KAPITEL II
GOLD - DAS WUNDERMITTEL
Wie beschafft man 50.000 Tonnen Gold?
Versuche zur Goldherstellung in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg
Im Mai 1921 legte eine Kommission der Alliierten die Reparationszahlungen fest, zu der sich Deutschland im Vertrag von Versailles nach dem Ende des Ersten Weltkrieges verpflichtet hatte. Es war der größte Kriegstribut, der jemals in der Geschichte einem besiegten Volk auferlegt wurde, nämlich 154 Mrd. Goldmark. Wenn man berücksichtigt, dass nach dem damaligen Kurswert ein Gramm Feingold drei Goldmark kostete, so entsprachen 132 Mrd. Goldmark 50.000 Tonnen Gold. Bildlich kann man sich diese Goldmenge als einen Würfel von 13 Metern Kantenlänge vorstellen. Die geschwächte und von Krisen geschüttelte deutsche Wirtschaft hätte Jahrzehnte benötigt, um diese Summe aufzubringen.
Der bekannte Nobelpreisträger Prof. Haber, der zusammen mit Bosch die Ammoniaksynthese entwickelte und damit Deutschland von den teuren Salpeterimporten unabhängig machte, kam schon 1920, als die genaue Höhe der Reparationszahlungen noch diskutiert wurde, auf die Idee, diesen gewaltigen Goldschatz dem Meer zu entreißen. Aber er wollte nicht versunkene Schiffe der spanischen Goldflotte heben, sondern Gold aus dem Meerwasser gewinnen. Er untersuchte unter größter Geheimhaltung Wasserproben aus allen Weltmeeren.
Nach seinen Untersuchungen bezifferte er den Goldgehalt des Meerwassers auf 5-10 Milligramm je Kubikmeter. Für seine Pläne gewann Haber als Geldgeber Großreedereien und die bekannte Gold- und Silberscheideanstalt Degussa in Frankfurt. 1925 stach ein Forschungsschiff in See, um die Weltmeere nach Goldvorkommen abzusuchen. Nach zwei Jahren aber zog er Bilanz: „Es wird kein Gold geben.“ Es stellte sich heraus, dass die ersten Analysen durch eingeschleppte Goldspuren verfälscht waren.
Tatsächlich sind im Meerwasser pro Kubikmeter nur 0,005 — 0,01 Milligramm Gold vorhanden.
Als 1924 die Reparationskonferenz der Siegermächte den Beschluss fasste, Deutschland habe ohne Abstriche die Reparationen in voller Höhe zu bezahlen, verkündete die Tagespresse in Schlagzeilen: „Gold aus Quecksilber, eine welthistorische Leistung der deutschen Wissenschaft.“ Eine Forschergruppe um die Professoren Miethe (1863 -1927) und Stammreich an der Technischen Hochschule in Berlin hatte herausgefunden, dass durch Einwirkung hoher Stromstärken auf Quecksilber Gold entsteht. Zu diesem Zweck wurden besondere Lampen konstruiert, die mit Quecksilber angefüllt wurden.
Durch die elektrischen Entladungen entstand Gold in geringen Mengen. Bald stellte sich aber heraus, dass die nachgewiesenen Goldspuren aus dem Quecksilber stammten, das nicht genügend gereinigt worden war. Ähnliche Versuche, die auch in Japan von Professor Nagaoko unternommen wurden, scheiterten ebenfalls, weil trotz intensiver Bemühungen immer nur minimale Spuren von Gold im Quecksilber vorkamen.
In den 20er Jahren gelang es dem Österreicher Dr. Klobassa, einem studierten Chemiker, für seine Versuche, Gold herzustellen, reiche Geldgeber wie die Firma Siemens zu finden, die 1927 ein Goldpatent von ihm anmeldete. Für seine Versuche konstruierte Klobassa eine Apparatur, die bis in die 70er Jahre bei der Weltfirma Degussa in Frankfurt zu besichtigen war. Klobassa geht von einer Beobachtung der Mineralogie aus, dass Edelmetalle in der Natur, und so auch Gold, häufig mit gleichartigen Metallen verbunden oder vererzt Vorkommen. Bei Gold sind es die titanhaltigen Eisenoxyde oder Sulfide.
Der englische Geologe Hargrave (1851) stellte die These auf, Gold habe sich aus Titaneisenstein gebildet.
Als Ausgangsmasse für die Goldherstellung nimmt er eine Mischung, die folgende
Bestandteile enthält:
36 g Titankaliumoxalat
84 g Ferrosulfat
50 g Kupfervitriol
50 g Schwefelnatron
100 g Salmiak
250 ccm Ammoniak
20 ccm Wasserglas
440 g feiner Quarzsand
keine Angabe Natrium u. Kaliumsalz der Kieselsäure
Feinsilber 100 mg zur Beschleunigung des Prozesses.
In der von Klobassa entwickelten Apparatur wird nun aus diesem Ausgangsstoff Gold gewonnen. Aber vermutlich handelte es sich um kristallisierten Pyrit, der durch seine goldgelbe Farbe eine äußere Ähnlichkeit mit Gold hat. Offenbar waren Klobassa selbst Zweifel an seinem Verfahren gekommen, denn 1935 zog er die österreichische Patentanmeldung zurück.
In seinem 1937 veröffentlichten Buch „Künstliches Gold“ muss er enttäuscht feststellen, dass er bei seinen vierzehnjährigen Experimenten zahlreiche Misserfolge hinnehmen musste und nur selten die Ausbeute an Gold einigermaßen befriedigend war.
Gerade die Nachkriegsjahre waren aber auch die große Zeit der betrügerischen Goldmacher, die sich nicht darauf beschränkten, ihre angeblichen Entdeckungen in Broschüren zu verkaufen, sondern zielstrebig reiche Mäzene für ihre Versuche suchten, um sich von ihnen beträchtliche Geldbeträge zu erschwindeln.
1926 machte ein Betrugsfall Schlagzeilen, in dem der schon gerichtsbekannte Hochstapler Unruh und sein Komplize Krusenbaum verwickelt waren. Die Anklageschrift wirft beiden vor, sich durch eine angebliche Golderfindung in sieben Fällen Geldbeträge erschwindelt zu haben. Opfer ihrer Hochstapelei war der Berliner Stinnes Direktor Minoux, der in der NS-Zeit anfänglich Karriere machte, aber 1940 wegen seiner betrügerischen Geschäfte eine fünfjährige Zuchthausstrafe verbüßen musste.
Minoux Villa kam in den Besitz einer von Heydrich geleiteten Stiftung und hier fand 1942 die schicksalhafte „Wannsee-Konferenz” zur Endlösung der Judenfrage statt.
Das Gold wollte Unruh und sein Helfer aus Salz herstellen, das er einige Stunden zwischen einem Lichtbogen einer Bogenlampe streute. Nachdem Unruh am Schluss des Experimentes über dem ausgestreuten Salz ein Blitzlichtpulver verbrannt hatte, waren in der verbrannten Salzmasse kleine Goldkügelchen sichtbar geworden. Dieses Goldherstellungsverfahren war für den Direktor Minoux so überzeugend, dass er 50.000 RM investierte.
Als Unruh nach seiner Verhaftung unter Aufsicht sein Verfahren in der Technischen Hochschule München wiederholen musste, gestand der Goldmacher, dass er einen feinen Golddraht unter die Kohlenstifte der Bogenlampe gelegt hatte. Auch fanden die Kriminalbeamten feine Goldkörner, die der Betrüger in seiner Kleidung eingenäht hatte.
Unruh wurde deshalb zu einer Gefängnisstrafe von 4 Jahren und 8 Monaten verurteilt, während sein Komplize dagegen freigesprochen wurde.
Einem dieser betrügerischen Goldmacher gelang es sogar, einflussreiche Politiker und wohlhabende Geschäftsleute für sein Goldmacher- Projekt zu interessieren und sich von diesem Personenkreis über 250.000 RM zu ergaunern. Es handelt sich um Heinrich Kurschildgen aus Hilden, der die damalige Volksschule schon nach der dritten Klasse verlies. Bereits Anfang der zwanziger Jahre gab er vor, Gold herstellen zu können. Neben einer Strafe hatten diese Betrügereien auch zur Folge, dass man ihn für geisteskrank erklärte. Doch dies hinderte ihn nicht daran, weiter für seine Erfindung zu werben. Es gelang ihm sogar, den Minoux, ein einflussreiches Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei, mit seinen Goldmacherkünsten so sehr zu beeindrucken, dass dieser den Kontakt zu vermögenden Geldgebern herstellte, die ihm tatsächlich größere Summen zur Verfügung stellten.
Dazu gehörte auch der Industrielle Alfred Hugenberg, der später Minister im ersten Kabinett Hitlers war, der sogar bereit war, 8 Millionen RM in dieses Projekt zu investieren.
Kurschildgens Mäzene gaben ihm nicht nur größere Beträge zur Finanzierung der angeblichen Sachkosten seiner Experimente, sondern ihm wurde sogar ein Jahresgehalt von 24.000 RM in Aussicht gestellt.
Mit einem uralten Alchemistentrick verstand es Kurschildgen, seine reichen Geldgeber durch ein einfaches Experiment zu täuschen, bei dem erfolgreich Gold hergestellt wurde, weil es der betrügerische Goldmacher vorher heimlich zugesetzt hatte. Vor seinem Labortisch standen einige Flaschen, die über einen geheimnisvollen Kasten mit einer Batterie verbunden waren. In einer der Flaschen befand sich das durch elektrische „Resonanzschwingungen“ erzeugte Element, wie dies Kurschildgen bezeichnete, das aufgespaltet werden sollte.
Es handelte sich um eine Mischung von Sand und Wasser, dessen chemische Stoffe Verbindungen von Silizium/Wasserstoff und Wasserstoff/Sauerstoff sind. Die Atomstruktur des Siliziums sollte aufgebrochen, der Sauerstoff entfernt und stattdessen Wasserstoff eingebracht werden. Nachdem die Ausgangsmasse zwanzig Minuten lang den
„Resonanzschwingungen” ausgesetzt war, wurde die Flasche mit dem Sand in ein Becken geschüttet. Sichtbar waren jetzt Goldflitter.
Als Katalysatoren, denen vermutlich Gold beigemengt war, wurden Eisenchlorid mit Quarz oder einfach zerkleinertes Eisenblech benutzt.
Auch ausländische Investoren erleichterte Kurschildgen um hohe Geldbeträge. Als 1931 ein englischer Investor den Goldmacher aufsuchte, fand er nur ein leeres...