Der Begriff Industrie 4.0 ist eine Wortschöpfung, deren Ursprung auf den gleichnamigen Arbeitskreis eines Forschungsprojekts der Forschungsunion zurückgeht, der im Rahmen der Hightech-Strategie der Bundesregierung gefördert wurde. Häufig wird in diesem Zusammenhang von einer industriellen Revolution gesprochen, die gerade beginne, und genauer betrachtet sei dies die vierte industrielle Revolution nach jenen durch die Computer- und Kommunikationstechnik, die Elektrifizierung sowie Erfindung der Dampfmaschine bewirkten industriellen Revolutionen (BMBF 2012: S. 11).
Die intelligente Fertigung stellt die Keimzelle der unter Industrie 4.0 bevorstehenden Veränderungen dar. Die weiter voranschreitende Computerisierung der Produktionstechnik geht über in die Virtualisierung der Fertigung. Maschinen und ganze Fabriken werden mittels digitaler Werkzeuge am Computer entworfen und sind damit vollständig digital beschrieben. Die durchgängige Vernetzung ermöglich zudem jederzeitigen Zugriff und Auskunft über jede einzelne Komponente eines komplexen Fertigungsprozesses (Geisberger 2012: S. 54). Die Kommunikationstechnik wird durch den stetigen Ausbau der Mobilfunk- und Nahbereichsfunknetze, wie bspw. WLAN, immer flexibler einsetzbar.
Die aktuelle industrielle Revolution ist dabei im Wesentlichen durch die folgenden Punkte charakterisiert:
Digitalisierung
Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen
Automatisierung der Produktion
Mobile Kommunikationstechniken
Vernetzung von Menschen, Gütern und Maschinen im Internet der Dinge und Dienste
Dezentralisierung von Arbeit und Produktion
Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie wurden Studien und die bereits weiter oben genannten Handlungsempfehlungen im Rahmen der Hightech-Strategie vorgelegt, die aktuell das öffentliche Verständnis von Industrie 4.0 prägen. Dabei ist die Bezeichnung Industrie 4.0, wie bereits eingangs erwähnt, eine rein deutschsprachige Wortschöpfung, die sich nur zögerlich über die Landesgrenzen hinaus verbreitet. Dies liegt darin begründet, dass Deutschland als Weltmarktführer im Bereich des Anlagen- und Maschinenbaus eine gewisse Leitfunktion zugesprochen wird und der Begriff in den Medien weite Verbreitung gefunden hat. Zunehmend wird Industrie 4.0 auch als Marketingbegriff in der Produktwerbung eingesetzt während er parallel in einer stetig steigenden Anzahl von Studien und Fachartikeln sukzessive in der seiner Bedeutung klarer definiert wird. Neben der häufigen Nennung in den Massenmedien greifen gerade die Fach- und Regierungspublikationen den Begriff der Industrie 4.0 als thematische Klammer auf. In den wissenschaftlichen Einrichtungen, wie den Fraunhofer-Instituten und den Hochschulen (vorwiegend in der Produktionsforschung und Logistik), wird der Begriff ebenso verwendet und diskutiert. Damit erscheint eine künftige starke Verbreitung und Akzeptanz des Begriffs Industrie 4.0 und die Einordnung in eine Theorie der Logistik durchaus realistisch (BMBF 2012: S. 10).
Kern von Industrie 4.0 ist die Smart Factory (intelligente Fabrik). Keimzelle der Smart Factory ist die Fertigung, die durch die zunehmende Computerisierung in den vergangenen Jahren intelligent und Bestandteil vernetzter Infrastrukturen geworden ist. Diese sogenannten cyber-physikalischen Systeme (CPS), die eine globale Vernetzung der intelligenten Fabriken ermöglichen und die Konzepte der digitalen Fabrik laufen zusammen mit dem Ansatz der Smart Factory und stellen damit die eigentliche Neuerung der industriellen Revolution im Blickpunkt der Produktionstechnik dar (Bauer et al. 2014: S. 24). CPS verbinden die virtuelle Welt (cyber) mit der realen Welt (physisch). Cyber-physische Systeme bilden in der Produktion intelligente Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel, die autonom Informationen austauschen, Tätigkeiten auslösen und sich gegenseitig selbstständig steuern. Sie schaffen intelligent vernetzte Fabriken und Wertschöpfungsketten, die eine flexiblere, effizientere und kundenindividuellere Produktion ermöglichen. Die Vernetzung aller Elemente der Automatisierungstechnik (Aktorik, Sensorik, Steuerungs- und Peripheriegeräte) über Netzwerktechnologien ermöglichen diese intelligente Produktion. Sensoren können jederzeit an jede Stelle ihre Meldungen geben, Aktoren können direkt adressiert und mit Steuerungsbefehlen beschickt werden. Maschinen können damit aus der Ferne konfiguriert und kurzfristig für den jeweiligen Anwendungszweck eingerichtet werden, ohne dass es hierzu eines manuellen Eingriffs direkt an der Maschine bedarf (Bracht et al. 2011: S. 11).
Während der Begriff vierte industrielle Revolution eine globale, also bereichsübergreifende Beschreibung vornimmt, reduziert der Begriff Industrie 4.0 den Fokus auf die Fertigungstechnik. Die aus dem Wandel in der Fertigungstechnik induzierten Veränderungen werden dann in den Teilkonzepten mit dem Zusatz Smart beschrieben. Dabei ist die Darstellung uneinheitlich. Häufig wird bei der Begriffsverwendung von Industrie 4.0 auf die Definition der Plattform Industrie 4.0 Bezug genommen. Diese sieht den Begriff Industrie 4.0 als Synonym für die vierte industrielle Revolution, bleibt in der Ausführung dann aber auf die Fertigungstechnik und die Organisation der Wertschöpfung fokussiert. Danach stellt Industrie 4.0 einen konzeptionellen Ansatz zur Organisation und Steuerung der Wertschöpfungskette zur Realisierung von individuellen Kundenwünschen dar. Diese Organisation erfolgt durch die Vernetzung von „Menschen, Objekten und Systemen“ (Plattform Industrie 4.0, 2013). Dabei bleiben Betrachtungen der gesellschaftlichen und politischen Aspekte zunächst außen vor. Gleichwohl erfordert die vierte industrielle Revolution auch Veränderungen in der Gesellschaft, bspw. im Bildungswesen. Da die revolutionären Veränderungen aber ihren Ursprung in der Produktion haben, verwundert diese Fokussierung zunächst nicht. Anzunehmen ist, dass sich die ebenfalls davon berührten Bereiche wie die Technik-, Sozial- sowie die Arbeitswissenschaften dieser Thematik ebenfalls annehmen werden, um Lösungen für die insgesamt auftretenden Herausforderungen zu entwickeln. Es ist also nicht auszuschließen, dass sich im Verlaufe dieses Prozesses noch neue Begriffe bilden und ggfs. neben die bereits bekannten Bezeichnungen treten werden (Spath et al. 2013: S. 6.).
Im Rahmen vorliegender Arbeit beschreibt daher der Begriff der industriellen Revolution die globalen, bereichsübergreifenden Veränderungen, während sich der Begriff Industrie 4.0 auf die Beschreibung der Veränderungen in der industriellen Wertschöpfung konzentriert. Unter dem Begriff Industrie 4.0 wird daher die zunehmende Computerisierung und Digitalisierung der industriellen Wertschöpfung verstanden, in der cyber-physikalische Systeme die Basis der intelligenten Produktion beschreiben. Wesentliches Kennzeichen von Industrie 4.0 ist die Aufhebung starrer und zentral deterministisch geplanter Produktionsabläufe zugunsten selbstorganisierter Prozesse. Eine industrielle Fertigung nach der Definition der Industrie 4.0 ist vollständig digital abgebildet und dabei vertikal und horizontal vollständig integriert.
Die Umsetzung von Industrie 4.0 hat Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette. Die intelligente Vernetzung führt zu einer verstärkten Integration aller beteiligten Akteure. Diese Vision der Produktion der Zukunft lässt sich anhand von drei wesentlichen Merkmalen näher beschreiben. Diese verbindet ein gemeinsames Merkmal: Der Steuerungsprozess kann in Echtzeit erfolgen (Kagermann et al. 2013: S. 6).
Abbildung 1: Echtzeit als wesentliches Merkmal von Industrie 4.0
(Quelle: Eigene Darstellung)
Das erste Merkmal ist die horizontale Integration über Wertschöpfungsnetzwerke. Sie bezeichnet eine Vernetzung aller Prozessschritte in der Wertschöpfungskette. In der Produktion werden beispielsweise Eingangslogistik, Fertigung, Ausgangslogistik und Vertrieb sowie nachgelagerte Dienstleistungen zu einer durchgängigen Lösung verbunden. Diese Verknüpfung macht aber nicht vor den Unternehmensgrenzen halt, sondern bezieht auch Zulieferer, Kunden und andere externe Partner mit ein. Die Wertschöpfungskette transformiert sich zu einem Wertschöpfungsnetzwerk. Dieses besteht aus vielen autonom agierenden Teilnehmern. In einer vollständig umgesetzten Industrie 4.0 sind verschiedene Betriebe, Lieferanten, externe Partner, Kunden und sogar die Stromversorgung einbezogen. Die Verarbeitung von Material-, Energie- und Informationsflüssen kann einheitlich erfolgen. Flexibilität und Ressourceneffizienz werden sich durch die umfassende Vernetzung erheblich zu verbessern. Jedoch stehen diesen hoffnungsvollen Verheißungen noch viele Fragen gegenüber. Die fehlende Standardisierung hinsichtlich der unternehmensübergreifenden Vernetzung oder der Schutz des Wissens bzw. des Eigentums in solchen Szenarien sind...