stereotyp [aus gleichbed. fr. stéréotype, eigtl. „mit feststehenden Typen gedruckt“,vgl. Type]:
1. feststehend, unveränderlich ;
2.ständig [wiederkehrend]; leer, abgedroschen[3]
Ein kleiner Exkurs in die Welt der Stereotype ist für meine Ausführungen unerlässlich da jene in allen Bereichen unseres Lebens existent sind und somit auch großen Einfluss auf die Interaktionsmuster im stationären Altenhilfebereich haben.
Bei meinen Erklärungen werde ich mich maßgeblich an dem Buch „Bilder des Alters“ von Sigrun-Heide Filipp und Anne-Kathrin Mayer orientieren. Interessierten Lesern kann ich dieses Werk zur Lektüre uneingeschränkt weiterempfehlen, da darin Altersstereotype und intergenerationale Beziehungen aus jedem erdenklichen Blickwinkel untersucht und vorgestellt werden.
Stereotype wurden bereits 1922 von Lippmann als „Bilder in unseren Köpfen“ interpretiert, zeitgleich begann die diesbezügliche Forschungstätigkeit.
Sie stellen mentale Repräsentationen (=Bilder) sozialer Gruppen dar, in Form von Vorstellungen der für eine Gruppe typischen Eigenschaften (zum Beispiel „die Franzosen sind ein genussvolles Volk“) oder über die Verteilung und Ausprägung ausgewählter Eigenschaften innerhalb dieser Gruppe. Allein schon die subjektiv empfundene Wahrscheinlichkeit, mit der Vertreter einer Gruppe bestimmte Eigenschaften aufweisen, begünstigt Stereotypisierungen.
Stereotype sind gekennzeichnet durch ein Höchstmaß an Subjektivität. Typische soziale Rollen, Verhaltensformen und biographische Verlaufsmuster werden in ihnen erfasst und sie enthalten Beispiele, die als Vergleichsobjekte bei der Wahrnehmung und Kategorisierung von Personen verwendet werden. Wesentliches Merkmal ist, dass sie sehr stark änderungsresistent sind.
Gründe hierfür:
- Stereotypgeleitete Urteile werden meistens durch „second hand“-Daten ermittelt. Originaldaten werden seitens des Urteilers meist nicht in Erwägung gezogen, können also auch nicht zur Korrektur dienen; eine „Überprüfung“, inwiefern die Stereotype angemessen sind, findet somit weitestgehend nicht statt.
- Die Kosten möglicher falscher Stereotypen werden als gering angesehen, es besteht eine große soziale Distanz zu den entsprechenden „Rolleninhabern“ und somit keine Notwendigkeit, die Stereotype im Umgang mit konkreten Personen zu revidieren.
- Die Aufmerksamkeit der beurteilenden Person wird selektiv auf die mit dem Stereotyp zu vereinbarenden Informationen gelenkt (stereotypkongruentes Verhalten).
Andere Informationen werden „ausgefiltert“ und als unglaubwürdig abgestempelt.
Abgrenzung zwischen Vorurteilen und Einstellungen:
Einstellungen spiegeln innere Richtungs- und Verhaltensweisen gegenüber sozialen und nicht-sozialen Sachverhalten dar, Stereotype und Vorurteile beziehen sich ausschließlich auf soziale Gruppen.
Vorurteile sind rein gefühlsmäßige, eindeutig negative Stellungnahmen. An dieser Stelle möchte ich ein Zitat aus „Bilder des Alters“ anführen: „(Vorurteile sind eine) ablehnende oder feindselige Haltung gegenüber einer Person, die zu einer Gruppe gehört, einfach deswegen, weil sie zu dieser Gruppe gehört und deshalb dieselben zu beanstandenden Eigenschaften haben soll, die man dieser Gruppe zuschreibt“[4]
Somit sind Vorurteile durch den affektiven (=gefühlsbetonten) Aspekt bestimmt, Stereotype umfassen vor allem kognitive (=die Erkenntnis betreffen) Bestandteile und beinhalten nicht selten negative und positive Elemente.
An dieser Stelle möchte ich kurz vier unterschiedliche Perspektiven vorstellen, die als Erklärungsansätze für die Entstehung von Stereotypen dienen. Sie sind im Rahmen der Stereotypenforschung entwickelt worden und betrachten den Kontext aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
Die sozialpsychologische Perspektive
Jene Perspektive betont die kulturelle Verankerung von Stereotypen und ihre Funktion für das Individuum als Mitglied sozialer Gruppen.
Stereotypen besitzen hierbei die Funktion, die soziale Identität des Einzelnen zu sichern und seine Integration in die eigenen Gruppe und Anerkennung durch die eigene Gruppe zu gewährleisten. Des weiteren dienen sie der Stabilisierung und Erhöhung des kollektiven und individuellen Selbstwertgefühls. Je umfangreicher außenstehende Gruppen (sogenannte „out-groups“) stereotypisiert werden, desto stärker erfolgt eine Aufwertung der eigenen Gruppe und der eigenen Person
Die konflikttheoretische Perspektive
Dieser Erklärungsansatz betont die Abgrenzung der eigenen Gruppe von anderen Gruppen im Wettbewerb um begrenzte Ressourcen. Stereotype dienen der Aufrechterhaltung dieser Abgrenzung und gehen einher mit Diskriminierungen und Abgrenzungen, die die Privilegien der eigenen Gruppe rechtfertigen und verteidigen sollen. Die konflikttheoretische Perspektive bietet eine leichte Möglichkeit, um „Sündenböcke“ auszumachen, beispielsweise bei Missständen in sozialen Strukturen. Auch im historischen Kontext hat sie immer wieder zu Diskriminierungen religiöser und ethnischer Gruppen geführt.
Die motivationspsychologische Perspektive
Im Rahmen dieses Ansatzes steht nicht die Gruppe, sondern das Individuum selbst im Mittelpunkt. Stereotypisierungen dienen der Abwehr von Angst, Selbstunsicherheit und Gefühlen der Unterlegenheit („Angstabwehrhypothese“). Stereotypgeleitete Urteile über alte Menschen beispielsweise resultieren somit aus der Furcht vor dem eigenen Altwerden und dem Tod – die Menschen wollen sich den „Glauben an die eigene Unverwundbarkeit erhalten“ (was übrigens auch bezogen auf den Umgang mit Behinderten Gültigkeit besitzt):
„Je mehr für ein Individuum das hohe Alter eine angsterregende Situation darstellt, desto stärker und ausgeprägter wird das verwendete Altersstereotyp sein, um eine Abgrenzung zu den alten Menschen herzustellen“[5]
Die kognitionspsychologische Perspektive
Hiernach dienen Stereotypisierungen einer schnelleren Informationsverarbeitung. Stereotype helfen (wenn keine weiteren Daten vorliegen), Informationen zu strukturieren und Sicherheit im Umgang mit anderen zu erhalten. Es handelt sich somit um subjektiv entlastende (wenn auch objektiv unangemessene) Vereinfachungen, die Sicherheit vermitteln.
„Stereotype erlauben es, schnelle, klare und distinkte Aussagen über eine soziale Welt zu machen, die stets im Fluß ist“[6]
Ich werde später im Text die kognitionspsychologische Sichtweise anwenden, um eine mögliche Erklärung für die Existenz der Fülle an Stereotypen im Alltag der stationären Altenhilfe abzugeben; gerade im Bereich der Altenpflege sollte man ja einen geringen Bestand an stereotypgeleiteten Interaktionsmustern vermuten, da die Mitarbeiter täglich mit der Individualität der Bewohner konfrontiert werden und nicht auf „second hand“ Daten zurückgreifen müssen (siehe „1.1 Was versteht man unter Stereotypen?“). Das dies nicht mit der Realität übereinstimmt, werde ich noch aufzeigen.
Die Stereotypenforschung behauptet, dass Menschen starke Neigungen besitzen, sich von anderen Menschen einen Eindruck zu verschaffen und zu einem raschen Urteil zu finden.
Auf der anderen Seite versuchen Menschen, vorschnellen Urteilen bewusst entgegenzutreten - besonders dann, wenn jene Urteile gravierende Folgen (für den Urteiler oder die Zielperson) haben oder individuelle Normen oder soziale Regeln diesen unzutreffenden Urteilen entgegenstehen.
Wie erwähnt sind Stereotype, durch die unter Punkt 1.1 (siehe „Was versteht man unter Stereotypen?“) aufgeführten Gründe bedingt, in hohem Maße änderungsresistent.
Die absichtlichte Nichtbeachtung von stereotyprelevanter Informationen und die Unterdrückung stereotypgeleiteter Urteile ist mit sehr hohen kognitiven Belastungen verbunden ; Menschen sind nur bedingt in der Lage, sich nicht von Stereotypen leiten zu lassen.
Kurz möchte ich an dieser Stelle auch auf den sogenannten „rebound“-Effekt eingehen, wie er von Macrae, Bodenhausen, Milne und Wheeler (1994) im Rahmen einer Studie nachgewiesen wurde, aus der ich hier einen kurzen Auszug anführen möchte:
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