2 Einführung von Case Management bei einem freien Träger der ambulanten Pflege und Eingliederungshilfe
Denise Lehmann
1 Einleitung
2 Vorstellung des Trägers sowie der Zielgruppe
2.1 Die Persönliche Assistenz
2.2 Gründe und Ziele für die Implementierung beim Träger
3 Vorbereitungsphase der Implementierung
4 Ergebnisse der Implementierungsvorbereitung
4.1 Organisationsaufbau
4.2 Stellenbeschreibung und personelle Besetzung
4.3 Öffentlichkeitsarbeit
4.4 Besprechungsstruktur
4.5 Allgemeine Kommunikationsabläufe mit Beteiligung des CM
5 Anwendung von Case Management in der Fallarbeit
5.1 Funktionen im CM
5.2 Phase 1 – Intake (Fallannahme, Fallaufnahme)
5.3 Phase 2 – Assessment (Einschätzung, Erhebung)
5.4 Phase 3 – Planung
5.5 Phase 4 – Linking (Durchführung, Vernetzung)
5.6 Phase 5 – Monitoring (Prozessbeobachtung)
5.7 Phase 6 – Evaluation (Auswertung)
6 Erfahrungsbericht bezüglich der Implementierungsvorbereitung
7 Reflexion der Umsetzung
7.1 Organisationsbezogener Erfahrungsbericht
7.2 Fallbezogener Erfahrungsbericht
8 Empfehlungen für die Implementierung im eigenen beruflichen Kontext
Literatur
1 Einleitung
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In den nachfolgenden Ausführungen stehen Implementierungserfahrungen im Bereich der ambulanten Pflege und Eingliederungshilfe mit dem Fokus auf die Einführung von Case Management (CM) im eigenen Unternehmen. Wie bereits an anderer Stelle dargestellt26, bezieht sich dieser Bericht auf die Implementierung von CM bei der Phönix – Soziale Dienste – gemeinnützige GmbH, ein Unternehmen des Sozial- und Gesundheitswesens. Im Gegensatz zur früheren Publikation bezieht sich diese deutlich ausführlicher auf die konkrete Vorgehensweise der Vorbereitung und Ausgestaltung von CM beim Träger und weniger auf die Wahrnehmung der Methode von den unterschiedlichen, trägerinternen Professionen.
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Dabei sollen einerseits Hinweise und Empfehlungen für die organisationsbezogene Vorgehensweise bei der Implementierung und andererseits Impulse für die inhaltliche Umsetzung und Anwendung des Case Managements gegeben werden. Der Beitrag soll Entscheidungsträgern und Ausführenden sowie mit der Konzeptionierung und Implementierung beauftragten Mitarbeitern, Anregungen und Orientierung bieten für die Einführung und inhaltliche Ausgestaltung von Case Management.
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Als Sozialarbeiterin war ich bei der Phönix – Soziale Dienste – gGmbH, einem Pflegedienst mit verschiedenen Fachbereichen der ambulanten Pflege sowie einem Träger der Eingliederungshilfe, tätig. Aus persönlichem Interesse strebte ich eine Weiterbildung zur DGCC-zertifizierten Case Managerin an. Im Vorfeld dieser nahm ich Kontakt zur Geschäftsführung des Trägers auf. Ohne sehr ausführlich über Inhalte und den unternehmensbezogenen Nutzen im Detail gesprochen zu haben, erhielt ich die Unterstützungszusage der Geschäftsführung.
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Von Beginn an bestätigte sich mein Eindruck, dass mit Hilfe des Handlungskonzepts Case Management einige Herausforderungen sowie Unzufriedenheit bezüglich gewissen Themen zu mildern, wenn nicht gar zu lösen waren. Die im Zusammenhang mit der Weiterbildung geforderte Abschlussarbeit nutzte ich für vorbereitende Überlegungen zur Gestaltung von Case Management in dem Unternehmen. Diese Abschlussarbeit war die Grundlage für mehrere Gespräche mit der Geschäftsführung und letztlich die Entscheidung zur Implementierung von Case Management. Abschließend erhielt ich im Jahr 2008 den Auftrag, ein Konzept zur Einführung von Case Management in diesem Unternehmen zu entwickeln.
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Inzwischen arbeite ich hauptberuflich als Leiterin eines Krankenhaus-Sozialdienstes und seit einigen Jahren deutschlandweit als DGCC-zertifizierte Case Management-Ausbilderin. In der Funktion als Case Management-Ausbilderin erlebe ich regelmäßig, dass Vorgesetzte von TeilnehmerInnen erwarten, dass diese spätestens nach der Weiterbildung in der Lage sind, Case Management im Unternehmen einzuführen, ohne dass ein inhaltlicher Austausch zur konkreten Ausgestaltung zwischen Leitungsebene und MitarbeiterInnen erfolgt. Nicht selten wächst bei diesen TeilnehmerInnen im Verlauf des Kurses immer stärker das Bewusstsein, dass dem eigenen Vorgesetzten beziehungsweise Auftraggeber nicht klar ist, wie umfassend das Handlungskonzept Case Management inhaltlich ist und welche Auswirkungen auf die Fall- und Systemebene damit verbunden sind. Ferner ist oftmals nicht im vollen Umfang bekannt, dass für eine erfolgreiche Implementierung Ressourcen zur Verfügung gestellt werden müssen – insbesondere am Anfang. Des Weiteren fällt es einzelnen TeilnehmerInnen oft schwer, den Transfer vom theoretischen Konzept hin zur konkreten Umsetzung im eigenen beruflichen Kontext zu gestalten.
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Meine folgenden Ausführungen sollen daher beispielhaft darstellen, unter welchen Voraussetzungen sich die Implementierung von Case Management für den Erfolg eines Unternehmens lohnen kann. Anschaulich und praxisbezogen wird aufgezeigt, wie CM bei der inhaltlichen Entwicklung im eigenen Unternehmenskontext ausgestaltet werden kann, indem einige entwickelte Dokumente sowie das damalige Vorgehen dargestellt werden.
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Besonderer Dank gilt meinem ehemaligen Chef Andreas Wolter für die Freigabe, sehr transparent und detailreich von unseren Ideen und der konkreten Umsetzung zu schildern.
2 Vorstellung des Trägers sowie der Zielgruppe
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1987 als Verein in Berlin gegründet und zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich tätig in der Leistung von Persönlicher Assistenz, wurde der Träger mit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 zur gemeinnützigen GmbH umgewandelt. Ab 2001 folgte die Konzeptentwicklung und Zulassung für das Betreute Einzelwohnen (BEW) gemäß §§ 53 ff. SGB XII. Es bestanden somit seitdem zwei Fachbereiche mit jeweils gesonderten Leistungs- bzw. Rahmenverträgen mit dem Land Berlin. Es sind auch aktuell über hundert MitarbeiterInnen in Berlin beschäftigt, ein dritter Fachbereich ist dazugekommen. Ziel der Arbeit der Phönix – Soziale Dienste – gGmbH ist es, eine bedarfsgerechte Versorgung pflegebedürftiger und körperbehinderter Menschen anzubieten.
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Der Tätigkeitsschwerpunkt liegt nach wie vor in der assistierenden Begleitung im Rahmen der Persönlichen Assistenz, diese ist an erster Stelle im Leistungskomplex 32 (LK 32) des Landes Berlin geregelt. Der zweite Schwerpunkt liegt in der ambulanten pädagogischen Begleitung im Rahmen des BEW. Die Leistungen werden für vorwiegend körperlich, schwerstmehrfach behinderte Menschen zwischen 25 und 65 Jahren mit neurologischen Krankheitsbildern wie Multipler Sklerose, Amyotropher Lateralsklerose, Muskeldystrophien, Spastiken, Epilepsien und frühkindlichen Hirnschäden erbracht. Die KlientInnen sind zudem zum Teil zusätzlich von psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Psychosen betroffen.
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Zum Zeitpunkt meiner Weiterbildung und der Implementierung von Case Management gab es folgende Leistungs- bzw. Fachbereiche beim Träger:
- Persönliche Assistenz (bis zu 24 Stunden täglich im eigenen Wohnraum oder einer Wohngemeinschaft)
- Heimbeatmung (24-Stunden-Beatmung im eigenen Wohnraum)
- Häusliche Krankenpflege (z. B. Medikamentengabe, Verbandswechsel)
- Häusliche Pflege (klassische Grundpflege)
- Betreutes Einzelwohnen als Maßnahme der Eingliederungshilfe gem. § 53 ff. SGB XII
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Krankheitsbedingt erhielten viele KlientInnen Leistungen von bis zu drei unterschiedlichen Fachabteilungen des Trägers, zum Beispiel Heimbeatmung und Betreutes Einzelwohnen (BEW) oder Persönliche Assistenz, Häusliche Krankenpflege und BEW. Dadurch waren KlientInnen oftmals mit etlichen trägerinternen AnsprechpartnerInnen konfrontiert – jeweils einer Fachbereichsleitung/Abteilungsleitung und unterschiedlichen MitarbeiterInnen in den einzelnen Teams.
2.1 Die Persönliche Assistenz
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Die Möglichkeit der Persönlichen Assistenz besteht zwar schon seit einigen Jahren im Land Berlin, bleibt jedoch teilweise aus mangelndem Bekanntheitsgrad ungenutzt. Da die Persönliche Assistenz einen Schwerpunkt des Leistungsspektrums des Trägers darstellt, soll dieses Modell nachfolgend näher vorgestellt werden.
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Das Berliner Leistungskomplexsystem wurde im Jahr 1996 aufgrund einer Initiative von Menschen mit Behinderung um den LK 32 ergänzt27. Nach Einführung der Pflegeversicherung basierte diese Leistung auf einem dreiseitigen Rahmenvertrag zwischen dem Land Berlin, den Pflegekassen sowie sozialen Diensten. Ziel war und ist es, eine alternative Lebens- und Versorgungsform zu finden, die trotz körperlicher Einschränkungen bzw. Behinderung eine individuelle Lebensführung ermöglicht.
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Persönliche Assistenz dient somit der eigenständigen Gestaltung des Alltags in einer selbstgewählten Umgebung. Im...