Die von Finnegan ist ebenholzschwarz, feucht und gesprenkelt, vorn zieren sie zwei bassschlüsselförmige Vertiefungen. Die von Upton ist durch ein deutliches Tal gespalten und das ganze Ding wird von aufmerksam stehenden, kurzen Tasthaaren bewacht.
Das sind meine Hunde, und das sind ihre Nasen.
Bevor ich Wissenschaftlerin wurde und die Kognitionsleistungen von Hunden untersuchte, hatte ich nicht besonders viel über die Hundenase nachgedacht. Sie mag gelegentlich Stirnrunzeln hervorgerufen haben, wenn sie unhöflich in intime Regionen meiner Gäste stach oder sie mag mit Erdnussbutter beschmiert worden sein in dem Versuch, das Herunterschlucken einer Tablette zu fördern. Aber selbst dann hatte ich kaum auf die Nase als solche geachtet – auf ihre Form, ihre Bewegung, auf das unglaublich gewundene und komplexe Gewölbe, in das hinein sie sich öffnet.
Dieses Übersehen beschränkt sich nicht nur auf Hundenasen. Auch die Nasen unserer menschlichen Gegenüber betrachten wir selten ausführlich. Dabei nimmt die Nase eine recht prominente Stellung ein – sie ragt aus dem Gesicht hervor und weist dem Rest des Körpers den Weg. Versuchen Sie einmal, die Nase Ihres Partners oder Ihrer Mutter zu beschreiben, ohne hinzusehen. Falls Sie nicht gerade eine ausgeprägte Haken – oder Knollenform hat, ist sie, na ja, einfach nur eine Nase. Zwei Nasenöffnungen, die an einem gequetschten, fleischigen Tetraeder baumeln.
Ich betrachte die Nase meines Sohnes, aber vor allem ihre Oberfläche – da, wo sich die Sommersprossen auf seiner hellen Haut zu sammeln begonnen haben. Aber die Nase des Hundes erhält meine volle Aufmerksamkeit. Ab jetzt schaue ich bei Hunden immer zuerst auf die Nase. Denn ich bin vernarrt in Hunde, und wenn man etwas über sie wissen möchte, muss man sich dafür interessieren, wie es ist, ein Hund zu sein. Und das beginnt immer mit der Nase.
Was der Hund sieht und weiß, kommt durch seine Nase, und die Information, die jeder Hund – der Spürhund natürlich besonders, aber auch der Hund, der einfach schnarchend neben Ihnen auf der Couch liegt – mittels Geruch über die Welt erfährt, ist unglaublich reich. Reich auf eine Weise, von der auch wir Menschen einst wussten und nach der wir handelten, aber die wir seitdem sehr vernachlässigt haben.
Was das Riechen angeht, das Ansprechen dieser Ressource an Sinneswahrnehmung, die wir zwar besitzen, aber größtenteils ignorieren, ist der Hund für uns zum Informant geworden. Spürhunde, die darauf trainiert wurden, uns mitzuteilen, was sie von Natur aus wissen, decken für uns die Präsenz illegaler Stoffe oder unerwünschter Schädlinge auf. Aber der Hund weiß auch, wie das Wetter wird, wie der Nachmittag riecht und ob Sie krank oder aufgeregt sind. Jeder eingeatmete Schluck Luft steckt voller Informationen. Er enthält die Gerüche von Menschen, die kürzlich vorbeigekommen sind und die Duftspuren hinter sich hergezogen haben. Er fängt Blütenpollen und Pflanzennoten ein, die von einer Brise davongetragen wurden. Jede Nase voll fängt die Spuren von Lebewesen ein, die in der Nähe gegangen oder gerannt sind, die sich versteckt haben, die gefressen haben oder die gestorben sind. Sie fängt die elektrische Ladung und die runden, feuchten Moleküle weit entfernter Gewitter ein.
Dieses Buch ist eine Entdeckungsreise in das Wissen der Hundenase, wie sie noch nie zuvor stattgefunden hat. Was riecht der Hund an Ihnen, auf dem Boden, oder wenn er seine Nase tief im Fell eines anderen Hundes vergräbt? Was weiß er über Sie – das Sie vielleicht selbst nicht wissen? Wie ist es, die Welt mit dieser aufregenden Nase zu riechen, die den Hund durch seine Tage führt?
Um das herauszufinden, habe ich mich auf die Fährte der Fährtenhunde gesetzt. In den letzten Jahren habe ich Spürhunde beim Aufwachsen, in der Ausbildung und beim Finden ihrer „Beute“ beobachtet, seien das Drogen, Lebensmittel oder Menschen. In meinem Labor „Dog Cognition Lab“ am Barnard College habe ich untersucht, wie der Haushund sich selbst, andere Hunde und die Gerüche der Menschenwelt wahrnimmt, in der er lebt. Ich habe mit Wissenschaftlern gesprochen, die die Hundenase erforschen und nachbauen und mit Hundetrainern und Hundebesitzern, die ihr nachfolgen. Es ist eine Untersuchung aller Aspekte der olfaktorischen Welt des Hundes und des fantastischen Organs, das in sie hineinführt.
Aber es ist auch eine Entdeckung der Nasen in unseren Gesichtern. Wir Menschen haben uns das Riechen abtrainiert und über Jahrtausende verlernt, wie man das macht. Wir sind außer Übung im Riechen. Vielleicht haben Sie noch nicht einmal dieses Buch gerochen, obwohl es sich nur wenige Zentimeter vor Ihrer Nase befindet. Ich habe für das Buch Menschen gefunden, die sehr wohl riechen und die ihre Methode trainieren.
Von lebenslangem Nicht-Riechen geprägt, ließ ich mich vom Verhalten meiner Hunde beraten und habe versucht, selbst ein bisschen mehr wie ein Hund zu werden. In meinem Buch Was denkt der Hund? habe ich einen Sprung in die Vorstellung gewagt, wie es wohl sein mag, ein Hund zu sein – und hier führe ich das mit einem noch größeren Sprung fort. Ich versuche, meine Nase an Orte zu halten, zu denen es die Hundenase hinzieht. Und ich schnuppere.
Ich beginne diesen Prozess, indem ich mehr über unseren eigenen Geruchssinn lerne. Und dann trainiere ich meine Nase, um mir besser vorstellen zu können, wie es wohl sein mag, den Verstand und die Nase eines Hundes zu besitzen.
Inspiration und Anleitung sind dabei für mich unsere eigenen Familienhunde Finnegan und Upton. Beide sind höchst charismatische Mischlinge. Mein Mann und ich begegneten Finnegans Nase durch die Zwingerstäbe eines Tierheims, das unerwünschte Straßenhunde aus dem Süden importiert. Er war vier Monate alt, hatte Pilzflechte und Parvovirose und war, obwohl er sich auf dem Weg der Erholung befand, mager und ein wenig kränklich. Ich sollte dazusagen, dass ich nicht oft in Tierheime gehe, denn wenn ich es tue, komme ich unweigerlich mit einem Tier wieder heraus. Als ich ihn zum ersten Mal sah, in diesem Zwinger und auf Augenhöhe, wedelte er mächtig, akzeptierte einen durch die Stäbe gestreckten Finger, steckte zur Revanche seine Nase hindurch und setzte sich dann, als wir weitergingen, geduldig hin. Ich schaute immer wieder zu ihm zurück: Er saß ... und wartete. Als wir ihn aus dem Zwinger ließen, um ihn besser kennenzulernen, bewegte er sich zwischen meinen Mann und mich und schaute uns abwechselnd in die Gesichter. Dann lehnte er sich, ganz vorsichtig, gegen mich. Das war‘s. Wir nahmen ihn mit nach Hause.
Heute ist Finn acht Jahre älter. Er hat immer noch den Ausdruck des Welpen, der sich damals an mich angelehnt hat. Obwohl sein Fell von einem so glänzenden Schwarz ist, als ob wir es täglich polieren würden, ist es vor allem seine Art, einen anzusehen, die einen für ihn einnimmt. Man wird das Gefühl nicht los, dass er immer genau weiß, was vor sich geht. Seine Augen durchdringen uns. Sie verfolgen uns, sie suchen bei uns nach Rückbestätigung, wenn sich ein anderes Tier falsch benimmt und sie blicken uns wehmutsvoll nach, wenn wir zur Tür hinausgehen. Wenn er so mit großen Augen die Ohren anlegt, fällt es schwer, ihn zurückzulassen. Aber er schaut nicht nur mit seinen Augen: Wenn wir wieder nach Hause kommen, beschnüffelt er uns von so Nahem, wie wir ihn heranlassen und erkundet, wo wir waren, was wir gegessen haben und wen wir berührt oder gestreichelt haben. Wenn mir unterwegs auf der Straße ein Hund begegnet ist, ist es mir noch nie gelungen, nach Hause zu kommen, ohne dass Finn Notiz davon genommen hätte.
Ich neige dazu, mir Finn als „professionellen Hund“ vorzustellen. Er ist hervorragend zivilisiert: ohne, dass wir es ihm besonders beigebracht hätten, erfüllt er das, was man von einem Hund im Haus erwartet. Er hat das bisschen Kultur in unserer Familie im Ganzen aufgesaugt. Upton dagegen, den wir kennenlernten, als er drei war, ist im Vergleich dazu ein Wildtier. Er war dem Tierheim zurückgegeben worden, aus dem er ursprünglich drei Jahre zuvor adoptiert worden war. Wir haben seine ersten Fotos gesehen: ein kleiner Hund mit Ohren, die zu groß für seinen Kopf waren. Die Nase ein Klecks. Sein Kopf und sein Körper waren gewachsen: Heute ist er ein großer, gestromter Windhundmix mit großen Augen und einer Korkenzieherrute. Seine Schnauze ist von Tasthaaren punktiert, aus seinen Lefzen tropft es ständig. Er ist ein Hundehund – unbeirrbar freundlich zu jedem anderen Hund, und er hat einen schlaksigen, albernen Gang. Es gibt kein einziges Foto von Upton, auf dem er stromlinienförmig, athletisch oder anmutig aussehen würde. Wenn er rennt, flattern seine Lefzen, er schwankt von einer Seite zur anderen und seine Ohren fliegen in alle Richtungen. Er ist reichlich albern. Gut, auch er war kein Stadthund, als wir ihn kennenlernten und er lässt sich leicht von allen nur möglichen Geräuschen erschrecken – Autotüren, Müllwagen, sich öffnende Garagentore, ein im Wind schaukelndes Straßenschild, Presslufthämmer, flatternde Plastiktüten oder eine plötzlich um die Ecke biegende Person...was auch immer. Aus diesem Grund ist es immer nur Finn, den ich herausbringe, wenn es...