Bitte mit Gefühl
Wir brauchen positive Emotionen, um uns zu verändern
Harte Abmagerungskuren führen meist zu noch mehr Übergewicht, weil Hunger gegen die Naturgesetze des Lebens verstößt. Erfolgreiches Abnehmen klappt dann, wenn wir uns dabei wohlfühlen und das Leben auch weiterhin genießen.
Besser essen, besser leben
Beim Abnehmen unterliegt der Verstand dem Gefühl. Gute Vorsätze allein helfen deshalb wenig dabei, das gesetzte Ziel zu erreichen. Vielmehr sind hier eine starke Motivation und das nötige Know-how gefragt.
»ES MUSS ETWAS GESCHEHEN. So kann es doch nicht weitergehen. Ich habe mir ja schon so oft vorgenommen, mich zu bessern. Gesünder essen, mich mehr bewegen, früher ins Bett gehen, regelmäßig Wasser trinken, nicht mehr rauchen, netter sein, mich ehrenamtlich engagieren« – und so weiter. Wahrscheinlich haben Sie sich nicht nur einmal in Ihrem Leben mit solchen Überlegungen befasst. Vielleicht sind Sie in Gedanken schon des Öfteren durchgegangen, was das Erreichen Ihrer Ziele für Sie bedeuten würde. Sie haben wunderbare Träume entwickelt: Wäre doch prima, wenn wir all die streberhaften Dinge, die so einfach klingen, aber offenbar höllisch schwer sind, tatsächlich hinkriegen würden.
Alles auf einen Streich?
Die Folgen, wenn wir alle unsere Träume im Handumdrehen verwirklichen könnten? Fantastisch: ein langes, glückliches und gesundes Leben. Dafür lohnen sich ein paar Entbehrungen, oder? Klar, werden Sie sagen, und vielleicht gleich wieder gute Vorsätze fassen, wie Sie das alles schaffen könnten. Doch kaum ist die Aufbruchsstimmung (»Ab nächster Woche werde ich nie mehr ...«) verflogen und die Zeit der Umsetzung soll beginnen, kommt garantiert etwas dazwischen: Heute ist das Wetter schlecht. Morgen steht die Aussprache mit dem Chef an, da soll erst mal alles so bleiben, wie es ist. Am Wochenende ist das Geburtstagsfest meiner besten Freundin, da fasse ich besser keine neuen Vorsätze.«
Der absolute Favorit unter den Anti-Abnehm-Ausreden heißt jedoch: »Ich fange dann morgen an.«
Prompt folgt Katzenjammer: Kaum sind wir an einer unüberwindlich scheinenden Hürde hängen geblieben, schon sind sie wieder da – die Gewissensbisse und Versagensgefühle, die uns in unseren Selbstzweifeln bestärken: »Andere schaffen das und ich nicht. Ich habe einfach nicht genug Disziplin, Stärke und Selbstbewusstsein – tja, eigentlich fehlt es mir an allem, was angeblich zu einer erfolgreichen Veränderung des Lebens gehört.« Auch für drastische Hungerkuren sind solche Selbstvorwürfe typisch.
Wie verhext: ein Bumerang namens Hungerkur
Die meisten Diäten scheitern. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis nach einer strengen Abmagerungskur die Pfunde wieder zurückkehren. Das bestätigen die Statis-tiken und wahrscheinlich auch Ihre eigenen Erfahrungen. Das schließt nicht aus, dass manche praxistauglichen Abnehm-Modelle durchaus gute Anfangserfolge aufweisen können.
Bestimmt kennen Sie einige Menschen, die mit einer Diät ein paar Pfunde losgeworden sind. Meist machen die ihrer Euphorie mit Sätzen Luft wie »Endlich habe ich meine Figur im Griff« – »Jetzt habe ich es geschafft, dank dieser großartigen Abmagerungskur«. Doch die Freude (und der missionarische Eifer) halten nicht lange an. Nach der Rückkehr ins normale Leben ist es fast immer nur eine Frage der Zeit, bis die alten Pfunde wieder da sind. Und nicht nur das:
Schlimmstenfalls und absolut nicht selten vermehren sie sich nach der rabiaten Kilo-Killer-Kur auch noch – der Jo-Jo-Effekt hat zugeschlagen.
Neue Studien belegen, dass nur jeder fünfte aller Diätgeplagten schlank bleibt, selbst wenn die Diät zunächst durchaus Erfolg zu haben scheint. Die große Mehrheit scheitert nicht nur, sondern ist gleich doppelt bestraft. Ein Versuch macht auf diesem Gebiet nämlich nicht unbedingt klüger, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit dicker. Denn im Zuge einer Diät sinkt der Kalorien-Grundumsatz des Körpers, und diesen niedrigeren Verbrauch behält der Organismus auch nach der Diät noch dauerhaft bei. Außerdem neigen wir nach einer Hungerkur dazu, mehr Kalorien aufzunehmen als zuvor, wie auch eine wissenschaftliche Studie eindrucksvoll gezeigt hat.
Eine Forschungsgruppe der Universität Pennsylvania konnte mit Experimenten an Mäusen belegen, dass Diäten unser Gehirn dauerhaft umprogrammieren, denn nach den Aussagen der Wissenschaftler ist das Ergebnis der Versuche auf den Menschen übertragbar.
In drei Wochen mussten die Mäuse sich bis zu 15 Prozent ihres Gewichts abhungern – ein typisches menschliches Abnehmziel. Ihr Stresshormonspiegel stieg, sie wurden depressiv. Nach der Diät genehmigten die Mäuse sich deutlich mehr fettreiches Futter als ihre Artgenossen, die keine Diät gemacht hatten.
Die Wissenschaftler führten dies auf bestimmte Veränderungen von Genen zurück, die an der Stressregulation und der Steuerung der Nahrungsaufnahme beteiligt sind. Im Zuge sogenannter epigenetischer Veränderungen lagern sich chemische Schalter an die Erbsubstanz an, die Gene ein- oder ausschalten können, was zu einem veränderten Essverhalten führt. Dieser Effekt hält auch nach der Diät an und ist sogar vererbbar.
Je häufiger Menschen rabiate Versuche unternehmen, um in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Fett loszuwerden, desto schneller werden sie dick. Darauf reagieren sie wie alle, die an selbst auferlegten Aufgaben scheitern: Sie sind frustriert, fühlen sich als Versager und erwarten dann auch noch von sich selbst, dass es im nächsten Anlauf besser klappt – obwohl sie ihr Vorgehen auch dann nicht verändern werden.
Schlaue Anleitungen sind machtlos gegen Ur-Instinkte
In unseren Ich-bin-dann-mal-schlank-Bühnenshows ernten wir meist ungläubiges Staunen, wenn wir behaupten: »Wenig essen macht dick.« Dass das tatsächlich so ist, liegt nicht am Versagen all der Leute, die es trotzdem immer wieder versuchen, sondern es liegt seit Jahrtausenden in der Natur des Menschen.
Unser Organismus ist aufs Überleben programmiert und wehrt sich mit aller Macht gegen alles, was er als Bedrohung empfindet, wie zum Beispiel Hunger. Das lässt der Körper sich auch mit den besten Begründungen nicht ausreden.
Wir können uns noch so schlau machen, kluge Bücher lesen, Anleitungen auswendig lernen und gute Vorsätze fassen, bis die Wände wackeln – in Sachen Essgelüste werden wir von unseren niederen Instinkten bestimmt. Ob wir es wollen oder nicht: Hier verliert das »Kopfhirn« den Kampf gegen das »Bauchhirn«, der Verstand unterliegt dem Gefühl – was auch kein Wunder ist. Denn Gefühle sind fest in uns verankert. Sie liegen sozusagen eine Stufe tiefer in uns als der Verstand: im limbischen System, der Steuerungszentrale im Gehirn für Emotionen, die zuständig ist für unsere Grundbedürfnisse nach Glück, Genuss, Liebe und Essbarem. Dieses System hat viele verschiedene Funktionen, die aber alle eines gemeinsam haben: Sie sind an den Dingen beteiligt, die unbewusst entstehen und körperliche Bedürfnisse regulieren. Im unteren Teil unseres Zwischenhirns sitzt der eng mit dem limbischen System verknüpfte Hypothalamus, unser »Bauchhirn«, das Kontrollzentrum für Essen, Trinken, Schlafen, Temperaturregelung, Sexual-, Angriffs- und Verteidigungsverhalten. Hier entsteht das, was wir tun, wenn Trieb- und Affektzustände uns steuern.
Sinnesreize von außen landen erst einmal im limbischen System und werden dort sofort fest mit Emotionen verknüpft – lange, bevor sie das bewusst denkende Großhirn überhaupt erreichen.
Das läuft zum Beispiel so ab: Die Nase nimmt auf der Straße vor der Bäckerei Witterung auf. Der Sinnesreiz »Hier riecht’s aber gut nach frischen Croissants« heitert gleich die Gefühlslage auf: »Lecker, jetzt so ein knuspriges Teilchen, und ich bin glücklich.« Noch bevor das Großhirn Alarmsignale senden kann (»Vorsicht, später wirst du es bereuen. Bleib vernünftig!«), ist es bereits um uns geschehen, und wir betreten den Backwaren-Tempel. Das Hörnchen wird gekauft und dann unweigerlich auch gegessen.
Das limbische System ist in dieser Hinsicht absolut kompromisslos. Warum sollte es auf die langweiligen, vernünftigen und möglicherweise leeren Worte aus der Großhirnrinde hören, wenn erfahrungsgemäß eine Hungersnot im Anmarsch ist, die es aus den strikten Diäten der Vergangenheit schon kennt und die es gemäß seiner jahrtausendealten Programmierung zu vermeiden trachtet?
Wie die Sache mit dem Hunger eigentlich funktioniert
Um zu verstehen, welche Probleme uns die uralte Programmierung unseres Gehirns und unseres Körpers in der heutigen Zeit machen kann, hilft es zu wissen, wie Hunger funktioniert.
Während man früher glaubte, dass der Magen knurrt, weil seine Wände sich zusammenziehen, weiß man heute, dass vielmehr Luft und Magensaft so umhergewirbelt werden, dass dabei Geräusche entstehen. Das Knurren ist also keine eigene »Meldefunktion« des Magens.
Für die richtige Dosierung der Nahrung sorgt ein kompliziertes System, das von Hormonen gelenkt wird.
Der Hypothalamus (siehe...