Einleitung
»Wären wir ohne Leidenschaft, wären unsere Bilder seelenlos.«
Daher fotografieren wir nach unserem Leitmotiv:
»See what you feel – so wie du bist«
Ralf & Nicole Obermann
Ich soll ein Lehrbuch schreiben über Fotografie? Und dann auch noch speziell über Hochzeitsreportage-Fotografie?
Nicole würde sagen, dass ich die laufende, wandelnde, fotografierende Verkörperung des Begriffs »abschweifend« bin … In der Fotografie ist das durchaus willkommen, da dadurch neue, unerwartete Motive aus interessanten Perspektiven entstehen. Bei einem Lehrbuch ist das aber eher nicht so erwünscht. Allerdings bemängele ich persönlich an vielen Lehrbüchern, dass sie sehr technisch geschrieben sind.
Die Autoren wollen ihr Wissen auf der rein technischen Ebene vermitteln. Das ist unglaublich trocken. Fotografie ist etwas Technisches. So weit, so gut. De facto habe ich aber in der Fotografie immer nur etwas Künstlerisches gesehen. Die Freude und den Spaß, das kreative Handeln und Gestalten – all das fand ich immer attraktiver, inspirierender und vor allem ergebnisorientierter als den technischen Aspekt hinter der ganzen Materie. Und genau das möchte ich auch vermitteln.
Vor Jahren haben wir unseren Tauchschein in Mexiko gemacht. Urlaub ist bei uns immer eine etwas schwierige Angelegenheit. Nur am Strand herumliegen liegt mir nicht; da bekomme ich meistens nach kurzer Zeit ein Ich-muss-was-unternehmen-Syndrom. Daher überlegen wir bereits sehr frühzeitig, wohin wir wollen und was wir dort anstellen. Für Mexiko stand, außer dem Nachholen unserer Hochzeitsreise, auch das Tauchenlernen auf der Liste. Völlig unbefangen haben wir also in Mexiko tauchen gelernt, es bis zum »Advanced Diver« ausgereizt und unseren Spaß daran gefunden. Die Freude, der Spaß und die wunderbaren Eindrücke und Bilder in unseren Köpfen waren es auch, die uns zurück in Deutschland dazu brachten, das Hobby weiter zu vertiefen. So hingen wir noch einen »Rescue Diver« dran.
Der große Unterschied zum Tauchkurs im Ausland waren die ständigen Hinweise auf Gefahren, die beim Tauchen lauern können. Nicht der Spaß oder die Möglichkeit, mit dem neuen Wissen eventuell später anderen helfen zu können, standen im Mittelpunkt. Vielmehr wurde uns im Kurs »Rescue Diver« die typisch deutsche Eigenschaft, in allem Guten auch stets das Negative zu sehen und das dann auszuarbeiten, nähergebracht. Wir sind Rescue Diver geworden, haben aber nach dem Kurs nach und nach die Freude am Tauchen verloren. Und mittlerweile sind wir schon seit etlichen Jahren nicht mehr dazu gekommen. Wenn wir ehrlich sind, lag es nicht an mangelnder Zeit, sondern an der Zerstörung unserer Fantasie, unserer Bilder, die wir vorher zum Tauchen im Kopf hatten. Denn Ängste und Sorgen können hemmen und sind nur sehr schwer auszublenden. Man ist dann in der neu bestimmten Welt der Sorgen um die Eventualitäten gefangen.
Also, wenn ihr ein Buch haben möchtet, in dem erklärt wird, dass ihr mit einem 50-mm-Objektiv 2,5 m vom Objekt entfernt stehen müsst, damit ihr bei Blende 4 und 1/125s ein tolles Close-up schießen könnt, und später noch dezidiert erläutert wird, warum das so ist, dann ist dieses Buch das falsche für euch.
Schön, wenn man seine Kamera versteht, und vielfach ist das auch sehr hilfreich. Jedoch geht es mir weniger um das technisch gute Bild, sondern mehr um das emotionale Foto. Der eingefangene Moment, der so viel mehr erzählt als ein technisch perfektes Bild von der Hochzeitslocation oder dem Paar.
Daher werde ich euch in diesem Buch Tipps und Tricks geben, genau so, als wärt ihr auf einem unserer Workshops. Da erzählen wir auch nicht in Metern und absoluten Werten. Analog zum obigen Beispiel würden wir dir empfehlen, so nah ans Objekt heranzugehen, bis du nur noch einen Ausschnitt vom Kopf und einen Teil des Oberkörpers siehst. Die Einstellung der Blende würden wir dir möglichst klein empfehlen, da der Hintergrund nicht im Fokus stehen soll. Und je nachdem, wie du die Stimmung des Bildes haben möchtest, kannst du leicht unter- oder überbelichten. Probiere es einfach aus!
Hochzeitsfotografie ist etwas sehr Emotionales. Wenn es dir gelingt, diese besonderen Momente einzufangen, dann erhältst du die wichtigsten Bilder, die du während der ganzen Hochzeit fotografierst.
Warum ich es anders erklären möchte
Typisch für unsere Workshops ist auch das Vermitteln von Informationen und Tipps wie bei Bekannten oder Freunden. Wir sind nicht die Personen, die bis ins kleinste Detail erklären, warum man etwas aus welchem Grund so oder anders macht. Oftmals ist es ein Bauchgefühl, das entscheidend dafür ist, warum wir gerade diese oder jene Position bzw. Situation eingefangen haben. Ich denke, so werden wir auch das Buch gestalten: Wir werden euch Tipps geben und Tricks verraten – so, als würden wir gerade zusammen mit euch auf einem Workshop sein.
Auf die Frage »Wie stelle ich jetzt die Kamera ein?« antworten wir also nicht: »Nimm eine 5.6er Blende bei 1/125s«. Das sind technische Werte und man kann in unzähligen Büchern nachlesen, warum man in einer bestimmten Situation genau dieses oder jenes machen sollte. Ich habe viele dieser Man-macht-das-so-Bücher gelesen und ich gestehe, ohne Unmengen von Kaffee hätte ich das nicht geschafft. Viele sind einfach nur langweilig – für mich. Sicherlich tolle Bücher für all diejenigen, die gerne technische Bücher lesen. Diese Personen werden mit unserem Buch vermutlich eher unglücklich werden (dabei ist es die Hauptaufgabe des Buches zu zeigen, wie man mit der Fotografie glücklich wird).
Einige Anekdoten werde ich auch erzählen. Das wollten wir eigentlich vermeiden. Aber irgendwie schwirren sie mir immer vor den Augen herum, wenn ich über bestimmte Dinge schreibe – da packe ich sie doch besser mit ins Buch. Außerdem machen genau diese Dinge das Ganze für uns aus.
Ach ja, wie werde ich denn jetzt unsere 5.6er Blende bei 1/125s beschreiben? Gar nicht. Ich will ja auch nicht, dass ihr ein Bild reproduziert, sondern ich möchte, dass ihr das Bild seht, bevor ihr es fotografiert. Dass ihr nicht anders könnt, als genau in diesem Moment abzudrücken, weil es einfach verzaubernd ist, was ihr seht. Also wird es eher ein »Geht besser nah an das Modell heran und versucht sein Gesicht mit dem Lichtspiel der Sonne einzufangen, mehr als Ausschnitt, damit ihr den Fokus auf die Augen lenkt, denn hier werdet ihr die Emotionen finden, die für die Hochzeitsfotografie so wichtig sind.« Und genau das ist es, was euch begeistern wird und das ihr später der ganzen Welt und vor allem eurem Brautpaar zeigen wollt.
Welche Blende und welche Zeit ihr dabei wählt, ist eurem persönlichen Geschmack überlassen. Ich zeige euch nur die Möglichkeiten auf.
Manch einer mag Schärfentiefe, mancher mag das Bild heller etc. Wenn ihr es lieber dunkler mögt, dann ist es an euch, die Einstellungen zu ändern. Ich möchte, dass ihr herumexperimentiert und euren Stil findet – und das auch oder sogar gerade in der Hochzeitsfotografie.
Der »Wie-geht-das-Blick« zum Best Man war der Auslöser für das Klicken unserer Kamera.
1/160s bei f/5 44mm • 24–70mm (f/2.8) • ISO 4 000
Außerdem haben wir euch ab Seite 270 ein paar Anhänge mit ins Buch gepackt. Das sind Listen, entstanden aus unseren eigenen Erfahrungen. Diese Listen sollen euch davor schützen, bei der Vorbereitung wichtige Dinge zu vergessen oder vor Ort wichtige Fotos nicht zu schießen. Sie enthalten viele nützliche und hilfreiche Tipps, die euch vor Panik bewahren und natürlich von euch für eure Ansprüche ergänzt werden können.
Generell haben wir das Buch so aufgebaut, das wir zu Beginn etwas techniklastig sind, ein bisschen über die Kamera erzählen und wie man damit umgehen kann und dann auf die Bildgestaltung im Allgemeinen eingehen.
Danach legen wir gleich los mit unserem speziellen Teil, dem Fotografieren von Hochzeiten, oder genauer: eurer Vorbereitung darauf. Alles, was im Vorfeld schon getan werden kann, damit der eigentliche Tag für euch etwas entspannter ist.
Dann sprechen wir über das Ereignis selbst: Die Hochzeit, die Abläufe, worauf ihr achten solltet etc. Damit seid ihr für den Tag gut gerüstet und verliert trotz aller Hektik nicht den Spaß an eurer Arbeit. Hier findet ihr auch viele Tipps, Tricks und Ideen, damit eure Bilder noch besser werden.
Also … auf die Plätze, fertig, klick!
Und zu guter Letzt, nach all dem Spaß kommt noch das leidige Thema »Arbeit«. Die sogenannte Postproduktion – also Bildoptimierung, Belichtungs- und Farbkorrekturen. Selbst die Bildauswahl kann man bei der Fülle der entstandenen Bilder als Arbeit bezeichnen....