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E-Book

Israel Trail mit Herz

Das Heilige Land zu Fuß, allein und ohne Geld

AutorChristian Seebauer
VerlagSCM Hänssler im SCM-Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783775173193
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
1000 Kilometer in 46 Tagen! Quer durch die Wüste. Christian Seebauer beschließt, sich dieser Herausforderung zu stellen. Das Experiment: Er will den Israel National Trail - kurz Israel Trail - laufen, ohne einen einzigen Cent auszugeben. Das Ziel: An seine körperlichen und mentalen Grenzen zu gehen. Entschleunigen, sich Zeit nehmen. Nur mit Karte und Rucksack ausgestattet macht er sich auf den Weg. Temperaturen bis zu 35 Grad, endlose Weiten, atemberaubende Naturphänomene. Ein fesselnder Reisebericht über eine Reise zu sich selbst. Inklusive 16-seitigem Bildteil.

Christian Seebauer, Jahrgang 1967, studierte Elektrotechnik mit dem Abschluss Diplom-Ingenieur und wurde dann Verwaltungsdirektor in einer großen deutschen Bankengruppe. Nach einem Burnout wanderte er den Küstenweg, die Urvariante des Jakobswegs. Seit 2000 erfüllt er seinen Lebenstraum und arbeitet selbständig als Künstler und Autor.

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Leseprobe

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Zweite Woche


Wandern wie vor 2 000 Jahren


Hinab zum See Genezareth


Etwa 20 Kilometer, 750 Meter Gesamthöhenabstieg auf etwa 200 Meter unter null. Trinkwasserverbrauch ca. 5 Liter.


Heute geht es nur bergab. Von Safed (550 m über null) werde ich dem Nahal Amud – Nahal bedeutet Tal – nach unten bis zum See Genezareth folgen. Fast jedenfalls, denn der Israel Trail wird mich nicht ganz bis zum Ufer des Sees führen. Und da sind wir wieder beim Thema: Der Israel Trail will ganz bewusst kein religiöser oder politischer Weg sein. Er will nicht spalten mit Dingen, die dem einen alles und dem anderen nichts bedeuten, oder schlimmer noch, mit Dingen, um die gestritten werden könnte, weil gleich mehrere einen Anspruch darauf erheben.

Indem sich der Weg bewusst zurücknimmt, macht er die Sinne auch frei! Während man viele Sehenswürdigkeiten in Israel zweifelsohne mit Bustouren abklappern kann, kommt man da, wo es nur Steine und Blumen und viel Zeit gibt, mit dem Bus nicht hin. Und wo bei einer geführten Tour das eine oder andere nur am Rande per Durchschieben mitgenommen wird, darf hier jeder Augenblick genossen werden. Auch gibt es hier keine Verpflichtung, sich vorzubereiten oder belehren zu lassen, vom Weg selbst einmal abgesehen. Ich muss weder etwas über Geschichte lernen, noch werde ich mit einem Kopfhörer beschallt. Hier draußen ist einfach nur die Natur, die ansonsten von mir kaum Notiz nimmt. Der ganz große Unterschied ist: Ich kann ihr zuhören und lauschen. Wenn ich möchte. Und heute bin ich ganz Ohr.

Gleich auf den ersten Metern entdecke ich eine neue Leichtigkeit im Gehen und ich fühle mich richtig wohl. Das Zwitschern der Vögel und das Zischen der Grillen scheint heute doppelt so laut zu sein wie sonst. Es hat in der Nacht kräftig geregnet und alles ist feucht, warm und dampfig. Der schmale Trampelpfad, der mich immer tiefer hinein in den Canyon führt, ist manchmal etwas glitschig. Er fordert meine volle Aufmerksamkeit, denn ausrutschen möchte ich nicht. Auf Stöcke habe ich auf meiner Reise verzichtet. Ich gehe nicht so gerne mit Stöcken. Doch hier wären sie gut. Aber auch ganz ohne Stöcke kann ich mich an allerlei Strauchwerk links und rechts festhalten. Fünf Liter Wasser schreibt mein Reiseführer für die heutige Etappe mindestens vor. Eigentlich recht viel, wenn man bedenkt, dass es ja nur ein paar Kilometer bergab geht. Doch schon jetzt, nach einer knappen Stunde, habe ich meine erste Eineinhalbliter-Flasche Wasser ausgetrunken. Bleiben nur noch dreieinhalb Liter.

Und es wird heiß, wie Shlomo schon sagte. Denn hier unten im Canyon weht kein Lufthauch mehr. Die Sonne strahlt sehr steil in das Tal hinein und die hohen Felswände sorgen da für ein ganz eigenes Treibhausklima. Zum ersten Mal bekomme ich hier unten in Anbetracht meiner nur dreieinhalb Liter Wasser ein beklemmendes Gefühl. Auch wird mir klar: Heute bist du wirklich allein. Handynetz habe ich hier unten auch nicht. Ich bin also heute früh da oben »rein« und ich komme am Nachmittag da unten wieder »raus«. Hoffe ich. Und genau jetzt treffe ich auf jemanden, der mich zu verstehen scheint. Es ist ein kleiner, gelb-schwarzer Feuersalamander, der sich in der Feuchtigkeit auf den Bergpfad herausgetraut hat. Ich sehe sein Herz schlagen und behalte ein wenig Abstand zu ihm, während ich mich bücke. Er (oder sie) ist ein wunderschönes Wesen, welches mich mit seinen Augen nun genauso intensiv anblickt wie ich ihn.

Nach meinem Treffen mit dem kleinen schönen Winzling habe ich wieder Vertrauen zum Weg geschöpft. Ein paar wenige schwierigere Stellen sind hier mit Metallgriffen oder Metallleitern gesichert. Insgesamt also auch für den Normalwanderer alles recht gut und sicher machbar. Ich bin überwältigt von dieser absolut unberührten Natur. Und das mitten in Israel, wo man sich doch auch Dürre gut vorstellen kann. Bis jetzt folge ich dieser überwältigenden Bachlaufkulisse, ohne auch nur einem einzigen Menschen zu begegnen. Die senkrechten Felswände, die das Tal einschließen, sind gut und gerne hundert Meter hoch. Jeder Fels kann hier eine lange Geschichte erzählen, wie er immer wieder gefaltet, geschichtet und geschliffen wurde. Die orangerot-beigen Wände sind überwältigend. Und doch sind sie wohl alle über und über gefüllt mit Leben. Aus jeder noch so steilen Wand ragen Büsche, Stauden und sogar kleine Bäume heraus. Die Wände scheinen durchsiebt mit Löchern und Höhlen zu sein, bestimmt ein Paradies für alle möglichen Tiere. Wer weiß schon, wie viele Augen der Wald- und Felsbewohner mich hier schon beäugt haben.

Es geht noch weiter bergab. Der schmale Pfad führt mich nun über eine weitere Metallleiter direkt nach unten zum Bachlauf. Hier ist es auch gleich richtig dunkel unter den dichten Baumkronen. Immer wieder überquert der Weg den Wasserlauf. Mal führt er links entlang, dann wieder rechts, und stellenweise geht es über größere Feldbrocken direkt den Bach entlang. Dass ich noch immer nicht einmal 6,4 Kilometer zurückgelegt haben soll, kann ich kaum glauben. Hier soll ich laut Karte die Schnellstraße 85 unterqueren, bevor ich wieder dem Tal des Amud folgen kann. Kurz vor der Straße stoße ich wieder einmal auf eine Wandertafel, die die Natur erklärt und wiederum das Engagement des KKL deutlich macht. Und ruck, zuck bin ich wieder mitten im Grünen.

Auf dieser Seite der Straße öffnet sich der Canyon ein klein wenig und ich wandere durch eine Almwiese mit Kühen. Wenige Hundert Meter weiter folge ich dann der »linken« Abzweigung in eine Sackgasse aus zwei Meter hohen Brennnesseln. »Ja, ich habe verstanden, was ihr mir sagen wollt«, murmle ich in meinen Dreitagebart, drehe mich um und gehe zur Abzweigung zurück. Fünf Minuten später kommen mir die ersten Wanderer auf dem Israel National Trail entgegen. Eine Gruppe aus fünf Jugendlichen und zwei Erwachsenen. Fast scheint es so zu sein, als hätten die Jugendlichen nicht den geringsten Spaß an dem »tollen« Bergauf-Ausflug, den ihnen wohl die Eltern aufgedrängt haben. In ihren Gesichtern lese ich das Gegenteil von Begeisterung und ihre Negativmimik scheint sich im Verlauf des Weges wohl auch auf die anfangs sicher begeisterten Eltern übertragen zu haben. Das Schuhwerk der Teenager sind wie zum Trotz Badeschlappen »Made in China«, während sich die Eltern alle Mühe gegeben haben, wie echte Bergsteiger daherzukommen. Im Moment der Begegnung denke ich mit einem inneren Grinsen »Glückwunsch, ihr seid gerade bei null angekommen!«, aber ich belasse es einfach bei einem höflichen »Schaaaloooom!«

In der Tat habe ich gerade die Meereshöhe unterschritten. Kann ich noch atmen? Ja! Aber auch in der Luft merkt man irgendwie, dass da etwas nicht stimmt. Es wird nämlich mit jedem Meter weiter nach unten stickiger und heißer. Gerade erheitert mich meine Navigationsapp am Handy, die hier »unten« plötzlich recht lustige Zahlenwerte im Höhenprofil ausspuckt. Dass es auf der Erde Punkte unter dem Meeresspiegel gibt, an denen man noch wandern kann, ohne eine Wassersäule über sich zu haben, wurde übersehen. Auf die Navigation selbst allerdings ist Verlass. Und die habe ich in den letzten Tagen immer wieder einmal zurate gezogen, um mich nicht wieder zu weit zu verlaufen. Während ich mich am Jakobsweg noch über Menschen mit Navi lustig gemacht habe, bin ich hier dann doch recht froh darüber.

Der weitere Weg beschert mir noch eine irre Kulisse, den Ha’Amud, »The Pillar«, ein riesengroßer Felsklotz, der sich da gerade über mir erhebt. Dem hätte ich gerne, wäre er nicht mindestens zwanzig Meter hoch, wie einem Schneemann eine Nase und Augen angesteckt. Später ziehen langsam dunkle Wolken auf, und es beginnt, stürmisch zu werden. Und wie stürmisch! Wie auf Kommando gießt es plötzlich in Strömen. In kürzester Zeit müssen sich meine grüne Outdoorjacke und der pinkfarbene Regenschutz für meinen Rucksack bewähren.

Trotz allem erzeugt der Regen in mir auch ein sehr intensives Gefühl der Verbundenheit mit der Natur. Obwohl die Nässe überall durchgeht, ist es ein schönes Gefühl, sich auf die Elemente einzulassen. Wie auf einem See spritzt der Regen gischtartig umher, gepeitscht vom Sturm, der auch mich in eine leichte Seitenlage versetzt. Dann fällt mir plötzlich Jesus ein, wie er vielleicht vor gut 2 000 Jahren exakt hier einen Fuß vor den anderen gesetzt hat. Bisher habe ich mir Jesus immer nur in Sandalen wandelnd in der Wüste vorgestellt, wenn überhaupt. Jetzt aber geht es durch einen eiskalten Regenguss. Hätten sich Jesus und seine Jünger irgendwo Unterschlupf gesucht? Hätten sie sich in dicke Decken oder Felle eingewickelt? Hätten sie sich ein Feuerchen gemacht und das Unwetter gelassen abgewartet?

Alles hier scheint so ganz anders zu sein, als ich es mir erdacht habe. Aber ich muss zugeben: Es ist um ein Vielfaches schöner hier, als ich es mir je hätte ausmalen können. Mag sein, dass Jesus und seine Jünger damals nicht wie ich jetzt gerade an Bananenplantagen vorbeigewandert wären. Aber gewiss hätten sie ebenso wie ich den Regen genossen und nicht das Geringste daran auszusetzen gehabt.

Jeder Schritt, den ich hier gehe, hat wohl seine Geschichte. Es ist aber eine Geschichte im ganz Kleinen. Ich werde keine Sehenswürdigkeiten besuchen, sondern einfach mal sehen, was mir meine unmittelbare Umgebung zu erzählen hat. Könnte sie mir gar etwas ganz anderes erzählen als das, was uns die Kirche heute lehrt?

Und was würde Jesus heute den Extremisten entgegnen, die sich...

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