträge verstößt.
• Sie beschränkt sich des Weiteren darauf, ob die Entscheidung für den konkreten Arbeitsplatzabbau offenbar unvernünftig, willkürlich oder unsachlich ist.8)
7  Ob dem ArbG die unternehmerische Entscheidung als wirtschaftlich sinnvoll oder notwendig erscheint, darf in einem Arbeitsgerichtsprozess nicht überprüft werden. Es ist nicht Sache der Gerichte, dem Unternehmen ein besseres oder richtigeres Sanierungskonzept vorzuschreiben und damit in seine Kostenkalkulation einzugreifen.9) Hat der Unternehmer eine innerbetriebliche Organisationsentscheidung einmal beschlossen und auch konsequent durchgeführt, so wird grundsätzlich vermutet, dass diese Entscheidung auch aus sachlichen Gründen und nicht etwa rechtsmissbräuchlich erfolgt ist. Insofern gehört es zu der vom GG garantierten unternehmerischen Freiheit, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung ein Unternehmen haben soll und auch festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder ausgelagert werden sollen. Deshalb muss in einem Kündigungsschutzprozess der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, dass eine Sanierungsmaßnahme eben doch unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Insgesamt sollte ein durchdachtes und schlüssiges Sanierungskonzept vor dem ArbG dieser eingeschränkten Überprüfung standhalten. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass gerade in der ersten Instanz die Gerichte oft die Grenzen dieser nur eingeschränkten Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung überschreiten, indem etwa an ein Sanierungskonzept, mit dem der Wegfall der fraglichen Arbeitsplätze begründet wird, überzogene Anforderungen gestellt werden.
8  Ist der Unternehmer in seiner Entscheidung weitgehend frei, dass eine bestimmte Anzahl von Arbeitsplätzen abzubauen ist, so endet diese...
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