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Heimat Erde

Christliche Spiritualität unter endzeitlichen Lebensbedingungen

AutorGeiko Müller-Fahrenholz
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl384 Seiten
ISBN9783641131517
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Preisreduziert: Bisher 29,99 ? - jetzt nur noch 14,99 ?!
Zuverstichtlich leben im Angesicht einer von Menschen gemachten Endzeit?

Dieses Buch nimmt die große Aporie der Gegenwart auf: Obwohl wir wissen können, welches Handeln angesichts eines unabweisbar drohenden Endes der Zivilisation nötig ist, bleiben die Kräfte der Veränderung schwach. Denn: Zu groß scheinen die Zerstörungskräfte, die die Menschheit entfesselte, als dass wir sie noch bändigen könnten.

Ist das aber so? Was, wenn es gelänge, zu einem Denken zu finden, das Kraft und Mut freisetzt und die Herzen der Menschen erreicht? Geiko Müller-Fahrenholz erprobt Wege zu diesem Denken. Die Kategorie des Friedens wird ihm zum Schlüsselbegriff. Ein Friede, der gedacht als dynamisches, schöpferisches Energiefeld unsere Begriffe von einem sicheren, guten Leben ganz neu bestimmt. Ein Friede, der getragen von einem unbedingten Gottvertrauen, zum Schöpfungsfrieden werden kann.


  • Die Erde bewohnen statt beherrschen
  • Ein leidenschaftliches Plädoyer für eine geistesgegenwärtige Theologie des Aufbruchs


Geiko Müller-Fahrenholz, geboren 1940, war Auslandspfarrer in Oxford, Studieninspektor am Predigerseminar Loccum und Exekutivsekretär in der Abteilung für Glauben und Kirchenverfassung des ÖRK in Genf. Von 1979 bis 1988 war er Direktor der Nordelbischen Evangelischen Akademie, danach Professor für Ökumenische Theologie und Ökologische Ethik in Costa Rica. Seit 1996 lebt er als Publizist in Bremen. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder und zwei Enkelkinder.

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Leseprobe

Einleitung


Bevor meine Enkel mich fragen


Das große Karthago führte drei Kriege.
Es war noch mächtig nach dem ersten,
noch bewohnbar nach dem zweiten.
Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten.
Bertold Brecht

Dieses Buch ist meinen beiden Enkelkindern gewidmet. Matteo wurde 2006 geboren, Philine ein Jahr später. Wenn sie so alt sind wie ich heute, dann schreiben sie das Jahr 2080, und das Ende dieses 21. Jahrhunderts ist in Sicht.

Wie wird die Welt dann aussehen? Niemand kann das vorhersagen. Doch dies scheint sicher zu sein: Wenn die Industrialisierung der Welt so fortschreitet wie bisher, wenn die Automobilisierung so wächst wie derzeit, wenn das Konsumverhalten von heute sich weiter über die Erde verbreitet, dann wird bis 2080 die Erderwärmung um mehr als 3° oder gar 4° C zugenommen haben, und dann wird die Welt, gelinde gesagt, sehr viel chaotischer aussehen als heute. Dann werden meine Enkel furchtbare Kriege erlebt haben, Erdölkriege, Trinkwasserkriege, Lebensmittelkriege. Vielleicht werden sie zu dem Millionenheer der Klimaflüchtlinge gehören, weil große Teile von Hamburg, ihrer Geburtsstadt, permanent überflutet sein werden?

Oder werden sie 2080 mit Erleichterung und etwas Stolz darauf zurückblicken, dass die »große Transformation« gelungen ist? 1 Dass die Menschen es geschafft haben, die Erdkrise unter Kontrolle zu bringen, also die »Dekarbonisierung« 2 der Weltwirtschaft und ihrer Energiesysteme durchzusetzen, die Zunahme der Erderwärmung auf unter 2° C zu senken, internationale Abkommen zur Beheimatung von Klimaflüchtlingen zu schließen? Und was sonst alles nötig gewesen sein wird, um das Leben der Menschengemeinschaft auf eine nachhaltige und verträgliche Grundlage zu bringen?

Ich will es hoffen.

Doch es sieht nicht danach aus. Heute, im Jahr 2013, wird diese große Transformation von sehr vielen unterschiedlichen Personen und Arbeitskreisen durchdacht und bekannt gemacht, aber mit ihrer Verwirklichung will es nicht klappen. Damit sie noch gelingt, sagen die Fachleute, müssen die nötigen Umsteuerungen bis 2020 in die Wege geleitet werden. Die Zeit wird sehr knapp. Und doch sind die Menschen, die heute weltweit die Entscheidungen treffen, weder bereit noch willens, die revolutionären Entscheidungen, die ihnen zugemutet werden, zu treffen. Und sie haben mit dieser Zögerlichkeit die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich.

Warum ist das so? Warum können uns die Wissenschaftler sagen, was getan werden muss, und die Ingenieure beschreiben, wie es getan werden könnte, und die Ökonomen aufrechnen, was es kostet, jetzt zu handeln, und wie viel mehr es kosten wird, wenn nicht gehandelt wird, und trotzdem geschieht das Nötige nicht?

Was also wollen wir antworten, wenn unsere Enkel uns fragen: Wenn ihr doch wusstet oder wissen konntet, was für Gefahren auf die Welt, und das heißt auf uns zukommen, warum habt ihr dann nichts getan?

Um dieses Warum geht es mir in diesem Buch. Um die Motive, die uns Menschen heute so unschlüssig reagieren lassen. Welche Gründe stecken hinter unserem Verhalten? Welche tief verankerten Bilder leiten uns?

Es sind – das sei gleich am Anfang festgestellt – meine persönlichen Annäherungen, die ich im Folgenden zur Diskussion stelle. Denn wer nach dem Warum fragt, muss auch sein eigenes Herz befragen und darf nicht so tun, als ließen sich die Probleme »rein rational« verstehen. Weil wir mitten in ihnen stecken, selber ein Teil von ihnen sind, müssen wir in Betracht ziehen, wo wir befangen und gefangen, voreingenommen und beteiligt sind. Darum versuche ich auch nicht, akademisch und unpersönlich zu argumentieren, sondern meinen persönlichen Umgang mit der Thematik kenntlich zu machen.

1. Die endzeitliche Situation: Globale Selbstvernichtung


Wie kann ich beginnen?

Vielleicht so: Was die Fachleute die große Transformation nennen, ist die konstruktive Anpassung der Weltgesellschaft an eine Macht, die uns Menschen zugewachsen ist und die es so bisher noch nie gegeben hat. So paradox es klingt, aber wir Menschen können mit dem Kopf mehr, als wir mit dem Herzen zu erfassen vermögen. Die wissenschaftlichen, technischen, wirtschaftlichen und planerischen Fähigkeiten sind sehr viel schneller gewachsen als unser seelisches Fassungsvermögen, als unsere ethischen Kontrollen und unsere staatlichen Strukturen und Organisationen.

Anders gesagt, es hat in unserer Lebenszeit einen Epochenwandel gegeben, wie ihn die Menschheit noch niemals erlebt hat. Sehr viele Menschen wissen noch nichts von ihm, weil sie keinen Zugang zu Schulen oder Bibliotheken oder auch zum Internet haben. Sie leben in ihren kleinen Welten, aber dass in der großen Welt bereits über sie entschieden worden ist, entzieht sich ihrer Kenntnis. Ein anderer Teil der Menschheit, und zu ihm gehören wir in den hochindustrialisierten Ländern, kann von diesem Epochenwandel wissen, aber zieht es vor, von ihm nichts wissen zu wollen.

Worin besteht dieser Wandel? Darin, dass wir Menschen die Macht der Selbstvernichtung auf uns gezogen haben. Das ist sehr unverhofft und überfallartig vor sich gegangen. An ein paar autobiographischen Hinweisen sei dies erläutert.

Ich war fünf Jahre alt, als amerikanische Piloten am 6. und 9. August 1945 über den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki zwei Atombomben abwarfen und mit zwei Schlägen mehr als 200 000 Menschen töteten (und viele andere einem Jahrzehnte dauernden Sterben auslieferten). Damals wurde die epochale Schwelle überschritten. Denn es begann, was sich wenige Jahre später zu einer Bedrohung für die ganze Menschheit und alles organische Leben entwickelt hatte, die »mutually assured destruction« (MAD), die wechselseitig garantierte Vernichtung durch atomare Waffensysteme. Der »kalte Krieg« zwischen den beiden Supermächten bildete den propagandistischen Vorhang, hinter dem sich diese Entfesselung menschlicher Selbstvernichtungsmacht tarnen ließ.

Gewiss, heute weiß man, dass es schon früh warnende Stimmen gab. So erklärte Albert Einstein 1955: »Unserer Welt droht eine Krise, deren Umfang anscheinend denen entgeht, in deren Macht es steht, große Entscheidungen zum Guten oder Bösen zu treffen. Die entfesselte Macht des Atoms hat alles verändert, nur nicht unsere Denkweisen. Auf diese Weise gleiten wir einer Katastrophe ohnegleichen entgegen. Wir brauchen eine wesentlich neue Denkungsart, wenn die Menschheit am Leben bleiben soll.«

Das war es: Wissenschaftler und Techniker hatten eine Macht freigesetzt, zu der die gängigen Denkweisen nicht mehr passten. Das meine ich mit der verhängnisvollen Ungleichzeitigkeit im Bewusstsein, die bis heute nicht überwunden ist. Zwar wurden die Vereinten Nationen 1946 mit dem Ziel auf den Weg gebracht, so etwas wie eine weltumspannende Friedensordnung zu schaffen. Darin spiegelte sich die von Einstein geforderte »neue Denkungsart« wider, doch mit der Schaffung des Sicherheitsrates geriet das System alsbald unter die Vorherrschaft nationalstaatlicher Interessen und geostrategischer Rücksichtnahmen. Diese innere Lähmung der Vereinten Nationen dauert bis heute an. Die Ungleichzeitigkeit zwischen den selbstzerstörerischen Machtmitteln auf der einen Seite und partikulären Denkformen und nationalstaatlichen Politikmustern auf der anderen besteht weiter.

So ist es gekommen, dass wir Menschen eine Epochenschwelle überschritten haben und uns doch zugleich in einer Epochenblindheit befinden, weil wir über die Diskrepanzen zwischen dem Wissen und Nicht-Wissen, zwischen dem Wissen-Können und Nicht-Wissen-Wollen nicht hinausgelangen. Auch darum haben wir zugelassen, dass sich während der 60er Jahre die verführerische Unterscheidung zwischen der militärischen und der friedlichen Nutzung der Atomenergie durchsetzte. Wenn die erste gefährlich, aber doch unentbehrlich sei, so hieß es, sei die andere ungefährlich und könne den Hunger der wachsenden Industriegesellschaften nach billiger Energie bedenkenlos bedienen. Fünf Jahrzehnte später, im September 2012, sind weit mehr als 400 Kernkraftwerke weltweit in Betrieb. Aber niemand hat eine Vorstellung davon, wie und wo man geeignete Depots für die verstrahlten Altlasten finden kann. Man schiebt das Problem der »Endlagerung« vor sich her – ein weiterer Beleg für die Diskrepanz zwischen Wissen und Nicht-Wissen-Wollen.

Dann trat anfangs der 60er Jahre ein zusätzliches Weltthema in den Vordergrund, nämlich die Diskrepanz zwischen den reichen und armen Ländern. Die Vereinten Nationen verkündeten die erste »Entwicklungsdekade«. Das verheißungsvolle Wort »Entwicklung« wurde als nachholende Modernisierung verstanden. »Unterentwickelte«, also überwiegend traditionell verfasste Agrargesellschaften, sollten durch die Vermittlung von technischem und industriellem Knowhow auf den Stand von Industrienationen gebracht und in den Weltmarkt integriert werden. So wollte man die Armut überwinden.

Ist es gelungen? Ja und nein. Gewiss haben sich in den letzten fünf Jahrzehnten gewaltige Veränderungen vollzogen. Das auffälligste Beispiel ist China. Es war damals bitterarm. Inzwischen ist das »Reich der Mitte« eine Weltmacht, auch wenn es noch viele Millionen bitterarmer Chinesen gibt und auch wenn das Land langfristig gefährliche ökologische Hypotheken aufgehäuft hat. Was für China gilt, trifft auch auf andere Weltregionen zu. Es gibt...

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