DAS ERSCHEINUNGSBILD
»Schau dir den einmal an, so ein Kasperl.«
»Und seine Begleitung erst. Das ist doch kein Kleid, das ist ein Negligee.«
Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck. Und ja, natürlich zählt der Charakter. Der Anzug kann noch so schick, das Kleid noch so elegant sein. Hat man nichts zu sagen, wirkt man weder interessant noch kompetent. Lieber ganz schön umwerfend als umwerfend schön. Trotzdem: Einen Eindruck davon, wer man ist, machen sich andere beim ersten Blick. Ein paar Zehntelsekunden sind das. Und dieser Eindruck sollte sie nicht täuschen. Oder enttäuschen.
Dabei muss man bedenken: Egal, ob man in der Stadt oder am Land ist. Man glaubt vielleicht, die Leute sind tolerant, liberal und aufgeschlossen. Aber das gilt nicht für alle. Da gibt es eine gewisse Doppelmoral. Überall wird getuschelt und verurteilt. Gemauschelt und verrissen. Gekichert und verhöhnt: Schau, die eine Dame bei der Charitygala, zwar engagiert und bemüht, aber die hatte einen Auftritt, puh. Und alles, woran man sich danach erinnerte, alles, worüber man sprach, war ihr viel zu aufreizendes Gewand. Das, was sie als Dekolletee interpretiert hat, würde man in einem Porno durchaus gutheißen, aber nicht bei einer Soiree, wo sie schon die Nase rümpfen, wenn der Lachs leicht schief auf dem Brötchen liegt. Die Männer bestarren das pralle Leben und tun so, als wären sie entsetzt, und die Frauen verdrehen die Augen, wie bei Pretty Woman, wo ihr die Weinbergschnecke vom Teller flutscht. Jawohl, man wird wegen kleinen Fauxpas abgestempelt. Und ein zweiter Eindruck kann den ersten nicht vergessen machen. Was bleibt, sind die Brüste. Oder die weißen Socken. Oder das Loch in der Anzughose. Oder die schmutzigen Schuhe. Oder der Griff ins Buffet. Oder der Vollrausch. Oder das dümmliche Geschau. Oder das grellbunte Kleid, das aussieht, als wäre ein Pfau explodiert.
Eine Grundregel fürs Outfit: Man muss sich wohlfühlen. Es bringt nichts, sich zu verkleiden, ein rosa Hemd oder ein kurzes Kleid anzuziehen, wenn es einen verunsichert. Man muss sich selbst schon treu bleiben. Und die Kleidung muss zum Anlass passen. Bei manchen Veranstaltungen gibt es einen Dresscode, das vereinfacht die Kleiderwahl erheblich. Ohne Dresscode braucht man ein Gespür dafür, wann welches Outfit angebracht ist. Obwohl oder gerade weil mir meine Freunde manchmal sagen, dass ich nicht den allerbesten Modegeschmack habe, erlaube ich trotzdem ein paar Style-Tipps zu geben:
Der Mann: von schick und elegant bis locker und lässig. Herren sollten auf jeden Fall einige Anzüge im Schrank haben. Einen schwarzen, einen blauen, einen grauen. Je seriöser der Anlass, desto dunkler der Anzug. Damit liegt man nie falsch. Selbst bei lockeren Events nicht. Lieber overals underdressed. Keinesfalls fehlen dürfen Sakkos in der Garderobe. Sie werten jedes Outfit auf. Zu einem schwarzen beispielsweise kann man sehr wohl (teilweise sogar leicht zerrissene) Jeans, ein T-Shirt oder Sneakers anziehen. Das ist ein Allround-Outfit. Bei den meisten Club- und Afterwork-Events macht man damit ganz gute Figur. Weil man Dynamik und Aufgeschlossenheit ausstrahlt. Funktioniert natürlich nur, wenn es einem passt. Und nur bis zu einem gewissen Alter. (Das gilt natürlich auch für mich, aber derzeit erlaube ich es mir noch.)
Das Gute an so einem Outfit ist, dass man es kombinieren kann. Verschiedene T-Shirts zu verschiedenen dunklen Jeans, immer wieder ein anderes Sakko drüber, coole Schuhe dazu, passt. Das funktioniert fast immer. Ich trage zum Beispiel auch gerne meine Terminpullover. So nenne ich die Pullis mit V-Ausschnitt. Hemd oder Polo-Shirt drunter und fertig. Da braucht man dann kein Sakko dazu. Was man nur in der Startup Szene, im Büro wenn man keine Termine hat oder in der Freizeit tragen sollte: Hoodies, also Kapuzenpullover. Sind zwar lässig, aber Situation und Anlass müssen passen. Allgemein müssen Pullover gut sitzen und angenehm zu tragen sein. Und auch auf kurze Hosen sollte man verzichten. Jeans, Hemd, Sakko, schöne Schuhe – damit kann man nichts falsch machen. Das kann man im Alltag anziehen, weil es bequem ist. Und bei eleganten, offiziellen und förmlichen Anlässen, Business-Veranstaltungen, Bewerbungsgesprächen oder einem Gala-Dinner schlüpft man in ein schickes Outfit. Zum Beispiel in den klassischen Anzug.
Eine Krawatte muss heutzutage nicht unbedingt sein. Ich trage manchmal ganz bewusst keine. Eine normale Krawatte wirkt meist sehr förmlich, was man aber natürlich auch bewusst einsetzen kann. Die Mode ändert sich zwar ständig, aber die dünne Variante ist eine lässige und doch elegante Zwischenlösung und passt eigentlich immer. Eine Masche empfehle ich nicht. Außer zum Frack natürlich. Aber wenn man nicht gerade auf den Opern- oder Philharmonikerball geht, braucht man auch keinen Frack. Und sonst wirkt das Mascherl eher lächerlich. Sogar Wolfgang Schüssel, dessen Markenzeichen die Masche war, hat sie irgendwann abgelegt. Für viele ein No-Go: gestreifte Krawatte zu einem karierten Hemd. Oder umgekehrt. Auch farblich sollten die beiden harmonieren. Hier bitte keine expressionistischen Experimente.
Apropos: Wenn es ums Outfit geht, sollte man es nie zu bunt treiben. Mein Credo: Nicht mehr als eine grelle Farbe beim Mann. Ein rotes Hemd, eine grüne Hose, gelbe Sneakers und ein blaues Sakko, das ist zu viel. Viel zu viel. Dann schaut man aus wie ein Vogel. Als Künstler kann man das vielleicht noch machen. Aber nicht als Geschäftsmann. Da reicht es, wenn man einen gelben Gürtel oder rote Schuhe trägt. Kommt natürlich auch aufs Event an. Und es schadet auch nicht, wenn man ein bisschen auffällt. So bleibt man in Erinnerung. Aber es ist ein Tanz auf dem Hochseil. Ein buntes Kleidungsstück oder Accessoire zu viel kann schon lächerlich ausschauen. Ist man sich unsicher, kleidet man sich lieber in gedeckten Farben und überzeugt stattdessen mit seiner Persönlichkeit. Verzichten sollte man als Mann – ab einem gewissen Alter – auch auf Blondierungen. Also keine blond gefärbten Haare, auch keine Strähnen. Ich hatte sie früher selbst, aber so ab 30 nicht mehr… Für Frauen gilt das freilich nicht.
Die Frau: von sexy und verführerisch bis mondän und seriös. Frauen müssen noch viel mehr darauf achten, was sie anziehen. Weil man ganz genau auf ihre Outfits schaut. Zu sexy sollte es nicht sein. Darüber redet man, und nicht immer in den besten Tönen. Oft spricht da auch der Neid. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ein bitchy Image bleibt. Und die Männer finden das nicht immer so attraktiv, wie man vielleicht glaubt. Jedenfalls wird man abgestempelt. Ein bisschen Haut zeigen, ein Ausschnitt, das geht schon, wunderbar. Aber sexy ist nicht gleich sexy. Man kann sich ein schönes Kleid anziehen und ausschauen wie ein elegantes Bond-Girl. Man kann sich aber auch einen billigen Fetzen anziehen und ausschauen wie eine Tussi. Dann wird gescherzt und sicher derb geredet. Auch in den besten Kreisen. Und natürlich ist ein aufreizendes Outfit auch nicht für jeden geeignet. Nicht für jedes Alter, nicht für jede Figur. Das soll keine Beleidigung, sondern eine Warnung sein. Einige Menschen sind eben oberflächlich. Und selbst die, die vorgeben, es nicht zu sein, bekommen vielleicht nicht den besten Eindruck. Immer gut angezogen ist man als Frau mit einem Businesskostüm. Es verleiht Seriosität, strahlt Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit aus. Wie die Herren können auch die Damen ein Sakko und dazu Jeans tragen. Praktisch für den Alltag, passend für die meisten Gesprächstermine und Veranstaltungen.
Die Schuhe. Hauptsache, sie sind geputzt. Ich muss zugeben, dass meine nicht immer sauber sind. Und mir ist das dann auch unangenehm. Man fühlt sich gleich nicht mehr so wohl und hat das Gefühl, dass alle dauernd auf die Schuhe starren. Wichtig ist auch, dass sie bequem sind. Immerhin steht man bei manchen Veranstaltungen stundenlang. Frauen würden dann ihre High Heels schon gerne einmal ausziehen. Aber barfuß kann man auch nicht herumlaufen. Für Frauen gilt: Ist man tagsüber im Büro, und geht man abends zu einer Veranstaltung, empfiehlt es sich, normale Schuhe anzuziehen, High Heels mitzunehmen und erst zu tragen, wenn man zum Event geht. Man kann schon in flachen Schuhen dort aufkreuzen, ein bisschen Absatz schadet aber nicht. Gerade zu einem Kleid oder einem Rock. Denn die Schuhe, und das gilt auch für die Herren, sollten immer zum Outfit passen. Noch ein Tipp: keine dunkelbraunen Schuhe zu einem schwarzen Anzug. Die beiden Farben harmonieren einfach nicht. Bei den Herren bitte auch keinen braunen Gürtel zu schwarzen Schuhe. Gürtel und Schuhe sollten aus einem Farbtopf kommen.
Die Accessoires. Männer tragen gerne Uhren. Für mich gehören sie nicht unbedingt zur Grundausstattung. Aber wenn man schon eine trägt, dann keine, die ausschaut, als wäre sie gerade noch an der Wand gehangen. Also keine protzige. Die Damen tragen gerne Schmuck, sollten sich aber nicht zu viel umhängen. Man will ja nicht als Christbaum daherkommen. Das wichtigste Accessoire einer Frau ist natürlich die Handtasche. Sie vermittelt einen Eindruck. Louis Vuitton-Taschen sind eine eigene Kategorie, manchen sind sie schon zu chichi, andere akzeptieren oder schätzen sie einfach als...