3. DIE TRAININGSPRAXIS
3.1 Trainingsgrundsätze im Health Horse Agility
Viele Wege können zum Ziel führen, dennoch beeinflusst die Art und Weise des Trainings, sprich der „Pferde-Dressur“, die körperliche und seelische Verfassung unserer vierbeinigen Partner. Da wir mit dem Gesundheitstraining genau das Ziel einer verbesserten physischen und psychischen Verfassung anstreben, ist es nicht nur wichtig, dass ein Pferd eine Aufgabe ausführt, sondern auch in welcher Art und Weise es dies tut. Die Qualität einer Lektion wird durch den Entwicklungsweg der Übung beeinflusst.
Merke!
Das Ziel des Gesundheitstrainings ist eine verbesserte physische und psychische Verfassung des Pferdes.
Das Anlernen einer Aufgabe, das Begreiflichmachen, worum es geht, und die Motivation, die Lektion gut zu meistern, sind Eckpfeiler und große Herausforderungen im Gesundheitstraining. Richtiges Agieren und Reagieren in wohldosierter Stärke und exaktem Zeitmaß sind deshalb Grundvoraussetzungen für ein erfolgreiches Training. Dies bedarf eines guten Einfühlungsvermögens seitens des Ausbilders, gepaart mit Geduld, innerer Ruhe, Konsequenz und Fairness.
Einer der wichtigsten Voraussetzungen im Health-Horse-Agility-Training ist ein motiviertes Pferd. Das Pferd muss Freude am Training im Parcours und in freier Natur haben, ansonsten ist jeder Heilungsweg blockiert. Dem Ausbilder muss es gelingen, dem Pferd eine gewisse „Spielfreude“ abzuringen. Dies kann nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn man die Spielregeln kennt und beachtet, die die Basis für eine echte Freundschaft mit dem Pferd darstellen.
Die Freiarbeit ohne Halfter und Zaumzeug ist ein großer Vertrauensbeweis des Pferdes. Aus Sicherheitsgründen sollte das freie Training allerdings nur auf fest umzäunten Trainingsplätzen stattfinden.
3.1.1 Richtig belohnen
Um ein freundschaftliches Verhältnis zu seinem Pferd aufzubauen, müssen gewisse Voraussetzungen gegeben sein: Vertrauen, Fairness, Konsequenz und Belohnung sind leicht ausgesprochene Schlagwörter, die mit Inhalten gefüllt werden wollen. Viele Reiter sehen diese Eigenschaften als selbstverständlich an, doch werden sie auch gelebt?
Vertrauen kann nur auf gegenseitiger Basis funktionieren. Sehr viele Pferdebesitzer behaupten, ihren Pferden vollständig zu vertrauen. Warum reiten sie ihre Pferde dann mit einer Zäumung? Weshalb legen sie ihnen ein Halfter an, wenn sie es von der Koppel führen wollen? Sollten wir nicht so viel Vertrauen in unsere Pferde haben, dass wir uns sicher sein können, dass die Pferde uns folgen, wenn wir sie dazu auffordern?
Dies soll nun keine Aufforderung sein, Pferde ohne Halfter und Zaumzeug im Gelände zu reiten oder zu führen. „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, heißt ein Sprichwort, und es können immer Situationen eintreten, die ein Pferd instinktiv dazu veranlassen, die Flucht zu ergreifen. Vertrauen hin oder her, das Pferd bleibt immer noch ein Fluchttier, das nach seinen Instinkten reagiert, wenn es darauf ankommt. Wenn man ein Pferd also mit einem Halfter oder einer Zäumung ausstattet, ist dies nicht gleichbedeutend damit, dass man seinem Pferd nicht vertraut. Es macht das Handling einfacher und vor allem sicherer. Dennoch ist es möglich, mit dem Pferd ohne Halfter und Zaum zu arbeiten, wenn sich das Training in einem sicher umzäunten Areal abspielt. Es genügt jedoch auch, die Zäumung nicht als Zwangsinstrument, sondern als Kommunikationsmittel zu verwenden, um dem Pferd das notwendige Vertrauen entgegenzubringen. Fehlt der „Zug“ oder „Druck“ am Halfter und wird das Pferd lediglich angefragt, ob es folgen möchte, kann es frei entscheiden, der Bitte nachzukommen oder nicht. Ob der Vierbeiner dabei mit einem Halfter ausgestattet oder davon befreit ist, spielt für das Pferd keine Rolle.
Leckerli sollte man nicht als grundsätzliche Belohnung einsetzen. In Ausnahmefällen ist eine Futterbelohnung jedoch eine große Hilfe, beispielsweise wenn man dem Pferd verständlich machen will, was es tun soll.
Hat das Pferd andere Interessen, wird es dem Menschen wohl eher nicht folgen. Dies ist aber keine Frage des Vertrauens, sondern seiner Interessenlage. Lockt man das Pferd jedoch mit Futter, wird es der Aufforderung des Menschen wahrscheinlich eher Folge leisten. Das ist aber ebenfalls keine Frage des Vertrauens, vielmehr ist das Pferd am Futter interessiert. Dies hat mit Ausbildung und Erziehung wenig zu tun, der Mensch nutzt hier nur das natürliche Verlangen nach Futter aus. Es handelt sich deshalb ebenso wenig um einen Vertrauensbeweis. Das Pferd folgt nicht, weil es sein Besitzer möchte, sondern weil es das Futter haben will. Damit fällt diese Methode eher unter die Kategorie Bestechung.
Pferde spielen und kämpfen miteinander, um ihren Platz im Herdengefüge zu verteidigen oder zu verbessern.
Setzt man in der Ausbildung Leckerli falsch ein, wird das Pferd nicht erzogen, sondern verzogen. Aus diesem Grund sollte man Futter nicht als Belohnung grundsätzlich einsetzen. Es gibt aber Ausnahmen, beispielsweise, um dem Pferd zu zeigen, was man von ihm möchte.
Merke!
Eine Leistung angemessen zu belohnen, bedeutet Fairness und ist die Basis der Freundschaft zwischen Mensch und Pferd.
Um ein Pferd zu erziehen und auszubilden, müssen wir ihm klarmachen, welches Verhalten erwünscht und welches unerwünscht ist. Somit muss jedes Verhalten Konsequenzen nach sich ziehen. Innerhalb einer Pferdeherde gibt es Rangkämpfe, um auszufechten, wer das Sagen in der Herde hat. Dieses Verhalten ist dem Pferd also nicht fremd. Der Mensch sollte deshalb stets die Position eines ranghöheren Artgenossen einnehmen.
Agiert das Pferd in der gewünschten Art und Weise, muss es selbstverständlich ein positives Feedback erhalten. Infolge davon wird das Pferd diese Verhaltensweise mit einer positiven Erfahrung verbinden und seine Reaktion wieder anbieten. Bietet das Pferd die belohnte Verhaltensweise ungefragt wieder an, will es damit das erlernte, positive Feedback erhalten. So reagiert ein Pferd immer dann, wenn die positive Rückmeldung „stärker“ ist, als die geforderte Aufgabe Mühe macht. Es lohnt sich, Dinge für ein bestimmtes Feedback zu tun. Man nennt es auch Betteln.
Korrekte Erziehung aber hat damit zu tun, die Handlungen angemessen zu belohnen. Leckerli sind extrem starke Motivatoren und sollten deshalb nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen, weil sie meist unangemessen sind. Natürlich kann mithilfe eines extrem starken Motivators eine Reaktion sehr schnell erlernt werden, doch hierdurch werden weder Vertrauen noch Freundschaften gestärkt.
3.1.2 Einsatz von Hindernissen
Das Gesundheitstraining kann mit und ohne Hindernisse stattfinden, dennoch stellen verschiedene Medien eine Hilfe dar, um bestimmte Übungen korrekt auszuführen. Ein Pferd dazu zu animieren, seine Beine stärker zu beugen, bedarf eines hohen Trainingsaufwands. Nimmt man sich jedoch Stangen zu Hilfe, über die das Pferd treten soll, ist die Aufgabe einfach. Aus diesem Grund ist der Einsatz von Hindernissen eine praktische Erleichterung im Health-Horse-Agility-Training.
Hindernisse unterstützen die korrekte Ausführung von Übungen, dienen der Abwechslung im Trainingsalltag und erhalten so das Interesse und die Freude am Training. Die Vielseitigkeit und die unzähligen Kombinationen von Hindernissen und Aufgaben erhalten das Pferd frisch und interessiert.
Für den Einsatz von Hindernissen im Pferdetraining müssen aber diverse Voraussetzungen gegeben sein. In erster Linie dürfen die eingesetzten Hilfsmittel keine Verletzungsgefahr darstellen. Somit muss sichergestellt sein, dass alle betretbaren Oberflächen rutschsicher sind. Ein geeigneter Gummibelag kann Abhilfe schaffen. Rahmen, Ecken und Kanten müssen immer abgerundet und dürfen nicht scharfkantig sein. Außerdem sollte man die Hindernisse so gestalten, dass sie nicht kippen, wenn das Pferd auf den äußersten Rand tritt (sehr wichtig bei allen Arten von Podesten, Brücken, erhöhten Trittkombinationen und Wippen). Zudem sollten keine Hindernisse verwendet werden, in die das Pferd treten und dabei hängen bleiben könnte. Somit sind Podeste ohne geschlossene Seitenwände oder Auto- und Traktorreifen mit offenem Innenbereich tabu. Ebenso muss man gewährleisten können, dass das jeweilige Hindernis den Belastungen eines schreitenden, laufenden und sogar springenden Pferdes standhalten kann und keine Teile splittern oder brechen.
Die Maße wie Höhe und Breite eines Hindernisses müssen der Größe und dem Niveau des Pferdes angepasst sein. So ist es oft nötig, dass Hindernisse in verschiedenen Größen zur Verfügung stehen, um jedem Pferd – von seinem Leistungsvermögen, seiner Erfahrung und Körpergröße her – gerecht zu...