V. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren
1. Insolvenzschuldner und Insolvenzfähigkeit
a) Grundlegendes
13 Die Frage, welchen Rechtsträgern das Insolvenzverfahren eröffnet ist, regelt § 11 InsO. Insolvenzfähigkeit ist eng verbunden mit der Rechtsfähigkeit und, im prozessualen Sinne, der Parteifähigkeit (§ 50 ZPO).
14 Die Insolvenzfähigkeit wird – neben den in diesem Buch nicht behandelten natürlichen Personen – auch den nachfolgend einzeln angeführten Rechtsträgern zugesprochen.
b) Insolvenzfähigkeit einzelner Rechtsträger
aa) Juristische Personen
(1) Insolvenzfähigkeit juristischer Personen – Grundlegendes
15 Juristische Personen sind gemäß § 1 Abs. 1 InsO grundsätzlich insolvenzfähig ab ihrer konstitutiven Eintragung in das Register (vgl. §§ 41 Abs. 1, 278 Abs. 3 AktG; § 11 Abs. 1 GmbHG; § 13 GenG; § 21 BGB; zu den Ausnahmen siehe Ausführungen zur jeweiligen Rechtsform).
16 Wurde bereits vor Eintragung Gesellschaftsvermögen als Sondervermögensmasse eingerichtet und hat die Gesellschaft ihre Tätigkeit bereits aufgenommen handelt es sich um eine
Vorgesellschaft, die ebenfalls Insolvenzfähigkeit besitzt.
5) 17 Die Insolvenzfähigkeit dauert fort, solange die Verteilung des Vermögens nicht vollzogen ist (gemäß § 11 Abs. 3 InsO).
6) Liquidationsgesellschaften im Stadium der Abwicklung sind insolvenzfähig bis zur Vollbeendigung mit Vermögenslosigkeit. Die Löschung der Gesellschaft im Register ist unerheblich.
7) 18 Die Insolvenzfähigkeit ergibt sich insbesondere für folgende, in der Praxis relevante juristische Personen:
(2) Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
19 Die Insolvenzfähigkeit der GmbH ergibt sich aus der Stellung als eigenständiger Rechtsträger heraus; sie kann selbstständig Träger von Rechten und Pflichten sein, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden (§ 13 Abs. 1 GmbHG). Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gesellschaftsgläubigern nur das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG).
20 Gleiches gilt für die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)/UG (haftungsbeschränkt) (vgl. § 5a GmbHG). Eine solche Rechtsform liegt dem Grund nach vor, wenn das Mindeststammkapital von 25.000 € (§ 5 Abs. 1 GmbHG) unterschritten wird (§ 5a Abs. 1 GmbHG).
21 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt regelmäßig einen Auflösungsgrund dar (§vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). Die Auflösung leitetet die Abwicklungs-/Liquidationsphase der Gesellschaft ein und ist nicht gleichbedeutend mit deren Ende der Existenz. Insbesondere kann das Fortbestehen unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Ziel der Sanierung beschlossen werden (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG).
22 Die GmbH und die UG (haftungsbeschränkt) werden durch den Geschäftsführer, den gesetzlichen Vertreter, vertreten (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG; vgl. § 6 GmbHG). Der Geschäftsführer wird von den Gesellschaftern der GmbH durch Beschluss der Gesellschafterversammlung bestimmt (§§ 45, 46 Abs. 1 Nr. 5, 47, 48 GmbHG). Die Gesellschafter können im Außenverhältnis nicht rechtswirksam für die GmbH auftreten. Handlungsfähig wird die Gesellschaft nur durch den Geschäftsführer; die Willensbildung indes obliegt den Gesellschaftern (vgl. §§ 45, 46 GmbHG).
(3) Aktiengesellschaft (AG)
23 Eine AG besitzt Insolvenzfähigkeit ob Ihrer Klassifizierung als Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, für deren Verbindlichkeiten den Gesellschaftsgläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet (§ 1 Abs. 1 AktG).
24 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist ein gesetzlicher Auflösungsgrund, der die als Regelfalls vorgesehene Liquidationsphase einläutet (vgl. auch § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG), sofern eine Sanierung nicht möglich ist.
25 Gesetzlicher Vertreter der AG ist der Vorstand (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AktG).
(4) Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA)
26 Eine KGaA ist als Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, bei der mindestens ein Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern unbeschränkt haftet (persönlich haftender Gesellschafter) und die übrigen an dem in Aktien zerlegten Grundkapital beteiligt sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften (Kommanditaktionäre), ebenfalls insolvenzfähig (§ 278 Abs. 1 AktG). Obwohl sie Merkmale einer Personengesellschaft aufweist, ist die KGaA eine juristische Person.
27 Die gesetzliche Vertretung obliegt dem persönlich haftendenden Gesellschafter/Komplementär (§ 278 Abs. 2 AktG i. V. m. §§ 161 Abs. 2, 114 HGB).
(5) Genossenschaft (e. G.)
28 Eine Genossenschaft ist als Gesellschaft ebenfalls rechtsfähig und damit insolvenzfähig (vgl. § 17 GenG). Das Statut der Genossenschaft kann eine Nachschusspflicht der einzelnen Mitglieder vorsehen für den Fall, dass die Gläubiger der Gesellschaft nicht voll befriedigt werden (§ 6 Nr. 3 GenG; vgl. zur Bestimmung der Haftungssumme §§ 105, 119, 121 GenG).
29 Die Genossenschaft wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst und anschließend liquidiert, es sei denn, die Fortsetzung realisiert die Sanierung (§ 101 BGB).
30 Die Genossenschaft wird durch den Vorstand vertreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 GenG).
(6) Eingetragene Vereine (e. V.)
31 Eingetragene Vereine, die nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sind, sind rechtsfähig nach Eintragung im Vereinsregister (§§ 21, 22 BGB). Als Träger von Rechten und Pflichten sind sie insolvenzfähig.
32 Der Verein wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst und anschließend liquidiert, es sei denn, über die Fortsetzung wurde beschlossen (§ 42 Abs. 1 BGB).
33 Das Vertretungsorgan des Vereins ist der Vorstand (§ 26 BGB).
(7) Nicht rechtsfähige Vereine
34 Für nicht rechtsfähige Vereine (§ 54 BGB) bestimmt § 11 Abs. 1 Satz 2 InsO die Insolvenzfähigkeit. Der Verein ist insoweit einer juristischen Person gleichgestellt. Die Haftung der einzelnen Mitglieder ist zumeist kraft Satzung oder stillschweigend auf den Anteil am Vereinsvermögen beschränkt.
8) 35 Der nicht rechtsfähige Verein wird durch die Gesellschafter vertreten (§§ 54, 709 BGB).
(8) Stiftungen
36 Stiftungen sind ab der Begründung durch Anerkennung durch die zuständige Landesbehörde (§ 80 BGB) insolvenzfähig i. S. v. § 11 Abs. 1 InsO.
9) Die Vorstiftung ist nicht insolvenzfähig.
10) 37 Der Stiftungsvorstand bildet das Vertretungsorgan (§§ 86, 26 BGB).
(9) Juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 12 InsO)
38 § 12 InsO definiert Ausnahmen der Insolvenzfähigkeit für juristische Personen des öffentlichen Rechts, des Bundes und der Länder.
39 Die Insolvenzfähigkeit politischer Parteien und Gewerkschaften ist hingegen anerkannt.
11) bb) Personengesellschaften
(1) Insolvenzfähigkeit von Personengesellschaften – Grundlegendes
40 Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit sind ab Aufnahme ihrer Tätigkeit insolvenzfähig, soweit sie in § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO aufgeführte gesamthänderisch gebundene Sondervermögensmassen darstellen.
41 Soweit Registereintragungen gesetzlich vorgesehen, aber noch nicht erfolgt sind (siehe z. B. für die OHG § 123 Abs. 1 HGB und für die KG §§ 123 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB), ist dies für die Frage der Insolvenzfähigkeit nicht von Bedeutung, da die BGB-Gesellschaft (GbR) insolvenzfähig ist (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO).
42 Ist die Gesellschaft aufgelöst, besteht die Insolvenzfähigkeit bis zur Beendigung der Verteilung des Vermögens fort (§ 11 Abs. 3 InsO).
43 Im Einzelnen ergibt sich die Insolvenzfähigkeit für folgende Rechtsformen:
(2) Offene Handelsgesellschaft (OHG)
44 Die OHG (§ 105 HGB) ist gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO insolvenzfähig.
45 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist ein gesetzlicher Auflösungsgrund, der die Liquidationsphase einleitet, es sei denn, die Sanierung soll im Wege der Fortsetzung realisiert werden (vgl. § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB).
46 Die OHG wird durch den zur Vertretung ermächtigten Gesellschafter vertreten (§ 125 Abs. 1 HGB).
(3) Kommanditgesellschaft (KG)
47 Die Insolvenzfähigkeit der KG (§ 161 HGB) ist ausdrücklich in § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO festgeschrieben.
48 Die KG wird durch die Eröffnung des...