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E-Book

Im Innern Afrikas

Die Erforschung des Flusses Kasai

AutorHermann von Wissman
VerlagEdition Erdmann in der marixverlag GmbH
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl536 Seiten
ISBN9783843803922
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Im Auftrag des belgischen Königs Leopold II. tritt Hermann von Wissmann 1883 seine zweite Afrikareise an, bei der er den Verlauf des Kasai und die Zuflüsse im Kongo erkunden soll. Vom Lulua aus, einem Nebenfluss des Kasai, wo Wissmann die Station Luluaburg gründet, startet er mit seinen Trägern und Eingeborenen des Baschilange-Volks auf selbstgebauten Kanus die Erkundung des Kasai. Der undurchsichtige Verlauf des reißenden Flusses, sowie Kämpfe mit Eingeborenen stellen nur einen Teil der Schwierigkeiten dar, mit denen die Expedition zu kämpfen hat. 1885 gelangt man schließlich wieder an die Küste und hat wichtige Ergebnisse vorzuweisen: die Zugehörigkeit des Kasai zum Kongogebiet, Klarheit über den Verlauf einiger Kongonebenflüsse und die Eröffnung neuer Binnenschifffahrtswege.

Hermann von Wissmann wurde 1853 in Frankfurt an der Oder als Sohn eines Regierungsrats geboren. Er schlug eine Offizierslaufbahn ein, lernte bald den Afrikaforscher Paul Pogge kennen und bestritt 1880, begeistert von dessen Erzählungen, als Begleiter seine erste Afrika-Expedition. Seitdem bereiste er mehrmals das Inland Afrikas, um bislang unerforschte Gebiete zu erkunden. Von 1895-1896 war er Gouverneur von Deutsch-Ostafrika. Wissmann kam 1905 bei einem Jagdunfall in der Steiermark ums Leben.

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EINLEITUNG


Nach monatelangen Wanderungen im Kongobecken und wilder Fahrt auf dem unbekannten Fluss Kasai erspähte Hermann Wissmann, der Expeditionsleiter zur Erforschung der Flusssysteme des unteren Kongo, am 9. Juli 1885 unerwartet einen europäischen Gebäudekomplex. Nicht minder überrascht waren die zwei in Kwamouth stationierten Europäer, das an der Mündung des Kasai in den Kongo lag. Sie hatten die Expedition für verschollen gehalten und insbesondere auch nicht angenommen, dass der als »Kwa« bezeichnete Fluss der Kasai sei. Einiges hatte sich nach der Ausreise der Expedition Ende 1883 verändert. Die über dem Stationsgebäude wehende blaue Flagge mit goldenem Stern stand nicht mehr für die Internationale Kongo-Vereinigung, in deren Auftrag Wissmann losgezogen war, sondern für den neu gebildeten Kongo-Freistaat, der letztlich Privatbesitz der belgischen Krone war. Als sich die deutschen Expeditionsmitglieder im Stationshaus einfanden, erfuhren sie zudem von den Ergebnissen der kürzlich stattgehabten Berliner Afrika-Konferenz und den Gebietserwerbungen des Deutschen Reichs in West- und Ostafrika.

Der »Scramble for Africa«, der Wettlauf europäischer Nationalstaaten um die Aufteilung Afrikas, hatte jedoch schon zuvor begonnen. 1881 hatten die Franzosen Tunis besetzt, und 1882 wurde Ägypten britisches Protektorat. Für den erst 1871 gegründeten deutschen Nationalstaat war die letzte Möglichkeit gekommen, sich unter die Kolonialmächte einzureihen. Reichskanzler Otto von Bismarck glaubte zwar nicht an die von der Kolonialpropaganda verheißene Krisentherapie, wonach Kolonien eine allumfassende Lösung für die ökonomischen und sozialen Probleme Deutschlands böten. Vielmehr sah er in einer globalen Expansion die Eröffnung neuer Konfliktfelder und somit eine Gefährdung der deutschen Vormachtstellung auf dem europäischen Kontinent. Er befürwortete jedoch den Freihandelsimperialismus in Form einer indirekten staatlichen Unterstützung expandierender Wirtschaftsinteressen. In Kontinuität dazu muss auch sein Entscheid gesehen werden, Schutzbriefe für auf private Initiative zurückgehende Gebietserwerbungen zu verleihen, so am 24. April 1884 für Südwestafrika und am 27. Februar 1885 für Ostafrika. Durch die Verleihung von Hoheitsrechten an private Gesellschaften wie die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika (DKGSWA) und die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft (DOAG) glaubte er, die deutschen Kolonialversuche im Hintergrund lenken zu können, ohne politische Verantwortung übernehmen zu müssen. Allerdings weigerten sich die in Kamerun und Togo tätigen deutschen Handelsfirmen, darunter das Hamburger Haus Woermann, Hoheitsrechte auszuüben, sodass diese deutschen Interessensphären 1884 direkt unter Reichsschutz gestellt werden mussten.

Bismarck kam zudem die innenpolitische Instrumentalisierung der Kolonialpolitik entgegen. Sein Wahlkampf bei den Reichstagswahlen im Herbst 1884 zielte auf eine konservativ-nationalliberale Allianz, die sich vor allem gegen die Linksliberalen richtete. Gleichzeitig ließen ihm in dieser Zeitphase die Spannungen zwischen Großbritannien, Frankreich und Russland in Afrika und Mittelasien einen großen außenpolitischen Spielraum. Insbesondere die erbitterten französisch-britischen Rivalitäten gaben Bismarck einen gelegenen Anlass, eine Konferenz zur Koordination der Außenpolitik in Afrika einzuberufen und sich dabei als der großzügige Makler zu geben. Die vom 15. November 1884 bis zum 27. Februar 1885 tagende Berliner Afrika-Konferenz, bei der die »zivilisierten« Mächte in diplomatischer Selbstverständlichkeit über die nicht europäischen Gebiete zu bestimmen beanspruchten, stand vordergründig noch ganz im Zeichen des Freihandelsimperialismus und zivilisationsmissionarischer Rhetorik. Der freie Handel im Kongobecken und die freie Schifffahrt auf dem Niger und dem Kongo wurden zwar festgehalten, aber nur im letzteren Fall sollte eine internationale Kommission gegründet werden. Zwar wurden keine Gebietsaufteilungen auf dem Reißbrett festgelegt, aber die Teilnehmer der Konferenz einigten sich auf die Bedingungen für zukünftige Besetzungen in Afrika, und im Hintergrund wurden zahlreiche bilaterale Abkommen zur Abgrenzung von Interessensphären verhandelt. Die humanitären Postulate zur Unterdrückung des Sklaven- sowie des Alkoholhandels wurden nicht rechtlich verbindlich geregelt, und die Initiative zur Neutralisierung des Kongobeckens im Kriegsfall resultierte in einer »neutralité facultative«. Von zentraler Bedeutung für Zentralafrika war, dass fast alle Signaturmächte den belgischen König Leopold II. als Repräsentant einer souveränen Macht und somit als Besitzer des Kongo-Freistaates bestätigten.

Was auch immer hinter dem liberalen Geist der Konferenz gestanden haben mochte, in den folgenden Jahren wurde fast ganz Afrika unter Souveränitätsansprüchen besetzt und Handelsmonopole errichtet. Und es sollte gerade Leopolds Kongo-Freistaat sein, der die größte Diskrepanz zwischen freihändlerisch-philanthropischer Mission und der brutalen Realität eines mörderischen Systems von Zwangsarbeit aufweisen sollte. Da der belgische König keine große Macht vertrat, hatte er über indirekte Wege das Fundament seiner späteren Kolonialpolitik gelegt. 1876 hatte er eine geographische Konferenz einberufen, aus der er die Internationale Afrika-Vereinigung aus der Taufe hob, zu deren Präsidenten er sich küren ließ. Diese Vereinigung sollte künftig Unternehmungen zur »wissenschaftlichen Erforschung der unbekannten Teile Afrikas«, zur »Zivilisierung des inneren Afrika« und zur »Unterdrückung des Sklavenhandels« koordinieren. 1882 ging diese Organisation in die Internationale Kongo-Vereinigung über, die mehr noch als ihre Vorläuferorganisation lediglich eine Tarnbezeichnung für ihren Protagonisten war. Leopold II. finanzierte Expeditionen zum Kongo, die von 1879 bis 1884 von dem britisch-amerikanischen Forschungsreisenden Sir Henry Morton Stanley geleitet wurden. Dabei gründete er vor allem Stationen und schloss Verträge mit lokalen afrikanischen Autoritäten, obwohl die Vereinigung als internationale private Körperschaft rein technisch kein Recht zur Ausübung von Souveränitätsrechten hatte.

»Forschungsreisen« im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts standen bereits im Zeichen des Wettlaufs um Afrika. Das Pathos des Entdeckers als heroischer Überwinder von Grenzen, der von rein wissenschaftlichem Interesse getrieben war, hob sich stets positiv vom Bild des Eroberers ab. Der Entdecker bereitete dem dicht auf ihn folgenden Eroberer jedoch oft nicht nur den Weg, sondern manchmal handelte es sich um ein und dieselbe Person. Auch die Reise zur »Erforschung des Kasai« von 1883 bis 1885, die Wissmann im Auftrag der Internationalen Kongo-Vereinigung durchführte, war in vielfacher Hinsicht eine für diese Übergangsphase charakteristische Gemengelage von Forschungs- und Erwerbsexpedition sowie internationalen Kooperationen und nationalistischen Bestrebungen. Obwohl Wissmann im Dienst des belgischen Königs stand, konnte er es sich ausbedingen, dass die Expedition unter deutscher Flagge marschierte und Sammelobjekte dem Königlichen Museum zu Berlin übergeben werden durften. Alle europäischen Reisegebegleiter, die Wissmann sich aussuchte, waren deutsche Staatsangehörige, die sowohl eine wissenschaftliche wie militärische Ausbildung vorweisen konnten. So wirkte der Stabsarzt Dr. Ludwig Wolf als Ethnologe, der preußische Hauptmann Curt von François als Geograph, der Leutnant Franz Müller als Meteorologe und Photograph und der preußische Leutnant im Feldjägerkorps und Forstreferendar Hans Müller als Zoologe und Botaniker. Die Begegnungen mit Angehörigen bestehender und angehender Kolonialmächte waren noch vom Geist einer internationalen Zusammenarbeit im Rahmen eines kollektiven Imperialismus geprägt. So wurden die deutschen Expeditionsmitglieder von ihrer Reise von der westafrikanischen Hafenstadt Luanda durch Angola hindurch von den Beamten der portugiesischen Krone tatkräftig unterstützt. In Malange, dem östlichsten Posten der Portugiesen, feierten sie mit portugiesischen Honoratioren der Ortschaft bei einer reichen Tafel des Kaisers Geburtstag, ein Brauch, der in den deutschen Kolonien zur Tradition werden sollte. Als die Expedition schließlich im Juli 1885 in Leopoldville ankam, fand ein reger Erfahrungs- und Wissensaustausch mit den belgischen Kolonialbeamten, den europäischen Forschungsreisenden im Dienst Leopolds II., den Deutschen Expeditionsmitgliedern der Afrikanischen Gesellschaft sowie auch den Franzosen der französischen Stadt Brazzaville auf dem jenseits davon liegenden Nordufer des Kongo statt.

Wissmann war aber zur Durchführung seiner Mission auch eminent auf die Kooperation mit Afrikanern angewiesen. Dabei konnte er teilweise auf Beziehungsnetzwerke seiner ersten Afrikareise im Auftrag der Afrikanischen Gesellschaft von 1880 bis 1883 zurückgreifen, die ihn als Juniorpartner von Paul Pogge teilweise durch dieselben Gebiete geführt hatte. So meldeten sich einige der Dolmetscher erneut zum Dienst. Unabdinglich für die Orientierung waren auch...

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