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Heikle Situationen im Schulalltag meistern

Know-how für 44 typische Störungen und Konflikte (5. bis 13. Klasse)

AutorUdo Kliebisch
Verlagscolix
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl175 Seiten
ISBN9783403702245
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Schwätzen, Schwänzen, Schlägereien: So sind Sie pädagogisch und rechtlich gewappnet!
Im Lehreralltag sind Sie immer wieder Konflikten mit Schülern, Eltern

und Kollegen ausgesetzt - das kann anstrengend und belastend sein. Mit unserem Ratgeber sind Sie für diese 'heiklen' Situationen bestens gewappnet. Er eröffnet Ihnen neue Handlungsperspektiven und zeigt Ihnen, wie Sie die Herausforderungen des Schulalltags professionell meistern.

Der Ratgeber folgt dabei bewusst einem fallorientierten Ansatz. Anhand von 44 konkreten Situationsschilderungen werden Ihnen erfolgversprechende Handlungsmuster aufgezeigt. So lernen Sie aus der Praxis für die Praxis!

Empfehlungen von Experten:

'Schon beim Überfliegen der einzelnen heiklen Situationen ist es angenehm zu spüren, diesen Profitipps vertrauen zu können. Und Vertrauen ist in heiklen Situationen der beste Ratgeber.'

Wolfgang Endres, Studienhaus St. Blasien

'Das neue Buch von Udo Kliebisch ist ein großer Gewinn für die Lehrerbildung, das Lehrertraining und auch für die Arbeit am eigenen professionellen Selbst. Ich kann es wärmstens empfehlen.'

Prof. Dr. Karl-Oswald Bauer, Empirische Bildungsforschung, Universität Vechta

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Leseprobe

Wenn’s außerhalb des Unterrichts heikel wird


Situation 16: Der Elternsprechtag wird zur Anklagebank


Das ist passiert


Nicola ist ein interessiertes Mädchen, aber in Geschichte hat sie nur wenig zu bieten: Sie meldet sich kaum freiwillig, ihre Beiträge sind gedanklich nicht strukturiert. Tiefgang: Fehlanzeige! Sie haben Nicola auf dem Halbjahreszeugnis eine Vier gegeben, wohlwollend – aus Ihrer Sicht.

Jetzt sitzen Nicola und ihre Eltern vor Ihnen: Elternsprechtag. Sie erläutern den Eltern behutsam Nicolas Leistungskurve. Da bricht es aus Nicolas Mutter heraus: „Lieber Herr Wunder, das ist ja alles gut und schön, was Sie da sagen. Aber Sie sprechen doch nicht über meine Tochter.“ Sie: „Was meinen Sie?“ Nicolas Mutter: „Bei Ihrer Vorgängerin stand Nicola Zwei. Es kann doch nicht sein, dass Nicola plötzlich so schlecht geworden ist. Nicola ist erst so abgerutscht, seitdem Sie in der Klasse unterrichten.“ Nicolas Vater nickt zustimmend, während Nicola verschämt auf den Boden schaut. Und Sie fangen innerlich an zu kochen.

Verstehen, was los ist


Eltern sorgen sich um ihre Kinder, zumindest solche Eltern, die sich um ihre Kinder kümmern und für die Kinder nur das Beste wollen. Nicolas ­Eltern ­haben Angst um ihr Kind: Wird Nicola im Laufe des Schuljahrs vielleicht noch weiter nachlassen? Vielleicht ist am Ende sogar Nicolas Versetzung gefährdet? Und: Nicolas Eltern können sich nicht erklären, wodurch der Leistungseinbruch in Geschichte zustande kommt. Das macht sie sehr unsicher. Angst und Unsicherheit bestimmen also Nicolas Eltern. Das lässt in ihnen archaische Verhaltensmuster erwachen. In dieser bedrohlichen Situation suchen Nicolas Eltern nach einem Ausweg; sie möchten eine Ursache für das Problem festmachen. Wenn man weiß, wo der Feind sitzt, kann man besser gegen ihn kämpfen. Und Nicolas Eltern erkennen den Feind. Dumm nur, dass Sie für Nicolas Eltern diese Figur abgeben. Plötzlich sind Sie zum Feind geworden, der alles verursacht hat. Ihnen hat Nicola den Leistungsabfall zu verdanken. Vorher war ja alles besser; da hatte Nicola in Geschichte noch eine Zwei auf dem Zeugnis.

Und Sie? Sie fühlen sich angegriffen. Kein Wunder! Nicolas Eltern stellen Ihre Kompetenz als Lehrer infrage. Und das Ganze gleich in einer für Sie sehr ungünstigen Konstellation: drei gegen einen, ein besonders bedrohliches Szenario. Dadurch werden auch bei Ihnen uralte Verhaltensmuster aktiviert: Sie möchten sich rechtfertigen und sich verteidigen. Wenn man’s genau nimmt: Sie möchten Nicolas Eltern mundtot machen; denn schließlich haben die weder von Geschichte noch von Geschichtsunterricht so viel Ahnung wie Sie. Was bilden die sich eigentlich ein, Ihnen die Schuld an Nicolas Versagen in die Schuhe schieben zu wollen?

Sie wissen: Wenn Sie jetzt verbal zurückschlagen, eskaliert die Situation. Aber Sie wollen Nicolas Eltern ja auch nicht recht geben. Ihr Unterricht ist modern, zeitgemäß. Nicola ist verantwortlich für die Misere. Wie kriegen Sie das bloß vermittelt?

Erfolgreich handeln


Die Einsicht in die Struktur des Konflikts ist der erste Schritt auf dem Weg zur Lösung. Sie fühlen sich von Nicolas Eltern angegriffen. Okay, genau das beabsichtigen die Eltern ja auch. Die Eltern wollen Sie angreifen. Verloren ­haben Sie nur dann, wenn Sie die Beziehungsdefinition annehmen, die Ihnen die Eltern damit anbieten. Lenken Sie die Energie um, die die Eltern in den Angriff legen. Werden Sie zum Gewinner und machen Sie dadurch alle Beteiligten zu Gewinnern! Wie? Ganz einfach – in vier Schritten:

1.Kontrollieren und regulieren Sie Ihre archaischen Angriffsgefühle. Sie haben es nicht nötig, sich zu verteidigen, wenn Sie von sich und Ihrem Unterricht überzeugt sind. Also: Bleiben Sie gelassen!

2.Deuten Sie den Angriff der Eltern als Ausdruck von Angst und Sorge: Was wird aus unserem Kind? Und spiegeln Sie diese Sorge und werden Sie zum Helfer.

3.Beziehen Sie Nicola in das Gespräch ein. Sie ist die wichtigste Person und bisher gar nicht zu Wort gekommen. Was denkt sie über die Sache?

4.Schauen Sie gemeinsam in die Zukunft. Suchen Sie mit Nicola nach einer Lösung. Was kann Nicola tun, damit ihre Leistungen besser werden? Beziehen Sie die Eltern in den Prozess ein.

Im Gespräch könnte das so aussehen:

Nicolas Mutter: Herr Wunder, das ist ja alles gut und schön, was Sie da sagen. Aber Sie sprechen doch nicht über meine Tochter.

Sie: Was meinen Sie?

Nicolas Mutter: Bei Ihrer Vorgängerin stand Nicola Zwei. Es kann doch nicht sein, dass Nicola plötzlich so schlecht geworden ist. Nicola ist erst so abgerutscht, seitdem Sie in der Klasse unterrichten.

Sie (zu Nicolas Mutter gewandt): Ich kann Sie sehr gut verstehen, Frau Winter. Ich würde mich an Ihrer Stelle sicher auch um meine Tochter sorgen. (zu Nicola) Nicola, wie hast du denn deine Leistungen in den letzten Monaten erlebt?

Nicola: Ja, ich habe auch wirklich weniger gemacht als früher. Ich weiß auch nicht so richtig, warum …

Sie (zugewandt, einfühlsam, Blickkontakt zu allen): Ich denke, nach Ursachen müssen wir jetzt auch nicht suchen. Was könntest du denn in Zukunft anders machen?

Lenken Sie das Gespräch auf zwei, drei Vereinbarungen für die Zukunft: ­Nicola könnte zum Beispiel versprechen, sich zweimal pro Unterrichtsstunde zu melden, und im nächsten Monat ein Referat übernehmen. Dann:

Sie (freundlich, lächeln): Frau Winter, was sagen Sie dazu?

Nicolas Mutter: Ja, das hört sich gut an.

Sie: Ich fände wichtig, dass wir auch gemeinsam prüfen, wie's klappt. Wir könnten uns alle in zwei Monaten wieder treffen und darüber sprechen. Was halten Sie davon?

Nicolas Mutter: Ja, das ist gut. – Nicola?

Nicola: Ja, einverstanden.

Sie: Herr Winter?

Nicolas Vater: Ja, ja.

Profitipps


ƒSie werden beim Elternsprechtag von einem Elternteil sprachlich angegriffen, das Kind ist aber nicht dabei. Was dann? Am besten wäre ein neuer Termin, bei dem auch das Kind anwesend ist. Wenn das nicht geht: Ein Perspektivwechsel tut’s manchmal auch: „Frau Winter, was hat Ihnen Ihre Tochter über den Unterricht erzählt? Wie könnten wir Ihrer Tochter helfen? Was könnte Sie selbst tun?“

ƒUrsachenforschung ist ein beliebtes Beschäftigungsfeld, wenn Lehrer angegriffen werden: Wer war wirklich Schuld am Leistungsabfall des Kindes? Eine Falle, in die Sie nicht tappen sollten. Schauen Sie nicht zurück, sondern schnell nach vorn: „Was können wir tun, damit es besser wird?“

ƒNutzen Sie den Obama-Trick: „Wir werden das schaffen.“ Oder „Wir ziehen an einem Strang, das verspreche ich Ihnen.“ Das Wir-Gefühl verbindet und macht stark.

ƒDie Perspektive zu wechseln ist auch in anderen Situationen nützlich, in denen Sie sich angegriffen fühlen (könnten): wenn Schüler im Unterricht Seitengespräche führen, wenn Schüler früher nach Hause oder lieber in die Eisdiele gehen wollen, statt Englisch zu lernen, oder auch wenn Schüler keine Hausaufgaben machen wollen oder alles für zu schwer halten.

Achtung, Stolperstein!


Jeder Angriff von Eltern ist auch eine Rückmeldung, über die Sie nachdenken sollten. Dies nicht zu tun, wäre dumm. Eltern erfahren von ihren Kindern eine Menge. Manchmal mehr als dem Lehrer lieb ist. Haben Sie vielleicht doch etwas übersehen, etwas falsch gemacht? Oder sollten Sie einfach nur etwas Neues probieren? Nehmen Sie die Eltern ernst und korrigieren Sie sich, wenn Sie dies für nötig halten.

Situation 17: Eltern stellen Sie auf die Probe


Das ist passiert


Sie sind noch nicht lange an der Schule, die Routine der alten Hasen haben Sie noch nicht. Zu Beginn des neuen Schuljahres bittet Sie der Klassenlehrer, zur Pflegschaftssitzung zu kommen. Sie sollen die Inhalte des Deutschunterrichts vorstellen.

Sie (aufgeregt): Ja, mein Name ist Neuer. Ich bin der Deutschlehrer Ihrer Kinder.

20 Minuten lang erklären Sie den Eltern etwas von Kompetenzen und Standards, von Referaten und Mitarbeit im Unterricht, von Klassenarbeiten und Vergleichsarbeiten und von einem Roman, den die Kinder aussuchen dürfen. Ein Vater will es ganz genau wissen und fragt nach.

Herr Überklar: Welche Lektüren genau wollen Sie denn bearbeiten? Und ­unter welchen Fragestellungen überhaupt? Und welche Lernziele verfolgen Sie dabei eigentlich?

Sie antworten, doch der Vater setzt bei jeder Ihrer Antworten nach, belehrt Sie eines Besseren:

Herr Überklar: Könnten Sie nicht auch die Novelle vom Sandkorn lesen? Die würde doch viel besser passen.

Sie freuen sich, als Herr Überklar endlich das Lektürefeld verlässt. Doch es geht gleich weiter.

Herr Überklar: Und was mir auch noch nicht wirklich klar ist: Welche Arten der Überprüfungen werden Sie machen? Da könnte man doch auch mal mit einem Portfolio arbeiten.

Verstehen, was los ist


Gegen Besserwisser ist kein Kraut gewachsen, gegen Provokateure auch nicht – außer man weiß, wie man mit ihnen umgeht. Besserwisser und Provokateure leben davon, dass ihre Gegner meist nicht wissen, wie man mit ­ihnen umgeht....

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