Die bisherige Entwicklung in der deutschen Nachhaltigkeitspolitik verdeutlicht, dass Nachhaltigkeit nicht mehr ausschließlich ein politisches Unterfangen ist, sondern auch die Unternehmen ihren Beitrag für eine nachhaltige Zukunft leisten müssen.[35] Dabei geht der unternehmerische Trend hin zu einem Greening. Das bedeutet, dass Unternehmen mehr und mehr alle Bereiche von Produkten und Dienstleistungen über interne Funktionen wie Steuerung, Planung und Kontrolle umweltgerecht gestalten.[36] Verfolgt man aktuelle Wirtschaftsdebatten, so sind viele Experten davon überzeugt, dass ein langfristiger unternehmerischer Erfolg nur unter Berücksichtigung nachhaltiger Faktoren gegeben ist. Der Umweltschutz als Kostenfaktor weicht einer chancenorientierten Betrachtung.[37] In Anlehnung an diese Meinung veröffentlichte der Internationale Controller Verein e.V. (ICV) 2010 eine Studie über die Einflüsse und deren Relevanz zur Integration ökologischer Aspekte in ein Unternehmen. Dabei wurden vier grüne Strategietypen, basierend auf einem Fünf-Stufen-Modell, identifiziert.[38] Das Modell beschreibt den Weg eines Unternehmens in die Nachhaltigkeit, gegliedert in fünf Aktionsfelder. Je nach Fortschritt des Weges wird einem Unternehmen eine grüne Strategie zugeordnet. Damit eine optimale grüne Unternehmensstrategie gewählt wird, müssen zusätzlich die Interessensgruppen identifiziert und ihre Nachhaltigkeitsziele analysiert werden. Eine Möglichkeit zur Bewertung bietet eine Analyse der Stakeholder.
Bisher fand in Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit vorwiegend im Bereich Innovation statt, um stets markt- und technologieorientiert zu agieren. Der Nachhaltigkeit und ihrer Integration in die Strategie kommt zunehmend eine größere Bedeutung zu. Der Trend geht hin zu einer vollständigen Nachhaltigkeitsorientierung um langfristig erfolgreich zu sein. Es geht nicht nur um die Erfüllung der bestehenden Erwartungen seitens Gesellschaft, Kunden, Politik und Medien, sondern auch um die zukünftige Sicherung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit.[39] Die Implementierung einer grün ausgerichteten Strategie wird früher oder später unabdingbar sein. Dies belegen Zukunftsprognosen bezüglich der Veränderungen aller drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie sowie Sozialaspekte.
Abb. 2: Auswahl an Prognosen aus den drei Dimensionen[40]
Der globale Wandel wird zunehmend als komplexer Prozess wahrgenommen, der sich sowohl direkt als auch indirekt auf die Unternehmen auswirkt und neue Herausforderungen mit sich bringt. Je nach Branche und Betroffenheitsgrad werden diese neuen Umstände als Chance aber auch Risiko erachtet. Das Institut für Wirtschaft in Köln führte eine 2008 erschienene Expertenumfrage zur Einschätzung zukünftiger Risiken und Chancen bezüglich des globalen Wandels durch. Um die Komplexität der Thematik vereinfachend darzustellen, legte man Schwerpunkte auf die Themen Rohstoffverknappung, demografischer Wandel, Klimawandel, Megastädte, Wasserversorgung und –entsorgung, Bevölkerungswachstum in Entwicklungsländern und Migration sowie auf die Bedrohung der Artenvielfalt (Biodiversität). Die Konzentration auf diese Bereiche ergab sich aus einer Umfrage über die Bedeutung einzelner Themen des globalen Wandels auf die Strategie von Unternehmen sowie durch Interviews mit Umweltexperten, die den Themen der nachfolgenden Abb. einen hohen zukünftigen Stellenwert beimaßen.[41]
Abb.3: Chancen- und Risikobewertung des globalen Wandels[42]
Abb. 3 zeigt eine Chancen- und Risikobewertung. Zwei signifikant auseinanderliegende Ergebnisse stellen die Wahrnehmungen einer Chance durch wachsende Megastädte, sowie das Risiko durch die Bedrohung der Artenvielfalt mit jeweils mehr als 50 % dar. Der Klimawandel wird mit 43,6 % und der demografische Wandel mit 49,9 % als Chance betrachtet. Die Wasserversorgung und -entsorgung und die Rohstoffverknappung stuft dagegen mehr als jeder zweite Befragte als künftiges strategisches Risiko. Das Bevölkerungswachstum in Entwicklungsländern und Migration betrachten die Umfrageteilnehmer mit 41,7 % als Chance und zu 39 % als mögliches zukünftiges Risiko. In Abb. 2 wird deutlich, dass der globale Wandel bereits in vollem Gange ist. Zudem wächst der Druck auf die Unternehmen durch die veränderten Interessen der Stakeholder. Neue Gesetze, Umweltvorschriften, Verantwortungsbereichserweiterungen über die gesamte Wertschöpfungskette (vor- und nachgelagert) sowie ein nachhaltigkeitsfreundliches Konsuminteresse geben immer mehr Unternehmen Grund zum Umdenken. Eine Vielzahl von Firmen beschäftigt sich bereits mit dieser Thematik und hat eine individuell angepasste grüne Strategie implementiert oder ist offen dafür, dies in naher Zukunft zu tun. Die Experten sind sich einig, wer den Herausforderungen des globalen Wandels entgegentreten will, muss seine Strategie den grünen Nebenbedingungen so früh wie möglich anpassen.[43]
Immer mehr Unternehmen sehen sich gezwungen ihre Strategie neu auszurichten. Inwieweit ein freiwilliger Ansatz (z.B. grüne Innovationen als Wettbewerbsvorteil), oder aber die Rahmenbedingungen (z.B. Umweltverordnungen) die Anpassung der grünen Strategie beeinflussen, ist für jeden Betrieb unterschiedlich und somit individuell zu betrachten. Damit Firmen weiterhin wettbewerbsfähig und wirtschaftlich bleiben und die Wandlung hin zu einem nachhaltig ausgerichteten Unternehmen erfolgreich von statten geht, ist die Wahl einer optimal passenden grünen Strategie notwendig. Der ICV hat sich mit der Relevanz und den Herausforderungen ökologischer Aspekte beschäftigt und identifizierte im Zuge dessen vier grüne Strategietypen. Diese Nachhaltigkeitsstrategien basieren auf fünf Aktionsfeldern, die im folgenden Abschnitt mit Hilfe eines Fünf-Stufen-Modells beschrieben werden.[44]
Neue Ökogesetze, Kundenansprüche und der fortwährende Klimawandel führen dazu, dass ausschließlich Unternehmen, die Nachhaltigkeit anstreben und umsetzen wettbewerbsfähig sein werden. Die Entscheidung zu einem unternehmensüberbergreifendem Greening stellt einen komplexen Prozess dar. In einem Bericht im Harvard Business Manager Magazin wurde dieser Prozess in fünf Aktionsfelder gegliedert, die es gilt Schritt für Schritt anzugehen. Abb. 4 zeigt das Fünf-Stufen-Modell mit seinen jeweiligen Etappenzielen auf dem Nachhaltigkeitsweg.[45]
Abb. 4: Der Weg zu einem nachhaltigen Unternehmen[46]
Stufe 1: Ökostandards übertreffen
Entscheidet sich ein Unternehmen für die Wandlung in ein nachhaltiges Unternehmen so ist der erste Schritt dahin das Übertreffen von Normen bei gleichzeitiger Einhaltung von verpflichtenden Umweltgesetzen.[47] Die Normen entsprechen Richtlinien, die in der Regel durch Nichtregierungsorganisationen (NGO) aufgestellt werden und in den meisten Ländern strenger als die dort herrschenden Umweltgesetze sind. Bekannte Standards sind beispielsweise das Green House Gas (GHG) Protocol und das Forest Stewardship Council (FSC).[48] Auch national gibt es eine Vielzahl von populären Umweltnormen, angefangen beim Nachhaltigkeitsbericht über die International Organization of Standardization (ISO) mit ihren Normen für Qualitäts- und Umweltmanagement (ISO 9001 und ISO 14001) bis hin zum Blauen Engel[49]. In Tabelle 1 werden die o.g. Beispiele für Standards und Normen in einer Übersicht dargestellt.
Viele Unternehmen handeln dennoch nach dem Prinzip des geringsten Widerstandes und halten lediglich die niedrigsten, vom Gesetz reglementierten, Umweltstandards ein. Die allgemeine Befürchtung, bei einer Anpassung an die Richtlinien ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Herstellern aus Billiglohnländern zu mindern oder gar einzubüßen, führt bei vielen Geschäftsführern zu Skepsis. Dabei gibt es Vorteile, z.B. die etwaige Rolle als Pionier, durch die konsequente Anpassung an höchste Normen, werden Innovationen gefördert. Produkte mit mittellangen Entwicklungszyklen (3- 5 Jahre) unterliegen dem Risiko nach Fertigstellung nicht mehr den aktuellen Standards zu entsprechen. Daher sollte von Anfang an auf eine Einhaltung verschiedenster Richtlinien über gesetzliche Standards hinaus geachtet werden, damit Folgekosten durch Verbesserungsmaßnahmen vermieden werden. Desweiteren besteht die Möglichkeit durch zeitlichen Vorsprung als Pionier Material, Technik und Prozesse zu testen, um somit bereits bei Inkrafttreten von Gesetzen die Vorgaben zu erfüllen. Dies führt zu einem Wettbewerbsvorteil gegenüber Unternehmen, die hohe Kosten und Zeit aufwenden müssen, um diese Gesetze umzusetzen und im schlimmsten Fall sogar einem vorläufigen Produktionsstopp unterliegen....