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Hierarchiefreiheit in Organisation und Kommunikation: Eine empirische Untersuchung am Beispiel der holländischen Unternehmensberatung Kessels & Smit

AutorJasmin Leutelt
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783842801202
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Nach dem klassisch-transaktionskostentheoretischen Verständnis ist die Hierarchie die elementare und dominierende Koordinationsform für alle Ausprägungen von Organisationen - seien es strikt-hierarchische, zentralistische Organisationen in der idealtypischen Gestalt des Weberschen Bürokratiemodells oder hierarchisch 'abgeschwächte' Ausprägungen in Gestalt von Hybriden oder 'dezentralen Hierarchien'. Frei nach dem Zitat von Weick untersucht das vorliegende Buch am Beispiel einer unkonventionellen Unternehmensberatung, ob neben der Hierarchie eine weitere, nicht-hierarchische Koordinationsform für Organisationen existiert und welche Rolle dabei die Kommunikation inne hat. So fragt die Autorin, ob in der Praxis eine Organisation ohne Chefs, CEOs und Vorgesetzte funktionieren kann und welche Strukturen und Koordinationsmechanismen an die Stelle der hierarchischen treten. Neben diesen kontextbezogenen Fragen erforscht die Autorin vor allem die Rolle der Kommunikation in einen solchen hierarchiefreien Kontext. Inwiefern unterscheidet sich die Kommunikation in einen hierarchischen von einen hierarchiefreien organisationalen Kontext? Wie wird geführt, entschieden und koordiniert und welche Rolle spielt dabei die Kommunikation? 'For me, it is an experiment to find out how to organise a living system of colleagues in a different way. Without hierarchy, without managers, without positions, without abuse of power, without big differences, unfair differences on the basis of financial systems.' (Organisationsmitglied in Utrecht, Niederlande)

Jasmin Leutelt, M.A., wurde 1983 in Sangerhausen geboren und studierte Public Relations und Wirtschaftskommunikation in Hannover und Berlin. Bereits während des Masterstudiums sammelte die Autorin zahlreiche praktische Erfahrungen im Bereich der Kommunikationsberatung und Organisationsentwicklung. Insbesondere in Ihrem Masterstudium entdeckte sie das Potenzial von Kommunikation in Führung, Innovation und Personalentwicklung. In einer ausgezeichneten Vorlesung über Führung und Kommunikation begann die Autorin klassische Führungskonzepte und Organisationsstrukturen zu hinterfragen, die mehrheitlich auf der Hierarchie als Grundpfeiler basierten. Mit besonderem Interesse und Fokus auf den Wissensarbeiter stellte sich die Autorin die Frage, ob auch in einem anderen organisationalen Rahmen -in anderen Strukturen und Rahmenbedingungen als den klassisch-hierarchischen -produktiv gearbeitet werden kann. Dabei kristallisierten sich zwei grundlegende Fragen heraus: Wie wird in diesen formal hierarchiefreien Organisationen geführt, koordiniert und entschieden? Und welche Rolle hat dabei die Kommunikation inne? Die Autorin wurde im Nachbarland, in den Niederlanden, fündig und analysierte eine unkonventionelle Unternehmensberatung namens Kessels & Smit, die formale Hierarchiefreiheit versprach.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3.1.2, Informelle Kommunikation: 'Der Begriff informelle Kommunikaton (auch: unvermittelte Kommunikation, dyadische Kommunikation, Face-to-face-Kommunikation) umfasst alle Prozesse, in denen die Kommunikanten a) füreinander wechselseitig und b) unvermittelt wahrnehmbar sind'. Problematisch an Mertens Definition von informeller Kommunikation erscheint die Gleichsetzung mit interpersonaler Kommunikation, denn im Gegensatz zu anderen Autoren unterscheidet sich seine Definition nicht von der gängigen Bestimmung interpersonaler Kommunikation. So verstehen Blundel und Ippolito, aber auch Schenk unter interpersonaler Kommunikation gleichfalls die direkte und unvermittelte sowie wechselseitige Interaktion. 'Inter-personal communication involves individuals interacting directly in relatively small groups, primarily through face-to-face channels [.]'. Und Schenk versteht unter interpersonaler Kommunikation ein 'wechselseitiges, aufeinander bezogenes soziales bzw. kommunikatives Handeln der Partizipanten', das sich von der Massenkommunikation als öffentlicher und mehrheitlich einseitiger Kommunikation unterscheidet. Nach Mertens Definiton ist informelle Kommunikation demnach interpersonale, also unmittelbar wechselseitige Kommunikation. Aber worin unterscheidet sich dann informelle von interpersonaler Kommunikation? Eine Antwort darauf geben Mast und Kraut et al., die den Begriff der informellen Kommunikation um den Aspekt der ungeplanten, ungeregelten und inoffiziellen Kommunikation erweitern. '[.] informal communication is communication that is spontaneous, interactive and rich'. 'Im Gegensatz zur formalen Kommunikation eines Unternehmens, welche die offiziellen Kommunikationskanäle zur Vermittlung von Zielen, Arbeitsanweisungen und zur Informationsweitergabe umschreibt, beinhaltet die informelle Kommunikation also den inoffiziellen, privaten Informations- und Meinungsaustausch zwischen den Mitgliedern eines Unternehmens'. Informelle Kommunikation läuft demnach vor allem ungeplant und inoffiziell ab. Darüber hinaus führt Mast (ebd., S. 209)aus, dass '[i]nformelle Kommunikationsbeziehungen [.] sich [jedoch] unabhängig von Organisationsplänen und geregelten Verantwortlichkeiten [machen]. Sie ergänzen oder ersetzen formale Strukturen und Beziehungen, wirken komplementär, substituierend oder auch dysfunktional zu diesen und sind meist nicht verbindlich'. Nach dieser Definition beinhaltet auch die informelle Kommunikation einen zweiten Aspekt: Neben dem Aspekt der ungeplanten und spontanen Kommunikation, tritt der Aspekt der hierarchiefreien, nicht von oben gesteuerten bzw. nicht-formalisierten (keine verschriftlichten Regeln) Kommunikation. So definieren Kraut et al. informelle Kommunikation als etwas, 'which remains when rules and hierarchies, as ways of coordinating activities, are eliminated'. Diesem Verständnis nach kann die informelle Kommunikation als komplementärer und alternativer Koordinationsmechanismus, der in den hierarchischen Kontext 'eingebettet' ist, betrachtet werden. In der Konsequenz kann von einer 'formal hierarchiefreien Kommunikation' gesprochen werden, die innerhalb einer hierarchischen Organisation abläuft - beispielsweise in freiwilligen und autonom gebildeten organisationsinternen Dyaden oder Gruppen. Begriffsbestimmend erscheint hierbei die dichotome Einordnung in die einerseits informelle und selbstgesteuerte Kommunikation und andererseits in die formale, geplante und hierarchisch (übergeordnet) gesteuerte Kommunikation. Insofern wird die informelle Kommunikation offenbar immer in Bezug auf die Einbettung in den hierarchischen Kontext, sozusagen als Gegenpol zur formal-hierarchischen Kommunikation, definiert. Schlussfolgernd kann festgehalten werden, dass nach den in der Literatur vorhandenen Definitionen informelle Kommunikation als eine zweite Kommunikationsart neben der formellen und hierarchischen betrachtet wird. Somit koexistieren hierarchische und hierarchiefreie Kommunikation innerhalb einer hierarchischen (oder hybriden) Organisation. Die informelle Kommunikation im Sinne eines hierarchiefreien und selbstgesteuerten Koordinationsmechanismus zum formal hierarchischen nähert sich der Kommunikation in nicht-hierarchischen Organisationen an. Aufgrund des durchgehenden und gängigen Bezugs auf den hierarchischen Kontext kann die informelle Kommunikation jedoch nicht vollständig mit der Kommunikation in einem nicht-hierarchischen Kontext (Organisation) gleichgesetzt werden, da es in nicht-hierarchischen Organisationen konsequenterweise keine formal hierarchische Ordnung gibt. Bevor zur weiteren Begriffseingrenzung näher auf die Netzwerkkommunikation eingegangen wird, soll kurz die Bedeutung informeller Kommunikation für die wissenschaftliche Forschung dargestellt werden. Wie gezeigt, wird die Organisations- bzw. Unternehmenskommunikation in die formelle und informelle Kommunikation unterteilt. Dabei veränderte sich im Laufe der Zeit bzw. mit dem Wechsel der Perspektive die Bedeutung, die der informellen Kommunikation zugesprochen wurde. Denn im Gegensatz zu den Vertretern der klassisch-betriebswirtschaftlichen Sicht, die die informelle Kommunikation als störend und dysfunktional einstuften, betonte der Human-Relations-Ansatz 'die Rolle von (informeller) Kommunikation für den Unternehmenserfolg'. Die Human-Relations-Bewegung sowie die motivationsorientierten Ansätze von McGregor, Likert und Argyris trugen zur Überwindung des mechanistischen Menschenbildes bei. Mit dem Bedeutungszuwachs hinischtlich der Wirkungen informeller Kommunikation und der Anerkennung als Ergänzung und 'Korrektiv' zur formalen stieg auch die Anzahl der empirischen Studien. Insgesamt belegt die Mehrheit der Studien, dass a) informelle Kommunikation größtenteils im unmittelbaren Arbeitsumfeld stattfindet, also zwischen Kollegen, die relativ eng zusammen arbeiten, dass b) informelle Kommunikation zwei elementare Funktionen umfasst: die aufgabenbezogene und die soziale und dass c) beide Funktionen eng miteinander verzahnt sind. Neben der internen Unternehmenskommunikation und der informellen Kommunikation kommt nach eingehender Recherche abschließend der Begriff der Netzwerkkommunikation für die Begriffseingrenzung in Betracht. Doch auch hier wird zu zeigen sein, dass diese nicht mit der Kommunikation in nicht-hierarchischen Organisationen gleichzusetzen ist, wenngleich der Begriff Netzwerk (als Anhaltspunkt für formale Hierarchiefreiheit) enthalten ist. Netzwerkkommunikation: Der Begriff der Netzwerkkommunikation veranlasst zur Annahme, dass es sich um die Kommunikation in einer Netzwerkorganisation (als Organisationsform) handelt. Nach einer Durchsicht der einschlägigen Literatur muss jedoch festgestellt werden, dass damit nichts anderes als die informelle Kommunikation in hierarchisch organisierten Unternehmen gemeint ist. Statt von informeller Kommunikation wird nun von informellen Kommunikationsnetzen bzw. -netzwerken innerhalb einer Organisation gesprochen. Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht sind Netzwerke 'Beziehungsstrukturen, in denen Kommunikation über Verbindungen abläuft, die zu einem oder mehreren Punkten führen können'. Monge und Contractor verstehen unter Kommunikationsnetzwerken 'patterns of contact that are created by the flow of messages among communicatiors through time and space'. Demnach hat sich die Sichtweise, der Bezugsrahmen, die begriffliche Einordnung offenbar 'lediglich' auf die Netzwerkebene verlagert. Das hat den Vorteil, dass fundiertere Aussagen über die informellen Beziehungen und Beziehungsnetze getroffen werden können, während sich am organisationalen, formal hierarchischen Kontext indessen nichts geändert hat. Im Hinblick auf den erkenntnistheoretischen Vorteil ist die Netzwerkperspektive und ihr klassisches Analyseverfahren der Netzwerkanalyse weitreichender, da nicht nur die direkten Face-to-Face-Beziehungen, sondern auch indirekte und periphere Beziehungen sichtbar werden. So können neben starken Beziehungen, die duch ihre Dauerhaftigkeit und Reziprozität gekennzeichnet sind (sogenannte 'strong ties'), auch schwache Beziehungen (sogenannte 'weak ties')identifiziert werden. Beispielsweise stellt ein Ergebnis der Untersuchungen schwacher Beziehungen die Erkenntnis dar, dass es vor allem schwache Beziehungen sind, die den Austausch über Gruppengrenzen hinweg ermöglichen.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Hierarchiefreiheit in Organisation und Kommunikation1
Inhaltsverzeichnis3
Abstract5
Vorwort7
1. Einleitung9
1.1. Ausgangssituation9
1.2. Forschungsziel und Forschungsfragen10
1.3. Aufbau der Studie11
2. Hierarchiefreiheit in der Organisationsforschung13
2.1. Zentrale organisatorische Koordinationsformen14
2.1.1. Hierarchie als dominierende organisatorische Koordinationsform14
2.1.2. Netzwerk als alternative organisatorische Koordinationsform17
2.2. Postbürokratische Organisationsmodelle21
3. Kommunikation in nicht-hierarchischen Organisationen27
3.1. Zum Begriff der Kommunikation27
3.1.1. Interne Organisationskommunikation29
3.1.2. Informelle Kommunikation30
3.1.3. Netzwerkkommunikation33
3.1.4. Formal hierarchiefreie Kommunikation34
4. Die Methodik der qualitativen Einzelfallstudie37
4.1. Vorgehensweise37
4.1.1. Gegenstandsangemessenheit37
4.1.2. Qualitative Einzelfallstudie38
4.1.3. Gütekriterien qualitativer Forschung40
4.2. Forschungsdurchführung41
4.2.1. Fallstudienauswahl41
4.2.2. Auswahl der Forschungsquellen42
4.2.3. Feldforschung46
4.2.4. Datenanalyse47
5. Ergebnisse der empirischen Untersuchung51
5.1. Bedingungen51
5.1.1. Die Organisationsmitglieder als „zentrales Element“51
5.1.2. Organisationskultur53
5.1.3. Organisationale Prinzipien55
5.2. Kontext63
5.2.1. Strukturen64
5.3. Interaktionsstrategien83
5.3.1. Kommunikationsstrategien83
5.3.2. Verhaltensstrategien84
5.3.3. Interaktionstools86
5.4. Konsequenzen87
5.4.1. Konsequenzen auf der Individual- und Gruppenebene88
5.4.2. Konsequenzen auf der organisationalen Ebene89
5.5. Modell zur Aufrechterhaltung formaler Hierarchiefreiheit91
6. Interpretation der Ergebnisse im Hinblick auf die Rolle der Kommunikation93
6.1. Kommunikation auf der organisationalen Ebene93
6.2. Kommunikation auf der Gruppenebene98
6.3. Kommunikation auf der Individualebene99
7. Zusammenfassung und kritische Reflexion der Ergebnisse101
7.1. Zusammenfassung der Ergebnisse101
7.2. Weiterer Forschungsbedarf und Ausblick108
8. Anhang111
8.1. Abbildungsverzeichnis111
8.2. Kategoriensystem112
8.3. Übersicht Kategoriensystem112
8.4. Transkriptionsregeln122
8.5. Fragenkomplexe des Gesprächsleitfadens123
8.6. MTML: theoretischer Rahmen von Monge und Contractor (2003)124
8.7. Spannungsfelder125
8.8. Literaturverzeichnis134

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