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Irland - Unser Haus im wilden Norden

Wasserschaden, Stromausfall, Windstärke 12

AutorPatricia Grotz
Verlagneobooks Self-Publishing
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783742757203
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,49 EUR
Fasziniert von Landschaft und Bewohnern entschieden wir uns für ein eigenes Haus auf der grünen Insel. Die Suche gestaltete sich langwierig, aber sehr unterhaltsam. Wir besichtigten Herrenhäuser, Schlösser, Cottages und zuweilen auch skurrile Behausungen samt ihren verschrobenen Eigentümern. Nach zwei Jahren fanden wir 'Unser Irland-Haus' und lebten wie Iren - herrlich provisorisch.

Patricia Grotz wurde 1958 in Potsdam geboren und wuchs in Berlin und München auf. Neben der Ausbildung zur Maskenbildnerin studierte sie Kunstgeschichte. Es folgte eine fünfjährige Tätigkeit an der Staatsoper in München. Ab 1984 arbeitete sie freiberuflich als Filmschaffende. Das Schreiben ist ihre Passion. Schon als Jugendliche verfasste sie Romane und Kurzgeschichten.

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Leseprobe

03. Hausbesichtigungen, vorwiegend feucht


Am folgenden Tag rief Björn an. Es gäbe am Lough Glencar, einem kleinen See in unmittelbarer Nähe, zwei kleine Häuschen einer irischen Familie, die zum Verkauf standen. Es sei zwar nicht direkt in Küstennähe, so wie wir es uns gewünscht hatten, aber einzigartig. Wir würden alle profitieren, erklärte Björn, er kümmere sich um seine Kunden, indem er neue Interessenten akquiriere und wir bekämen etwas Ausgefallenes zu sehen. Natürlich sagten wir zu. Je mehr wir besichtigen dürften, desto klarer würden sich unsere Wünsche herauskristallisieren – im Rahmen der sich bietenden Möglichkeiten.

Wir trafen uns mit Björn bei der Tankstelle nahe des Yeats Memorial an der Hauptstraße N15 und fuhren ihm hinterher. Das war gar nicht so einfach, denn Björn fuhr, als nähme er an einer Rally teil. Wie wir im Laufe der Zeit zur Kenntnis nehmen mussten, war das sein ganz normaler Fahrstil.

Es war keine lange Fahrt, für die Steigerung des Adrenalinspiegels aber ausreichend, so klein, eng und kurvig waren die Sträßchen. Peter stieg aufs Gas, um den Anschluss nicht zu verlieren. Nach zwanzig Minuten bremste Björn scharf und bog links in einen Schotterweg ein. Nun ging es steil bergauf. Wir vermuteten, uns auf der südöstlichen Seite des imposant aufragenden, 526 Meter hohen Tafelberges Ben Bulbin zu befinden. Aufgrund seiner eigenwilligen Form und seiner Schönheit war er zum Wahrzeichen Sligo's geworden und ein begehrtes Objekt für Postkartenfotos. Allerdings kannte ich ausnahmslos Aufnahmen der Westansicht, auf denen er sich majestätisch vom flachen Land in den blauen Himmel erhebt und die Sonne schillernde Farben auf seine glatten Felswände zaubert.

An dem Ort, an dem wir uns gerade aufhielten, wurde mir eher angst und bange. Der Berg wand sich an dieser Stelle nach Norden und gleich darauf wieder nach Süden. Wir fuhren, immer noch aufwärts, geradewegs in die Spalte dazwischen. Plötzlich führte der Weg ein paar Meter geradeaus und endete direkt vor einem steilen Felsmassiv, vor dem Björn sein Auto geparkt hatte. Heute war er übrigens mit einem kleinen roten Flitzer unterwegs, nicht mit dem Jeep.

Die nahen, hohen Felswände und die düstere Enge wirkten einschüchternd und bedrohlich, das diffuse Licht vermittelte das Gefühl, in dieser Klamm gefangen zu sein. Wir ließen die befremdlich anmutende Natur auf uns wirken und staunten über die landschaftliche Vielfalt der Insel.

Björn berichtete, dass der Lough Glencar einen ansehnlichen Fischbestand habe und dass man hier ohne Genehmigung angeln dürfe. Er lag auch grundsätzlich richtig mit seiner Annahme, dass dieser Umstand für Peter als Hobbyangler attraktiv war. Die Fische würden sich weiterhin gut vermehren, es machte nicht den Eindruck, als wenn sich oft ein Mensch hierher verirrte. Der kleine idyllische See jedoch, das muss fairerweise erwähnt werden, sah von oben ganz reizend aus.

Der Wohngelegenheit zugewandt bot sich uns ein skurriler Anblick: Zwei Häuschen hingen in der Steilwand. Es sah so aus, als wären sie im freien Fall zufällig hier steckengeblieben.

Zwei Iren, Brüder, wie wir erfuhren, hatten das Stück Fels an diesem ungewöhnlichen Ort geerbt und den Mut gehabt, hier zu bauen. Die beiden Männer kamen aus einem der Häuser, begrüßten uns freundlich und luden uns zunächst zu einem Rundgang um die Häuser ein. Das war eine gute Idee, die Gelegenheit dazu würde nicht günstiger werden, es regnete gerade nicht und der tiefhängende Nebel war aufgerissen und gab die Sicht auf den See frei.

Ein leises Rauschen war zu hören. Wir fragten nach. Der Glencar Waterfall befand sich in unmittelbarer Nähe. Das erklärte den permanenten Nebel, hieß aber auch, dass wir uns gar nicht auf dem Ben Bulbin, sondern auf dem Truskmore befanden, der zur gleichen Gebirgskette, den Dartry Mountains, gehört und mit seinen 647 Metern den Ben Bulbin noch überragt.

Das Wasser, das in Mengen vom Berg herunterkam, sollte mithilfe eines gemauerten, mit Abflussrohren versehenen Grabens abgeleitet werden. So richtig schien das nicht zu funktionieren. Man hätte bequem darin schwimmen können, so hoch stand das Wasser. Ja, die Eigentümer nickten, da müsse etwas gemacht werden, die Drainagen seien verstopft, das Wasser könne nicht ablaufen. Peter und ich blickten den steilen, zugewachsenen Hang hinab. Leicht würde diese Arbeit nicht werden.

Die Brüder zeigten nun stolz auf das riesige schiefe halbe Dreieck aus grobem Beton, das beide Häuser umgab. Es sei eine Wanne, die zusätzlich zum gemauerten Graben als Wasserschutz dienen und die Häuser stabilisieren sollte. Für mich sah es eher aus wie eine missglückte Objektgestaltung, die dringend selbst Hilfe brauchte. Wenn man mit der Hand darüberstrich, lösten sich die Steine heraus. Das Ganze litt sichtbar unter der starken Feuchtigkeit, genauso wie das Innere der Häuser.

An dieser Stelle nun wies Björn, nach Aufforderung der beiden bedauernswerten Herren, auf den geringen Kaufpreis hin. Peter nickte und sagte:

»Dieses Haus eignet sich noch nicht einmal als Geschenk.«

Björn stutze.

»Das übersetze ich jetzt nicht, oder?«

»Bitte nicht«, entgegnete Peter ernst und nickte den Männern zu. »Nice.«

Aus einer Nische kamen plötzlich kratzende Geräusche, wir zuckten zusammen. Das seien nur Mäuse, beruhigten uns die Besitzer. Mit ein paar Katzen könne da schnell Abhilfe geschaffen werden. Wir fragten, warum es nicht schon welche gäbe, wenn das so einfach sei. Die beiden hatten angeblich eine Katzenallergie. Wir vermuteten vielmehr, dass sich die wasserscheuen Tiere hier oben auch nicht wohlfühlten.

Einige Male noch gingen wir durch die gut aufgeteilten Räume und wurden stets vom Fiepen der Mäuse begleitet. In der ansprechend großen Küche dann versteckten sie sich nicht einmal mehr und rannten von einer Ecke in die andere. Peter bedankte sich herzlich und schüttelte den Brüdern mitfühlend die Hand.

»We need to think about it.«

Als ich wieder im Freien war, hörte ich endlich auf zu frösteln und wandte mich an Björn:

»Das war ein Erlebnis.«

Der lachte.

»Ja, das muss man doch einfach gesehen haben hier oben, oder?«

»Unbedingt. Vorstellen könnte man sich's nicht.«

Jonas saß bereits angeschnallt im Auto. Für ihn war es eine gute Nachricht, dass wir schon wieder aufbrachen. Ihm hatte es gar nicht gefallen in den dunklen, feuchten Häusern. Er fragte, warum alle Wände rosa gestrichen seien, akzeptierte aber, dass wir keine Antwort darauf hatten. Und als wir ihm versicherten, ganz bestimmt nie wieder hierherzukommen, überlegte er mit einem entspannten Lächeln, wie viele Katzen wohl nötig wären, um die ganzen Mäuse zu fangen.

Holländer, Schweden und andere


Auf dem Rückweg, meinte Björn, könnten wir noch "beim Holländer" reinschauen, das läge direkt auf dem Weg.

Zur holländischen Familie fuhr man direkt auf einen eindrucksvoll lärmenden und Gischt versprühenden Wasserfall zu. (Es gibt in den Dartry Mountains unglaublich viele Wasserfälle.) In unmittelbarer Nähe befanden sich ein altes, traditionell gebautes cottage aus Naturstein sowie einige kleinere Nebengebäude. Das romantische Haus vor der felsigen Schlucht und dem Wasserfall wäre höchst geeignet als Filmkulisse, wie wir fanden, zum Wohnen eher nicht.

Björn hatte noch nicht genug und lotste uns weiter Richtung Sligo zu einem auf einer Anhöhe gelegenen Haus mit herrlichem Blick über den etwas größeren See Lough Gill. Dieses Haus hatte zwei Besonderheiten: Es war unterkellert und hatte einen windgeschützten Innenhof. Aber selbst das wunderschön geschnittene, riesige Wohnzimmer mit Erkern, Säulen und einem Treppenabsatz zum Kamin in der Raummitte konnte uns nicht überzeugen. Auch hier würden wir uns nicht wohlfühlen und das nicht nur, weil der Putz, innen wie außen, von allen Wänden bröckelte. Alle diese Häuser lagen in einer bedrückend einsamen Gegend.

Björn klapperte alle Grundstücke und Häuser seiner internationalen Klientel mit uns ab, die er im Angebot hatte und die im Umkreis von fünfzig Kilometern lagen. Das waren im Verhältnis zu der dünnen Besiedelung ganz schön viele. Er führte uns, stets bestens gelaunt, zu den unterschiedlichsten netten Menschen, die alle eines gemeinsam hatten, sie wollten ihre Behausung loswerden. Nicht immer waren Dunkelheit und Nässe das Problem. Wir kamen auch bei Schweden vorbei, die ihr selbstgebautes architektonisches Meisterstück aus Krankheitsgründen verlassen mussten. Dieses Haus war trocken, aber, so viel Mühe sie sich auch gegeben hatten, man fühlte sich wie in einer Lagerhalle von Ikea.

Wie es schien, waren Menschen von überall auf der Welt hierher auf die Insel gekommen, um ihr Glück zu suchen. Offensichtlich hatten es einige nicht gefunden.

Wie auch immer es uns ergehen würde, eines war klar: Wenn wir hier ein Haus kauften, oder nur ein Grundstück, egal, wir müssten damit rechnen, es nie mehr loszukriegen.

Anmerkung:

Mitte der 90er-Jahre änderte sich die Lage: Irland zog mit seinem wirtschaftlichen Aufschwung große internationale Firmen an, die sich auf der Insel niederließen. Viele Iren, die der Armut entflohen und ausgewandert waren, kamen in ihre Heimat zurück, da es jetzt Aussichten auf einen Job gab. Die Nachfragen nach Immobilien stiegen – und mit ihnen die Preise. Schon nach wenigen Jahren konnte sich kaum ein Ire noch ein Grundstück oder ein Haus leisten....

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