Einleitung
Wenn Sie bei einem Kassenarzt die Diagnose »Hashimoto-Thyreoiditis« gestellt bekommen, erhalten Sie dabei in den meisten Fällen gleich drei fragwürdige Informationen auf einmal:
- 1.»Diese Form der Entzündung der Schilddrüse ist unheilbar.«
- 2.»Diese Entzündung führt im Laufe der Jahre zur vollständigen Auflösung der Schilddrüse und mündet deshalb unweigerlich in eine Unterfunktion.«
- 3.»Die einzige Form der sinnvollen medizinischen Behandlung besteht in der Gabe von L-Thyroxin als Schilddrüsenhormonersatz.«
Mehrere Zehntausend Menschen in Deutschland erhalten jährlich diese Diagnose. Viele davon sind erleichtert, denn sie haben nun eine Erklärung dafür, warum es ihnen schon so lange schlecht geht. Und sie werden erfüllt von Hoffnung, dass von nun an sich alles wieder sehr schnell verbessern wird und sie bald wieder gesund sein werden. Leider ist das dann aber nur sehr selten der Fall. Für die meisten Betroffenen beginnt ganz im Gegenteil ein langjähriger Leidensweg. Warum ist das so? Weil die drei Informationen, die sie zu Beginn der Erkrankung in den meisten Fällen erhalten haben, nur sehr selten zutreffen und eine allgemeine medizinische Vorgehensweise nach sich ziehen, die für viele Menschen schädlich ist. Da man nämlich alle Menschen mit Hashimoto-Thyreoiditis über einen Leisten schlägt, die Krankheit zuerst als schwerwiegend und hoffnungslos darstellt und eine Therapie vorschlägt, die nur in einzelnen Fällen segensreich wirken kann, ist in den letzten Jahrzehnten, in denen diese Praxis geübt wird, für Hunderttausende Menschen ein großes Leid entstanden. Manche davon, etwa 1000 im Jahr, kommen dann in meine Praxis. Mehr kann ich aus Termingründen gar nicht aufnehmen. Weitere 1000 fragen nach einem Termin, können aber wegen Überfüllung nicht mehr untergebracht werden. Und diese Menschen erzählen mir alle von ihrer Empörung, ihrer Enttäuschung über die »Schulmedizin«, wie man sie gerne nennt. Kassenmedizin ist der bessere Ausdruck. Krankheiten werden heute verwaltet unter ökonomischen Gesichtspunkten, und deshalb ist es auch so, dass man sich um Hashimoto-Kranke nicht kümmert. Das wäre zu aufwendig, zu kompliziert. Einfacher ist es da, gar nichts zu tun oder zumindest sehr wenig. Sagen, dass man ohnehin nichts machen kann. Kontrollieren, um dabei Ziffern abrechnen zu können, nicht aber, um Heilverläufe zu beobachten. L-Thyroxin verschreiben, weil man bei sogenannten Fortbildungen hört, dass das gut sei. Fortbildungen, die von den Herstellern von L-Thyroxin gesponsert werden. Es ist das ein großes Elend, finde ich. Seitdem ich damit begonnen habe, Heilpraktiker und Ärzte in der ganzheitlichen Therapie der Hashimoto-Thyreoiditis auszubilden, hat sich diese Situation etwas gebessert, aber die Fülle der leidenden Menschen ist immer noch erdrückend, und es gibt wenig Hilfe. Man könnte da rund um die Uhr arbeiten und würde nur einen Bruchteil der Betroffenen behandeln können. Dieser Missstand ist unhaltbar, und deshalb schreibe ich nun schon das fünfte Buch, das sich mit der Schilddrüse und ihrer großen Bedeutung für den Körper, den Geist und die Seele des Menschen beschäftigt. Ich schreibe diese Bücher, um Menschen aus meiner Praxis zu erzählen. Um ihnen Arzneien an die Hand zu geben, die ihnen helfen, Schilddrüsenkrankheiten zu überwinden. Ich plädiere für Schilddrüsenpflege. Ich möchte den Menschen zu Bewusstsein bringen, wie wichtig es ist, im Leben über eine gesunde, leistungsfähige Schilddrüse verfügen zu können. Wo dieses wunderbare Organ arbeitet, sind Leistungsfähigkeit, Selbsterfüllung und Glück erreichbar, denn es ist die Schilddrüse, die es uns erlaubt, uns in unseren Anlagen überhaupt zu entfalten und unseren Weg im Leben zu gehen. Eine kranke Schilddrüse aber baut Mauern auf, die uns eingrenzen, die uns hemmen, die bewirken, dass wir seelisch um uns kreisen und in Schwäche und Depression verfallen. Ich wünsche mir, dass sich durch meine Bücher der Blick anderer Therapeuten weitet und man ein neues Verständnis für die Schilddrüse entwickelt, anstatt Schilddrüsenkranke mit L-Thyroxin abzuspeisen oder knotige oder entzündete Schilddrüsen gleich chirurgisch entfernen zu wollen. Einiges hat sich in den Jahren seit der ersten Veröffentlichung, dem Buch Die Schilddrüse. Balance für Körper und Seele, schon getan. Das Verständnis für die hohe Bedeutung der Schilddrüse als Organ ist gewachsen, und viele Menschen haben auch schon Rezepte für die Eigenbehandlung mit Erfolg ausprobiert. Ich bekomme viele positive Rückmeldungen und möchte mich an dieser Stelle auch für diese Ermutigung bedanken, möchte aber nicht lockerlassen und hoffe, dass sich in Bezug auf das allgemeine Verständnis der Schilddrüse und den Umgang mit Schilddrüsenkrankheiten etwas ändert und den Menschen geholfen wird.
Dieses Buch soll vor allem jenen Menschen, die an einer Hashimoto-Thyreoiditis leiden, dazu dienen, die Arzneien aufzuspüren, die sie brauchen, um von dieser Autoimmunerkrankung der Schilddrüse wieder zu gesunden. Es soll ihnen zeigen, wie man diese Arzneien richtig anwendet. Und die gute Botschaft gleich vorweg: Wenn Sie als Schilddrüsenkranke an Ihrer Gesundung arbeiten, werden Sie in einem großen Teil der Fälle auch geheilt werden. Mit dieser Aussage kommen wir zum ersten Punkt der oben erwähnten fragwürdigen Informationen zur Hashimoto-Thyreoiditis, die wir in der Überschrift auch gleich umformulieren wollen.
Diese Form der Entzündung der Schilddrüse ist heilbar!
Etwa jede zehnte Frau in Deutschland leidet an Hashimoto-Thyreoiditis, so die Statistik. Glücklicherweise ist Papier geduldig. So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Nach meiner Erfahrung wird nur ein kleiner Bruchteil dieser Menschen das Schicksal einer völligen Auflösung der Schilddrüse erleben. Ein Großteil der Menschen hingegen wird die Krankheit ganz von selbst überwinden. Es braucht nur Zeit. Ich halte wenig von den Ergebnissen der Genforscher, die in einigen kleinen Studien Hinweise auf eine erbliche Komponente der Hashimoto-Thyreoiditis zu erkennen glaubten. Vielleicht gibt es eine Veranlagung dafür, doch diese wird sich in den meisten Fällen nicht auswirken, sofern nicht gravierende äußere Belastungsfaktoren hinzutreten. Zwar gibt es »Schilddrüsen-Familien«, in denen die meisten Frauen irgendwie an der Schilddrüse erkrankt sind. Eine hat Knoten, die andere einen Morbus Basedow, die dritte und ihre Tochter eine Hashimoto-Thyreoiditis. Für diese Menschen ist die Schilddrüse also die Achillesferse. Wenn sie krank werden, dann bevorzugt dort. Damit ist aber noch nicht festgelegt, woran sie konkret erkranken werden. Ich kann aus meiner Praxiserfahrung nicht bestätigen, dass diese Form der Autoimmunerkrankung nur aufgrund genetischer Faktoren und ohne Belastungsfaktoren auftritt. Ganz im Gegenteil, es lohnt sich, die Stressfaktoren näher zu untersuchen. Trotzdem ist es wichtig, bei der Diagnosestellung dieser Erkrankung auch die nächsten, vor allem weiblichen Verwandten auf Hashimoto zu überprüfen, da dabei nicht selten Frühformen, mitunter aber auch schwere Krankheitsverläufe aufgedeckt werden, bevor sich diese überhaupt bemerkbar machen. Und je früher man eine Hashimoto diagnostiziert, desto schneller kann man sie heilen.
Wenn ich schreibe, dass jede zehnte Frau im Laufe ihres Lebens an einer Hashimoto-Thyreoiditis erkranken wird, dann meine ich damit aber nicht auch schon automatisch, dass ein Zehntel der Frauen in unserer Bevölkerung im Alter ohne Schilddrüse leben muss, da die Hashimoto-Thyreoiditis das Organ aufgelöst hat. So gravierend sind die Krankheitsverläufe glücklicherweise nicht. Der normale Verlauf sieht ganz im Gegenteil so aus: Zu Beginn der Geschlechtsreife – also etwa zwischen 14 und 18 Jahren – tritt aus unklaren Gründen die Bildung von Schilddrüsenantikörpern, meist den TPO-Antikörpern (bekannt auch als MAK oder Peroxidase-Antikörper), auf. Diese richten sich gegen Schilddrüsengewebe, und wenn hohe Krankheitsaktivität da ist, also Antikörperspiegel von 1000 U/ml und mehr bestehen, dann kommt es auch zu einer starken Entzündung der Schilddrüse, die im Laufe von Monaten und Jahren zu einer Verkleinerung dieses Organs führen kann. Ein Großteil der Betroffenen hat zwar Autoantikörper zwischen 100 oder 400 U/ml, merkt davon aber nicht viel. Dann tritt im Laufe der Jahre bei der einen oder anderen eine Schwangerschaft auf, und jemand verfällt auf die Idee, nach der Geburt die TPO-Antikörper zu messen. Siehe da, diese sind im Regelfall gestiegen, vielleicht auf Werte zwischen 500 und 1000 U/ml. Nicht immer sieht man in dieser Zeit aber auch im Ultraschall entzündliche Veränderungen der Schilddrüse. Es ist da schwierig zu sagen, ob wir nun wirklich schon eine Hashimoto-Thyreoiditis vorliegen haben oder nicht. Ich bin geneigt zu sagen, dass jemand, der sich in diesem Stadium wohlfühlt und keine Entzündungszeichen hat, eher eine Reaktion des Immunsystems ohne Schilddrüsenerkrankung hat. Dass die Antikörper in der Schwangerschaft steigen können, mag damit zusammenhängen, dass die Mutter mit ihrem Immunsystem auf das Kind reagiert. Es ist das ein komplizierter Prozess, bei dem der Körper der Mutter seine Integrität erhalten muss, zugleich aber das Kind nicht als Fremdkörper abgestoßen werden darf. In diesem Zusammenhang entstehen Antikörper, die vielleicht nur so ähnlich aussehen, aber ganz anders funktionieren und aus anderen Gründen gebildet werden als jene, die die Schilddrüse zur Entzündung und Selbstauflösung bringen können. Je länger die Schwangerschaft...