11. Kapitel
Die Schenkung von Immobilien
Viele Menschen stehen vor der schwierigen Frage, ob sie bereits zu Lebzeiten Grundbesitz auf Kinder, Enkelkinder oder sonstige Angehörige übertragen sollen. Die Chancen und Risiken einer lebzeitigen Zuwendung von Grundbesitz müssen gegeneinander abgewogen werden. Dies setzt voraus die Kenntnis der vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten sowie der steuerlichen Grundlagen dafür.
I. Ziele einer vorweggenommenen Erbfolge
Unter „vorweggenommener Erbfolge“ versteht man alle Vermögensübertragungen unter Lebenden, die in der Erwartung vorgenommen werden, dass der Erwerber im Erbfall das Vermögen ohnehin erhalten würde. Mit der lebzeitigen Zuwendung von Immobilien können verschiedene Ziele erreicht werden:
- Reduzierung der Steuerlast: Steuerliche Überlegungen dürften die lange Liste der Motive für die Schenkung von Immobilien anführen. Deutschland ist erbschaft- und schenkungsteuerlich (noch) ein Niedrigsteuerland. Das Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht enthält diverse Steuervergünstigungen, zum Teil sogar Steuerbefreiungen sowie Freibeträge und – je nach Verwandtschaftsverhältnis – günstige Steuersätze.
- 2Erhaltung des Familienvermögens: Immobilienbesitz, ein Unternehmen oder Kunstsammlungen werden im Erbfall nicht selten zerschlagen. Eine durchdachte lebzeitige Übertragung auf die nächste, u. U. auch übernächste Generation, kann nicht nur eine Zersplitterung von Vermögenswerten entgegenwirken, sondern auch Nachlassstreit unter den Angehörigen vermeiden helfen.
- Versorgung des Schenkers und seiner Familie: Ein häufiges Motiv für die Übertragung von Familienbesitz ist, dass der Schenker als „Gegenleistung” von den Kindern/Vertragspartnern für sich und seinem Partner Versorgung im Krankheits- und Pflegefall einfordert und dies auch vertraglich abgesichert werden soll. Aber auch schwächere Familienmitglieder, zB minderjährige oder behinderte Kinder, können im Rahmen vorweggenommener Erbfolge abgesichert werden.
- Pflichtteilsminderung: Grundbesitz ist dadurch gekennzeichnet, dass er zwar oft einen erheblichen Wert hat, im Erbfall aus ihm aber nur sehr schwer liquide Mittel zur Begleichung einer etwaigen Pflichtteilslast gezahlt werden können. Ziel einer vorweggenommenen Erbfolge ist es deshalb auch, vertragliche Regelungen zum Ausschluss oder zur Reduzierung der Pflichtteilshaftung zu treffen. Hilfreich ist hier der neue § 2325 BGB, wonach der Wert einer Schenkung jährlich um 10 % abschmilzt. Wurde 6 Jahre vor dem Erbfall eine Immobilie im Werte von 500.000 EUR übertragen, hat diese zum Zwecke der Pflichtteilsberechnung nur noch einen Wert von 40 % von 500.000 = 200.000 EUR. Diese Abschmelzung funktioniert aber nicht, wenn sich der Schenker den Nießbrauch an der Immobilie vorbehält und auch dann nicht, wenn eine Schenkung zwischen Ehegatten erfolgt.
- Vermeidung des Sozialhilferegresses: Bevor eine bedürftige Person öffentliche Hilfe in Anspruch nehmen kann, ist erst das eigene Vermögen einzusetzen. Durch eine rechtzeitige Übertragung geht das Sozialamt leer aus.
3II. Steuerliche Grundlagen
Die Bestimmungen für die Besteuerung von Schenkungen und Erbschaften sind geregelt im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, im Bewertungsgesetz sowie in einer Vielzahl von Richtlinien und Hinweisen. Letztere enthalten praxisnahe Fallbeispiele und bieten deshalb auch für den steuerlichen Laien hilfreiche Informationen. Wer sich mit dem Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht näher befassen möchte, dem werden die entsprechenden Gesetze, Verordnungen und Hinweise in der Taschenbuchausgabe „Erbschaftsteuerrecht“, Beck-Texte im dtv empfohlen. Einen weiteren Bereich regelt die Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung(ErbStDV). Dort ist geregelt, dass und wie die Versicherungsunternehmen, die Banken, die Gerichte, die Standesämter und die Notare die Schenkungen, ggf. den Sterbefall, dem Finanzamt anzeigen müssen.
Die zweite Säule neben dem ErbStG ist das Bewertungsgesetz. Das Bewertungsgesetz regelt, welchen steuerlichen Wert ein Vermögensgegenstand hat. Welchen Wert ein geschenkter Betrag von 100.000 EUR hat ist klar, nämlich 100.000 EUR. Wird aber einem Kind ein Grundstück geschenkt, steht sein steuerlicher Wert nicht ohne weiteres fest. Das Bewertungsgesetz enthält Regelungen, nach denen der Wert des geschenkten Grundstücks festgestellt wird. Zum Bewertungsgesetz sind – wie nicht anders zu erwarten – auch Bewertungsrichtlinien und Hinweise ergangen. Diese sind ebenfalls in den Beck-Texten im dtv enthalten.
1. Steuerpflichten
a) Unbeschränkte persönliche Steuerpflicht
Wenn der Schenker oder der Beschenkte in Deutschland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, findet immer deutsches Schenkungsteuerrecht Anwendung. Deutsches Schenkungsteuerrecht findet auch Anwendung, wenn deutsche Staatsangehörige sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben. Bei der unbeschränkten 4Steuerpflicht kommt es nicht darauf an, ob der Schenker oder der Beschenkte die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Schenkt also ein in München wohnender Amerikaner seiner österreichischen Freundin ein Grundstück in Südfrankreich, dann findet deutsches Schenkungsteuerrecht Anwendung. Es kommt also nur darauf an, dass entweder der Schenker oder der Beschenkte seinen dauerhaften Wohnsitz in Deutschland hat.
b) Beschränkte persönliche Steuerpflicht
Eine beschränkte persönliche Steuerpflicht liegt vor, wenn weder der Schenker noch der Beschenkte seinen Aufenthaltsort in Deutschland hat, aber der Schenkungsgegenstand sich in Deutschland befindet. Dieser Fall liegt vor, wenn zum Beispiel ein dauerhaft in Frankreich lebender Franzose seiner ebenfalls in Frankreich lebenden Ehefrau eine Eigentumswohnung in Berlin schenkt. Dieser Vorgang löst auch in Deutschland Schenkungsteuer aus.
c) Doppelbesteuerung
Schenkungen mit Auslandsbezug können einer Steuerpflicht in zwei oder mehreren Staaten unterliegen. In dem oben genannten Beispiel könnte es zum Beispiel sein, dass auch Frankreich vom Ehemann oder von dessen Ehefrau Schenkungsteuer verlangt, auch wenn die Wohnung in Berlin liegt. Eine dadurch eintretende Doppelbesteuerung kann verhindert werden durch Doppelbesteuerungsabkommen. Dies sind völkerrechtliche Verträge mit deren Hilfe die Staaten vermeiden, dass bei demselben Steuerpflichtigen dieselbe Schenkung durch gleichartige Steuern mehrfach belastet wird. Dies geschieht einerseits dadurch, dass der Staat, in dem sich die Wohnung befindet, auf eine Besteuerung verzichtet oder diese einschränkt oder dadurch, dass der Wohnsitzstaat des Schenkers auf die Schenkungsteuer verzichtet oder dass eine im Ausland angefallene Schenkungsteuer auf die Steuer in Deutschland angerechnet wird.
Doppelbesteuerungsabkommen für die Erbschaft- und Schenkungsteuer bestehen mit folgenden Staaten
- Dänemark,
- Frankreich,
- 5Griechenland,
- Schweden,
- Schweiz,
- USA.
Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich wurde gekündigt, weil Österreich die Schenkungsteuer abgeschafft hat.
d) Sachliche Steuerpflicht
Nach § 7 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes wird als Schenkung definiert jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine Schenkung liegt aber nicht nur in der Übereignung von Sachen, sondern auch in der Gewährung eines anderen Vermögensvorteils, zB die unentgeltliche Wohnungsüberlassung oder der Erlass von Forderungen.
BEISPIEL: Eltern haben ihrem Kind ein Darlehen in Höhe von 30.000 EUR gewährt. Irgendwann verzichten sie auf die Rückzahlung. In dem Verzicht liegt eine Schenkung. Eine Schenkung liegt auch dann vor, wenn der Schenkungsvorteil nicht direkt vom Schenker kommt. Übertragen zum Beispiel Eltern der Tochter einen Bauplatz im Werte von 100.000 EUR und verpflichten dieses Kind, einen Ausgleich in Höhe von 50.000 EUR an ihren Bruder zu zahlen, dann liegt schenkungsteuerlich in Höhe von 50.000 EUR eine Schenkung der Eltern an ihren Sohn vor.
2. Steuervergünstigungen
a) Familienheim
Keiner Besteuerung unterliegt die Zuwendung eines Familienheimes unter Ehegatten. Zum Familienheim gehört nicht nur das Einfamilienhaus, sondern auch eine von den Eheleuten selbst genutzte Eigentumswohnung. Steuerbefreit ist auch die Hingabe eines Geldbetrages an einen Ehegatten, um ein Familienheim im Sinne des Gesetzes zu kaufen. Schenkt also der Ehemann seiner Ehefrau 600.000 EUR, damit diese am neuen ersten Wohnsitz in München eine Eigentumswohnung kauft, löst diese Schenkung keine Steuern aus. 6Allerdings wird das Finanzamt prüfen, ob die Wohnung tatsächlich gekauft wurde und ob der Wohnungskauf auch Kosten in Höhe von 600.000 EUR ausgelöst hat. Die vom Gesetz verlangte Selbstnutzung schließt auch die Nutzung einer Garage und Nebenräume ein. Die Nutzung auch zu anderen als Wohnzwecken ist unschädlich, wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist, zum Beispiel durch die Nutzung eines Arbeitszimmers. Die unentgeltliche gewerbliche oder...