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E-Book

Hunde im Schulalltag

Grundlagen und Praxis

AutorAndrea Beetz
VerlagERNST REINHARDT VERLAG
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl159 Seiten
ISBN9783497611447
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Schulhunde erfreuen sich immer größerer Beliebtheit und sind mehr und mehr an Schulen anzutreffen. Doch warum ist es sinnvoll, einen Hund mit in die Schule zu nehmen? Wie sieht der ideale Schulhund aus und worauf sollten LehrerInnen und PädagogInnen besonders achten? Die Autorin beantwortet diese und weitere Fragen vor dem Hintergrund eines soliden wissenschaftlichen Grundlagenwissens. Sie liefert u.a. ein Erklärungsmodell, warum der Einsatz von Hunden in der Schule positive Wirkungen auf Bildungsprozesse haben kann. Mit Informationen zur Ausbildung von Hund und HundeführerIn, zu rechtlichen Grundlagen und weiteren Basics wird das Buch zu einem unverzichtbaren Grundlagenwerk für alle, die Hunde an der Schule einsetzen möchten.

Dr. Andrea Beetz, Dipl.-Psych., lehrt und forscht an der Universität Rostock u.a. zur Mensch-Tier-Beziehung.
Weitere Informationen unter www.sopaed.uni-rostock.de

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Leseprobe

2 Tiergestützte Pädagogik und Hunde in der Schule

Zusammenfassung

Woher stammt eigentlich die Idee, mit Tieren in der Therapie oder der Pädagogik zu arbeiten? Was ist tiergestützte Pädagogik, und was unterscheidet sie von tiergestützter Therapie und anderen Aktivitäten mit Tieren? Was macht ein Schulhund, und gibt es noch andere Tiere, die in der Schule anzutreffen sind?

Bereits zu Beginn der 1990er Jahre nahmen vereinzelt Lehrkräfte ihren Hund sporadisch mit in den Unterricht (Agsten 2009; Beetz 2011). Manchmal war der Hund des Hausmeisters das Schulmaskottchen und ein beliebter Spielpartner in den Pausen, der sich gelegentlich in die Klassenräume – und damit in den Unterricht – verirrte. Meist war die Anwesenheit des Hundes jedoch weder wirklich geplant noch folgte sie einem bestimmen pädagogischen Ziel. Das ist beim heutigen Einsatz von Schulhunden, der sich vor dem Hintergrund wachsender Akzeptanz und Professionalisierung tiergestützter Interventionen entwickelt hat, anders.

Boris Levinson und sein Hund Jingles

Der Psychotherapeut Boris Levinson hat Ende der 1960er Jahre (1964, 1969, 1972) das Potenzial von Tieren, insbesondere von Hunden, für psychotherapeutische Interventionen erkannt und veröffentlichte als einer der Ersten wissenschaftliche Artikel und Bücher zu diesem Thema. Levinson setzte seinen Hund ‚Jingles‘ gezielt in der Psychotherapie mit Kindern ein, nachdem er erlebt hatte, wie Jingles die Kommunikation mit einem Jungen ermöglichte, der zuvor nicht mit Levinson gesprochen hatte. Der Hund fungierte als ‚Eisbrecher‘ und ‚Brückenbauer‘ für die Beziehung zwischen Patient und Therapeut und legte damit einen wichtigen Grundstein für eine erfolgreiche Therapie.

Seit Levinsons Veröffentlichungen nahm der praktische Einsatz von Tieren für das Wohl von Menschen in den USA und – mit zeitlicher Verzögerung – auch im deutschsprachigen Raum stetig zu, z. B. in Form von Hundebesuchsdiensten in Kinder-, Senioren- und Pflegeheimen. Tiere in verschiedene Bereiche der Pädagogik zu integrieren, beispielsweise über Tierhaltung in Schulen, ist weder im deutschsprachigen noch angloamerikanischen Raum ungewöhnlich (Rud/Beck 2003; Zasloff et al. 1999). In der Vergangenheit hielten immerhin mehr als ein Viertel der amerikanischen Lehrer, die sich an den Umfragen von Rud/Beck (2003) beteiligten, Kleintiere im Klassenzimmer, unter anderem Fische, Meerschweinchen, Hamster, Reptilien, Vögel oder Insekten. Die Tiere dienten hauptsächlich der Freude der Schüler oder als praktisches Anschauungsmaterial für den Biologieunterricht. Aber auch positive Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden sowie die Übernahme von Verantwortung bei der Versorgung der Tiere waren Gründe für die Tierhaltung (Rud/Beck 2003). Hunde spielten zu dieser Zeit jedoch weder in den USA noch in Deutschland eine bedeutende Rolle in der Schule.

In den USA hat sich das bis heute kaum geändert: Nur vereinzelt gibt es heute Berichte über Schulhunde, die regelmäßig in den Unterricht mitgenommen werden – wohl auch aufgrund der dort höheren Klagefreudigkeit und der damit verbundenen Angst vor Schadensersatzansprüchen (J. Eastlake, Delta Society & R. Johnson, IAHAIO, persönliches Gespräch mit der Autorin, 2011).

Für den deutschsprachigen Raum änderte sich das zur Jahrtausendwende. Obwohl es keine offiziellen Daten zum Einsatz von Schulhunden gibt, zeigen die Registrierungen auf der bekanntesten themenbezogenen Internetseite (www.schulhundweb.de) und weitere Recherchen zu Hunden im Unterricht (Agsten 2009) im Laufe der letzten zehn Jahre eine exponentielle Zunahme. Im Jahr 2009 waren der Initiatorin von Schulhundweb.de und engagierten Schulhund-Lehrerin Lydia Agsten (2009), über 200 Schulhund-Lehrkraft-Teams aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bekannt. Die Dunkelziffer mag um ein Vielfaches höher liegen, denn nicht alle Pädagogen, die mit Hund in der Schule arbeiten, sind am Austausch mit Gleichgesinnten oder der Wissenschaft interessiert. Möglicherweise treten sie aber auch aufgrund der immer noch mangelnden Akzeptanz von Schulhunden bei Schulbehörden und -ämtern bewusst nicht öffentlich in Erscheinung, also weder im Internet noch auf Tagungen. Dabei leisten eine fachspezifische Ausbildung und kollegialer Austausch wie auch Kenntnisse in Bezug auf wissenschaftliche Grundlagen einen wichtigen Beitrag zur Erreichung pädagogischer Ziele mittels Hund – ja, sie sind sogar unerlässlich für die professionelle hundegestützte Pädagogik.

2.1   Tiergestützte Interventionen

Die Arbeit mit Hunden in der Schule fällt unter den Überbegriff der tiergestützten Pädagogik. Was aber ist darunter genau zu verstehen? An Definitionen versuchten sich bereits verschiedene Autoren mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Gemäß den 2014 von der International Association of Human-Animal Interaction Organisations (www.iahaio.org; s. auch www.aat-isaat.org) wird tiergestützte Pädagogik wie folgt definiert (dt. Übersetzung von Beetz/Olbrich 2015).

Tiergestützte Pädagogik (oder Tiergestützte Erziehung): Tiergestützte Pädagogik (TGP) ist eine zielgerichtete, geplante und strukturierte Inter-vention, die von professionellen Pädagogen oder gleich qualifizierten Personen angeleitet und/oder durchgeführt wird. TGP wird von (durch einen einschlägigen Abschluss) in allgemeiner Pädagogik oder Sonderpädagogik qualifizierten Lehrpersonen durchgeführt. Lehrpersonen, die TGP durchführen, müssen Wissen über die beteiligten Tiere besitzen. Ein Beispiel für Tiergestützte Pädagogik durch einen Schulpädagogen sind Tierbesuche, die zu verantwortungsbewusster Tierhaltung erziehen sollen. Von einem Sonder- oder Heilpädagogen durchgeführte TGP wird auch als therapeutische und zielgerichtete Intervention angesehen. Der Fokus der Aktivitäten liegt auf akademi-schen Zielen, auf pro-sozialen Fertigkeiten und kognitiven Funktionen. Fortschritte der Schüler werden gemessen und dokumentiert. Ein Beispiel für TGP, die durch einen Sonderpädagogen durchgeführt werden kann, wäre ein hundege-stütztes Lesetraining.

Von der tiergestützten Pädagogik abzugrenzen ist die tiergestützte Therapie:

Tiergestützte Therapie Tiergestützte Therapie ist eine zielgerichtete, geplante und strukturierte therapeutische Intervention, die von professionell im Gesundheitswesen, der Pädagogik oder der Sozialen Arbeit ausgebildeten Personen angeleitet oder durchgeführt wird. Fortschritte im Rahmen der Intervention werden gemessen und professionell dokumentiert. TGT wird von beruflich (durch Lizenz, Hochschulabschluss oder Äquivalent) qualifizierten Personen im Rahmen ihrer Praxis innerhalb ihres Fachgebiets durchgeführt und/oder angeleitet. TGT strebt die Verbesserung physischer, kognitiver, verhaltensbezogener und/oder sozio-emotionaler Funktionen bei individuellen Klienten an.

Von diesen beiden tiergestützten Interventionen (engl. AAI, Animal-Assisted Interventions), also zielgerichteter tiergestützter Arbeit, sind tiergestützte Aktivitäten (engl. AAA, Animal-Assisted Activities) abzugrenzen. Diese können zwar ebenso positive Auswirkungen haben, werden aber häufig von Ehrenamtlichen mit einem kurzen Training in AAA, jedoch ohne fachliche Ausbildung, zumeist unentgeltlich durchgeführt oder verfolgen keine spezifischen pädagogischen oder therapeutischen Ziele. Auch der Begriff tiergestützte Fördermaßnahmen, der allerdings ein bestimmtes Förderziel impliziert, ist zumindest im deutschen Sprachraum gebräuchlich.

2.2   Hundegestützte Interventionen

Die Arbeit mit Hunden in der Schule wird meist von Fachkräften mit pädagogischem Hintergrund und pädagogischer Zielsetzung durchgeführt und fällt daher in den Bereich tiergestützter Pädagogik, die auch andere Tierarten einschließt. Daher wird zur Differenzierung des Schulhund-Einsatzes inzwischen auch der Begriff hundegestützte Pädagogik verwendet. Nach Heyer/Kloke (2011, 17) wird damit „der systematische Einsatz von ausgebildeten Hunden in der Schule zur Verbesserung der Lernatmosphäre und individuellen Leistungsfähigkeit sowie des Sozialverhaltens der Schüler“ bezeichnet. Problematisch ist in dieser Definition die Begrenzung auf die Schule, da Pädagogik auch außerhalb der Schule und mit weiteren Zielsetzungen ausgeübt wird, z. B. in der stationären Jugendhilfe. Daher bietet obige Definition von tiergestützter Pädagogik (→ Kap. 2.1) mit Verwendung des Begriffs Hund statt Tier eine umfassendere Beschreibung.

Hundegestützte Pädagogik wird von einer Fachkraft mit einer pädagogischen bzw. heil-/sonder-/sozialpädagogischen Ausbildung und entsprechendem Fachwissen über Hunde durchgeführt. Die Intervention ist auf ein pädagogisches Ziel ausgerichtet, welches Bildung und/oder Erziehung betrifft. Die eingesetzten Hunde werden speziell für den Einsatz mit Menschen sozialisiert und ausgebildet.

Beim Hunde-Einsatz in Schulen – und darauf beschränken sich die folgenden Ausführungen – wird zwischen dem Schulhund (Präsenzhund) und dem Schulbesuchshund unterschieden. Wie bei AAT/AAE wird diese Unterscheidung anhand der Person, die den Hund führt, und anhand der Regelmäßigkeit des Einsatzes getroffen. Die folgenden...

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