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E-Book

Juristische Methoden für Dummies

AutorWerner F. König
VerlagWiley-VCH
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783527801251
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR


Werner F. König ist Professor für bürgerliches Recht an einer deutschen Hochschule und weiß daher genau, welche Facetten der juristischen Methodik Studierenden besondere Probleme bereiten.

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Leseprobe

1

Methodisch Fälle lösen

In diesem Kapitel

Ordnung schaffen durch Regeln

Ordnung in den Regeln

Ordnung in Sachverhalt und Fragestellung

Ordnung bei der Anwendung der Regeln

Ordnung in den Argumenten

Vielleicht haben Sie sich schon einmal gefragt: Was tun Juristen eigentlich den ganzen Tag? (Wenn Sie Jura studieren, haben Sie sich das hoffentlich schon vor dem Studium gefragt!) Die Antwort klingt simpel: Sie lösen juristische Fälle. Das heißt: Sie beantworten Rechtsfragen, die sich vor dem Hintergrund eines bestimmten Sachverhalts stellen. Die Antwort soll natürlich nach Möglichkeit richtig sein oder – juristisch ausgedrückt – der Rechtslage entsprechen. Von der Art und Weise, wie Sie vorgehen müssen, um eine solche Antwort zu finden, handelt dieses Buch. Dieses Kapitel gibt Ihnen darüber einen ganz groben ersten Überblick.

Regeln sorgen für Ordnung

Wenn irgendwo Ordnung herrschen soll, braucht es dazu Regeln. Wenn Sie Ihre Kaffeelöffel nicht jedes Mal suchen wollen, wann immer Sie einen brauchen, stellen Sie dazu eine Regel auf. »Kaffeelöffel gehören in die obere linke Schublade rechts neben dem Herd!« Wenn viele Menschen miteinander zusammenleben wollen, muss eine bestimmte Ordnung herrschen. Dazu gibt es Regeln. Die bilden die Rechtsordnung. Rechtsordnungen gibt es schon sehr, sehr lange, vermutlich seit Menschen in größeren Gruppen zusammenleben. Sogar aufgeschrieben haben Menschen diese Regeln schon sehr lange. Wenn Sie einmal nach Paris kommen, können Sie sich im Louvre eine schwarze Stele anse-hen, die den Codex Hammurapi enthält, ein geschriebenes Gesetzbuch aus dem 18. vorchristlichen Jahrhundert.

Wie diese Regeln aussehen

Regeln, die als Recht daherkommen, heißen Rechtsnormen. Sie sagen uns zweierlei:

was wir tun oder lassen sollen;

was es für Folgen haben soll, wenn wir uns nicht daran halten.

Die Zehn Gebote sind darum keine Rechtsnormen. Sie sagen uns nämlich nur, was wir tun oder lassen sollen. Was geschieht, wenn wir uns nicht daran halten, müssen sie uns nicht sagen, denn es sind religiöse Gebote. Wenn Sie sie brechen, geht das nur Gott und Sie etwas an. Es sind kategorische Imperative. Das fünfte Gebot sagt nur: »Lass das Töten sein!«

Rechtsnormen dagegen nennen uns die Folgen, die es hat, wenn wir gegen sie verstoßen. § 212 Abs. 1 StGB sagt uns daher: »Lass das Töten sein, sonst kommst du ins Gefängnis!« Rechtsnormen sind also hypothetische Imperative. § 212 Abs. 1 StGB befiehlt: »Wenn einer einen anderen tötet, dann sollt ihr ihn zu einer Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren verurteilen!«

Alle vollständigen Rechtsnormen sind daher Konditionalsätze. Sie sagen, was es für eine Folge haben soll, wenn etwas geschehen ist. Dieses Etwas heißt Tatbestand. Die Folge, die das Geschehene haben soll, heißt abstrakte Rechtsfolge. Mehr darüber finden Sie in Kapitel 2.

Wie man diese Regeln anwendet

Wer einem Juristen eine Rechtsfrage stellt, will über Rechtsfolgen informiert werden. Er sagt Ihnen, was passiert ist, und Sie sollen ihm sagen, was das für Konsequenzen hat. Römische Juristen haben darum gesagt: »Da mihi facta, dabo tibi ius!« (Gib mir die Fakten, dann gebe ich dir das Recht!) Das funktioniert so:

Chantal sagt: »Ich habe gestern den Kevin erschlagen, als er mir blöd kam! Was kann mir da passieren?«

Sie überlegen nun: »Erfüllt das den Tatbestand einer Norm?« Da denken Sie natürlich an § 212 Abs. 1 StGB. Dann prüfen Sie, ob der Sachverhalt, der Ihnen bekannt ist, zum Tatbestand der Norm passt. Diese Prüfung heißt Subsumtion. Dass Kevin ein anderer Mensch ist und dass das Erschlagen eine Form des Tötens ist, ist klar. Wenn Sie nun noch feststellen, dass Chantal kein Mörder (oder – gegendert – keine Mörderin) ist, ist die Subsumtion gelungen. (Den Teil überspringen wir jetzt, sonst ist das kein einfaches Beispiel mehr.)

Dann folgt Schritt 2: Sie stellen fest, dass die von § 212 Abs. 1 StGB angeordnete abstrakte Rechtsfolge eingreift. Chantal soll mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft werden.

Das ist aber nur die abstrakte Rechtsfolge, die das Gesetz anordnet. Daraus müssen Sie nun noch die konkrete Folge ableiten, die das für Chantal hat (und die Ihre Frage beantwortet). Das nennt sich dann Rechtsfolgenkonkretisierung. Das ist hier ziemlich einfach. Sie können dann gleich die Antwort geben:

»Wenn das herauskommt, stecken sie dich für mindestens fünf Jahre in den Knast!«

Damit haben Sie dann Chantals Rechtsfrage beantwortet und den Fall gelöst. In Kapitel 3 können Sie das noch wesentlich genauer nachlesen.

Die Regeln und ihre Ordnung

Wenn Sie Ihre Kaffeelöffel finden wollen, brauchen Sie in der Küche Ordnung. Wenn Sie die Rechtsnorm finden wollen, die Ihren Fall löst, brauchen Sie unter den Rechtsnormen Ordnung. Diese Ordnung nennt sich Rechtsordnung.

Woher die Regeln kommen

Wasser fließt aus der Quelle. Rechtsnormen fließen aus einer Rechtsquelle. Was da nicht herkommt, ist auch keine Rechtsnorm. Rechtsquellen gibt es nur zwei. Dementsprechend gibt es auch nur zwei Sorten von Recht:

Geschriebenes Recht: Das ist das Recht, das von einem dafür zuständigen Staatsorgan erlassen wird. Dazu muss es schriftlich niedergelegt sein. Deshalb nennen wir es auch das positive Recht (vom lateinischen ponere = setzen, stellen, legen). Das Wort »Gesetz« ist auch hiervon abgeleitet.

Ungeschriebenes Recht: Das ist das Recht, das einfach durch langjährige Übung entsteht. Damit daraus Recht wird, muss die Übung allgemeiner Konsens sein und es muss ihr die Überzeugung zugrunde liegen, dass es sich nicht bloß um eine freiwillige Übung handelt, sondern dass sie rechtlich geboten ist. Weil das nicht von heute auf morgen geht, sondern voraussetzt, dass es den Leuten zur Gewohnheit geworden ist, sich solche Regeln als Recht zu denken, nennen wir das auch Gewohnheitsrecht.

Die Fähigkeit, Rechtsnormen zu erlassen, gehört zur staatlichen Souveränität. Alles Recht ist daher erst einmal staatliches Recht. Staaten können sich aber auch durch Verträge verpflichten, bestimmte Regeln anzuerkennen. Das ist dann zwischenstaatliches Recht. Schließlich können Staaten sich auch noch darauf verständigen, Teile ihrer Gesetzgebungskompetenz an überstaatliche Institutionen abzugeben. So entsteht überstaatliches Recht, wie zum Beispiel die Verordnungen der Europäischen Union.

Mehr zur Rechtsquellenlehre finden Sie in Kapitel 4.

Welche Regel Sie nehmen dürfen

Bevor Sie eine Norm anwenden, müssen Sie prüfen, ob sie überhaupt für Ihren Fall gedacht ist. Dazu müssen Sie Ihren Geltungs- und ihren Anwendungsbereich prüfen. Der kann in drei Ebenen eingeschränkt sein:

Räumlich: Gilt die Norm für diesen Staat / dieses Bundesland?

Zeitlich: Wann ist sie in, wann außer Kraft getreten? Gibt es eine Übergangsvorschrift, die ihre Anwendbarkeit nach dem Außerkrafttreten regelt?

Sachlich: Ist die Norm für Fälle dieser Art gedacht?

Eine Norm, die gegen höherrangiges Recht verstößt, gilt überhaupt nicht, denn dieses hat Geltungsvorrang. Aber auch wenn mehrere Normen gleichrangig sind, kann eine von ihnen Anwendungsvorrang vor der anderen genießen. Dann gelten zwar beide, aber nur eine ist auf Ihren Fall anwendbar.

Geltungsvorrang hat:

Verfassungsrecht vor Gesetzesrecht

Gesetze vor Rechtsverordnungen

staatliches Recht vor dem von Selbstverwaltungskörperschaften (Satzungen)

Bundesrecht vor Landesrecht

Europäische Verträge vor Europäischen Verordnungen und Richtlinien

Anwendungsvorrang haben speziellere vor allgemeineren Regelungen.

Einzelheiten zum Geltungs- und Anwendungsbereich lesen Sie in Kapitel 5.

Was für Regeln es gibt

Wie jede vollständige Rechtsnorm aussieht, steht schon weiter vorn in diesem Kapitel. Sie sagt: »Wenn [Tatbestand], dann [Rechtsfolge].« Das Gesetz ist aber außerdem voll von...

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