Teil A: Überblick
1.ZUSAMMENFASSUNG
Wolfgang Ilg / Gottfried Heinzmann / Mike Cares
Die in diesem Buch vorgelegten Ergebnisse des Projekts „Statistik 2013“ enthalten für den Bezugszeitraum 2012/13 Daten aus einer Vollerhebung der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen für die Evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg. Erfasst wurden bei dieser Erhebung die Kinder- und Jugendarbeit, die musikalischen Angebote, der Kindergottesdienst und die Konfirmandenarbeit. Einbezogen waren neben den landeskirchlichen Strukturen (Kirchengemeinden, Bezirksjugendwerke usw.) auch die eigenständigen evangelischen Jugendverbände wie beispielsweise die AB-Jugend. Mit ihrer Kombination aus Online-Erhebung und umfangreicher Telefon-Unterstützung, dem Einbezug zweier Landeskirchen und dem weiten Feld untersuchter Arbeitsbereiche betritt die Studie, die wissenschaftlich von der Universität Tübingen durchgeführt und von der SilverAge GmbH umgesetzt und begleitet wurde, in vielerlei Hinsicht Neuland. In dieser Zusammenfassung werden einige wichtige Ergebnisse im Überblick dargestellt. Vertiefte Analysen, Interpretationen von Experten und die Einbettung der Daten in den weiteren Kontext finden sich in den jeweiligen Kapiteln.
Insgesamt nehmen in Baden-Württemberg 306.044 junge Menschen an einem der 15.765 regelmäßigen evangelischen Gruppenangebote teil. Meist finden die Gruppentreffen wöchentlich statt. Über 9.000 dieser Gruppen sind Teil der Kinder- und Jugendarbeit (beispielsweise eine Jungschar oder ein Jugendkreis), etwa 2.800 sind Musikgruppen (Kinderchor, Posaunenchor), zudem gibt es über 1.700 Kindergottesdienstgruppen und über 2.000 Konfirmandengruppen. Insgesamt 15% dieser über 300.000 jungen Menschen werden durch Angebote schulbezogener Kinder- und Jugendarbeit, einem relativ neuen Arbeitsfeld, erreicht.
Abbildung 1: Anzahl der regelmäßig erreichten jungen Menschen nach Arbeitsbereich
Lesebeispiel: 127.321 Kinder und Jugendliche nehmen regelmäßig an Gruppenangeboten der Kinder- und Jugendarbeit (z. B. Jungscharen, Sportgruppen usw.) teil, dies sind 42% aller Teilnehmenden in regelmäßigen Gruppenangeboten.
Anmerkungen: Bei der schulbezogenen Kinder- und Jugendarbeit handelt es sich zwar überwiegend, aber nicht ausschließlich um regelmäßige Angebote, insofern ist die Zuordnung zu den „regelmäßigen Gruppenangeboten“ hier etwas unscharf.
Hinzu kommen 461.740 Teilnahmen an 11.152 Einzelangeboten wie beispielsweise einer Freizeit, einem Seminar oder einem Sportturnier. Als „Einzelangebote“ werden alle Aktivitäten bezeichnet, die nicht in einem regelmäßigen Rhythmus, sondern über das Jahr verteilt zu bestimmten Anlässen stattfinden, so wie beispielsweise die „ChurchNight“ am 31. Oktober seit einigen Jahren einen Rahmen für zahlreiche Kinder- und Jugendaktionen zum Reformationstag bietet. Eine ausführliche Darstellung dieser Daten findet sich in Kapitel 7.
Abbildung 2: Teilnahmen an Einzelangeboten der Kinder- und Jugendarbeit
Lesebeispiel: 128.147 Kinder und Jugendliche werden jährlich bei Tagesveranstaltungen der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit in Baden-Württemberg gezählt. Anders als bei den regelmäßigen Gruppenangeboten (Abbildung 1) wird bei den Einzelangeboten jede Teilnahme eines Jugendlichen pro Jahr einzeln gezählt.
Die vielfältigen Angebote beruhen zum großen Teil auf ehrenamtlichem Engagement. Insgesamt sind in Baden-Württemberg über 70.000 Personen im Rahmen der evangelischen Kirchen für Kinder- und jugendliche engagiert, der Großteil davon ehrenamtlich. Zum Vergleich: Im Bezugszeitraum gab es an allen öffentlichen allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg etwa 95.000 Lehrerinnen und Lehrer. Der Vergleich zeigt die Größenordnung, in der Menschen in Baden-Württemberg sich ehrenamtlich innerhalb der evangelischen Kirchen für Kinder und Jugendliche engagieren.
Anschaulich werden diese Zahlen, wenn man sie auf die Kirchenbezirke umrechnet: Durchschnittlich sind 709 Personen pro Kirchenbezirk (Baden) bzw. 1.143 Personen pro Kirchenbezirk (Württemberg) für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen engagiert. Umgerechnet auf die Kirchengemeinden wären das durchschnittlich 25 Personen pro Gemeinde in Baden bzw. 40 in Württemberg.
Innerhalb der evangelischen Landeskirchen wird die Aus- und Fortbildung der ehrenamtlichen Mitarbeitenden intensiv betrieben. Neben 695 regelmäßigen Mitarbeitergruppen gibt es pro Jahr über 1.500 Fortbildungen, bei denen mehr als 40.000 Mitarbeitende aktiv sind. Mit einem gestaffelten Kurssystem von Schnupperkursen, Grundkursen und Aufbaukursen erwerben Jugendliche Kompetenzen für ihr Engagement und erhalten nach erfolgter Qualifizierung die bundesweit gültige Jugendleitercard „Juleica“. Dazu kommen innovative Formen der Mitarbeiterbildung, wie zum Beispiel die sogenannten „Trainee-Gruppen“, bei denen pro Jahr über 2.000 Jugendliche zumeist direkt nach ihrer Konfirmation in spielerischer Weise an die Mitarbeit herangeführt werden (vgl. Kapitel 12.6).
Welchen Anteil erreichen die regelmäßigen Gruppenangebote? Abbildung 3 stellt die Reichweite im Blick auf die evangelischen Kinder und Jugendlichen dar. Insgesamt 18,5% aller evangelischen 6- bis 20-Jährigen in Baden-Württemberg nehmen regelmäßig an einer Gruppe der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit teil, 6,8% an Musikgruppen. Bei Kindern im Alter zwischen 6 und 12 Jahren werden durch regelmäßige Gruppen der Kinder- und Jugendarbeit sogar mehr als ein Viertel, durch musikalische Angebote und Kindergottesdienste jeweils etwa ein Zehntel der jungen Kirchenmitglieder erreicht. Hinzu kommen Teilnahmen in weiteren Arbeitsfeldern (schulbezogene Kinder- und Jugendarbeit, Einzelangebote, Konfirmandenarbeit), bei denen eine präzise Reichweitenberechnung aus methodischen Gründen nicht möglich ist.
Abbildung 3: Reichweite der regelmäßigen Gruppenarbeit, bezogen auf die evangelischen Kinder und Jugendlichen in Baden-Württemberg
Lesebeispiel: 27,4% aller evangelischen 6- bis 8-Jährigen besuchen regelmäßig eine Gruppe der Kinder- und Jugendarbeit. Alle Angaben in Prozent.
Bezieht man, wie in Abbildung 4 dargestellt, die Reichweite auf alle Kinder und Jugendlichen in Baden-Württemberg, liegt die Quote der durch regelmäßige Gruppen erreichten 6- bis 20-Jährigen bei 6,2% (Kinder- und Jugendarbeit) sowie 2,3% (musikalische Arbeit). Weitere Berechnungen zur Reichweite führt das Kapitel 9 aus.
Für das Verständnis der Daten ist ein Blick auf die Demografie hilfreich, die in Kapitel 6 und 21 näher beleuchtet wird. Wie Abbildung 5 verdeutlicht, sinkt die Anzahl von Personen pro Altersjahrgang seit Anfang der 1990er-Jahre deutlich ab – dies gilt in verschärfter Weise für evangelische Kirchenmitglieder. Insofern wird die evangelische Kirche vom demografischen Wandel doppelt getroffen: Es gibt immer weniger Kinder, und der Anteil der Evangelischen unter ihnen wird prozentual geringer. Der in Kapitel 6 vorgestellten Prognose zufolge wird bereits in sieben Jahren die Anzahl der 16-jährigen Evangelischen um mehr als ein Viertel geringer sein als deren Zahl im Jahr 2013 war.
Abbildung 4: Reichweite der regelmäßigen Gruppenarbeit, bezogen auf alle Kinder und Jugendlichen in Baden-Württemberg, unabhängig von ihrer Konfession
Anmerkungen: Alle Angaben in Prozent.
Abbildung 5: Anzahl von Personen pro Geburtsjahrgang in Baden-Württemberg zum Zeitpunkt 2012/13
Lesebeispiel: In Baden-Württemberg leben ca. 115.000 Personen mit Geburtsjahrgang 1995, davon gehören ca. 43.000 Personen der evangelischen Kirche an.
Da in der Statistik „Jugend zählt“ jede einzelne Gruppe bzw. Aktivität separat erfasst wurde, ermöglichen die Auswertungen auch tiefe Einblicke in die Gruppenstrukturen. Eine überschaubare Gruppe mit intensiver Betreuung kann als das Markenzeichen evangelischer Kinder- und Jugendarbeit gelten. So werden in einer typischen Jungschar- bzw. Kindergruppe etwa 14 Kinder von 4 Mitarbeitenden betreut. Vergleicht man den bei den meisten Gruppen oder Freizeiten gängigen Betreuungsschlüssel von einem Mitarbeitenden auf ca. drei bis fünf Kinder, so wird das hohe personale Angebot dieser Aktivitäten deutlich. Kinder und Jugendliche finden hier Gesprächspartner und Vertrauenspersonen, die gerade auch in der Phase der Pubertät eine wichtige Ergänzung zum Elternhaus und zur Schule darstellen. Zur Vielfalt der Angebote gehört auch, dass es neben koedukativen Angeboten nach wie vor auch reine Mädchen- und reine Jungengruppen gibt – bei den Jungschar- und Kindergruppen machen diese die...