Der letzte Ritter
Kaiser Maximilian I.
Viele Beinamen schmückten schon zu Lebzeiten den Mann, der am 22. März 1459 als Sohn Kaiser Friedrichs III. und seiner portugiesischen Gemahlin Eleonore in Wiener Neustadt das Licht der Welt erblickte. Seine Zeitgenossen nannten ihn den Kaiser mit den fliehenden Sohlen, denn allzu lang hielt sich Maximilian nirgendwo auf. Viel zu viel hatte er in halb Europa zu tun, viel zu viele Interessen verlangten, dass er ununterbrochen umherzog, wobei er überall gern gesehen wurde, auch wenn er oftmals seine Zeche nicht zahlen konnte. Ein Leben lang stand er bei den Fuggern in der Kreide, die mit ihren Krediten kein Risiko eingingen. Denn Jakob Fugger war ein kluger Geschäftsmann, der sich seine Vorteile ausrechnen konnte, wenn auch nicht in barer Münze, so doch durch bedeutende Privilegien, die der König und spätere Kaiser ihm einzuräumen bereit war.
Die Kindheit Maximilians hätte glücklich sein können, hätten nicht zwei Ereignisse stattgefunden, die den Knaben ein Leben lang prägen sollten. Aufgrund der Differenzen zwischen seinem Vater Friedrich und dessen Bruder Albrecht VI. erlebte das Kind die Belagerung der Familie in Wien, da der Oheim den Vater vom Thron stoßen wollte. Die Kaiserfamilie litt in der Wiener Burg bitterste Not und es war nur der jungen Kaiserin zu verdanken, dass es nicht zur Katastrophe kam, denn der ewig zögernde und misstrauische Friedrich III. hatte sich nicht zur Aussöhnung mit seinem Bruder entschließen können. Der Tod Albrechts beendete den unheilvollen Bruderzwist.
Die Mutter war es auch, die Maximilian und seine Schwester Kunigunde über alles liebten. Ihr Tod war für Maximilian eine Tragödie, nicht zuletzt, da die neuen Erzieher, die sein Vater bestellte, dem Knaben die Welt nicht zu erklären versuchten, sondern ihm einbläuten. Sie erkannten nicht den freien Geist ihres Zöglings und wandten Methoden an, die nicht nur bedenklich, sondern aufgrund ihrer Brutalität regelrecht verwerflich waren.
Maximilians Vater Friedrich III., die »Erzschlafmütze des Reiches«, wie er spöttisch genannt wurde, beschäftigte sich schon bald mit dem Gedanken, den in allen ritterlichen Tugenden gewandten Sohn möglichst gewinnbringend zu verheiraten. Das Angebot des Burgunderherzogs Karl des Kühnen, Maximilian mit seiner Tochter Maria zu verheiraten, kam ihm daher gerade recht. Karl der Kühne, einer der reichsten Fürsten Europas, bot seine Tochter allerdings nicht ohne Hintergedanken an, er wollte als Dank eine Königskrone. Es kam zu einem glanzvollen Treffen in Trier, an dem auch Maximilian teilnahm und bei dem die Hochzeit der jungen Leute beschlossen wurde. Der Plan mit der Königskrone zerschlug sich aber sehr rasch.
Nachdem Herzog Karl der Kühne in der Schlacht bei Nancy gefallen war und der französische König Ludwig XI. seine Absicht kundgetan hatte, Maria als Braut für seinen Sohn Karl zu erwählen, schlug für Maximilian die Abschiedsstunde in Wiener Neustadt. Seine Brautfahrt führte ihn über Augsburg bis Köln, wo sich ein Ende abzeichnete. Denn seine finanziellen Mittel waren erschöpft, er war nicht mehr in der Lage, weiterzuziehen. Nur mit der Hilfe seiner zukünftigen Stiefschwiegermutter Margarete von York war es ihm möglich, seinen Weg nach Gent fortzusetzen, wo im Jahre 1477 die Hochzeit mit Maria stattfand.
Die politische Situation in den Niederlanden war keineswegs klar durchschaubar, denn Karl der Kühne hatte rigoros seine Rechte als Herzog von Burgund durchgesetzt. Nach seinem Tod folgte ihm seine Tochter Maria nach, der die niederländischen Stände größte Schwierigkeiten machten und sie zwangen, das »Große Privileg«, durch das deren Rechte erweitert wurden, zu unterzeichnen.
Schon in den ersten Ehejahren verwickelte der französische König Ludwig XI. Maximilian immer wieder in neue Kämpfe, da Frankreich nach wie vor am Erwerb einzelner burgundischer Provinzen interessiert war. Der junge Habsburger kam dabei in arge Bedrängnis, wie durch ein Wunder siegte er aber in der Schlacht bei Guinegate.
Maximilian hätte trotz der Wirren und der Bedrohung durch den französischen König ein halbwegs geregeltes Familienleben mit den beiden Kindern Philipp und Margarete führen können, hätte nicht der Tod Regie geführt. Seine geliebte Gemahlin Maria von Burgund kam bei einem Jagdunfall im Jahre 1482 ums Leben, nachdem ihr kleiner Sohn Karl kurz nach der Geburt gestorben war.
Mit dem Tod Marias veränderte sich das Leben Maximilians von Grund auf. Obwohl er in den Niederlanden zum Ritter geschlagen und zunächst allseits akzeptiert worden war, begannen Aufstände gegen den jungen Habsburger, der 1486 in Frankfurt zum erwählten römischen König und in Aachen gekrönt worden war. Die Revolten bewirkten, dass man Maximilians Gefolgsleute entweder umbrachte oder vertrieb. Ihn selbst steckte man 1488 in Brügge ins Gefängnis, und wäre nicht sein Vater aus seiner Lethargie erwacht und hätte sich mit einem Heer in Richtung Flandern begeben, wäre die Sache für Maximilian äußerst prekär geworden. Seine Kinder wurden ihm weggenommen und unter die Vormundschaft der niederländischen Stände gestellt, wobei man Margarete mit dem minderjährigen Dauphin von Frankreich verlobte und das dreijährige Kind nach Amboise an den französischen Königshof schickte.
Maximilian, der ahnte, dass seine Zukunft nicht in den Niederlanden liegen würde, verließ das Land, in dem er seine große Liebe gefunden, aber nach kurzer Zeit wieder verloren hatte.
Sein zukünftiges Leben war facettenreich, denn die Kämpfe gegen die französischen Könige ebbten nicht ab, nach Ludwig XI. kamen Karl VIII. und dessen Nachfolger Ludwig XII. Alle drei waren keine Freunde des deutschen Königs. Karl VIII. nahm ihm gar seine neue Braut Anne de Bretagne weg, mit der Maximilian zwar die Ehe »per procurationem« eingegangen war, sie aber noch nicht vollzogen hatte, da er zu dieser Zeit gezwungen war, im Osten gegen die Türken zu kämpfen. Karl VIII. ließ seine Ehe mit Margarete vom Papst annullieren und heiratete in aller Eile Anne. Auch sein Nachfolger Ludwig XII. machte Maximilian immer wieder Schwierigkeiten. Dieser schloss daher Bündnisse mit wechselnden Partnern, wobei die Vereinbarungen das Papier nicht wert waren, auf denen sie standen. Die Konstellationen wechselten je nach Bedarf, mit Venedig, gegen Venedig, mit Frankreich, gegen Frankreich, mit dem Papst, gegen den Papst … schließlich wusste niemand mehr, wer mit wem verbündet war.
Auch innenpolitisch war die Lage instabil, da die Kurfürsten schon unter Kaiser Friedrich III., der 1493 in Linz starb, versuchten, ihr eigenes Süppchen zu kochen. Maximilian musste dies akzeptieren, da er ständig auswärts in Kämpfe verwickelt war. Nur selten erwarb er Gebiete friedlich, wie Tirol, die Vorlande oder Teile der Schweiz, indem Herzog Sigmund von Tirol auf die Regentschaft in diesen Ländern verzichtete. Die Schweizer Gebiete stellten sich jedoch als Danaer-Geschenk heraus.
Die größten Landgewinne erzielte Maximilian allerdings durch wohldurchdachte Heiraten. Sein einziger Sohn Philipp der Schöne vermählte sich mit Juana, der Tochter der Katholischen Könige von Spanien, wobei es das Schicksal nach dem Tod von deren Bruder und Schwestern wollte, dass ausgerechnet sie zusätzlich zum vereinigten Königreich Spanien die neu eroberten Gebiete in allen Teilen der neuen Welt erbte. Unter Karl V., dem Enkel Maximilians, kam die Universalmonarchie schließlich unter habsburgische Herrschaft, die sich wenig später in die Casa de Austria im Westen und das Haus Habsburg im Osten aufspaltete.
Eine zweite Erfolgsgeschichte spielte sich im Osten ab. Durch die Doppelhochzeit von Wien im Jahre 1515 zwischen Maximilians Enkelkindern und den Kindern des ungarischen Königs fielen Ungarn und Böhmen kampflos an die Familie, wobei auch hier der Tod als Königsmacher fungierte.
Mit den dazugewonnenen Gebieten kamen schwierige Aufgaben auf die Habsburger zu, denn die Türken pochten schon 1480 an die Tore des Reiches, sie fielen in Kärnten und der Steiermark ein. Maximilian befand sich in einer schwierigen Lage, denn die deutschen Fürsten weigerten sich, ihm ein Reichsheer zu Hilfe zu schicken. Es sollte noch Jahrhunderte dauern, bis man in weiten Teilen Europas erkannte, welche Gefahr die Osmanen darstellten.
Maximilian begann unendlich vieles, seine Pläne waren weitreichend und ungewöhnlich modern. So berief er 1495 einen Reichstag nach Worms ein, wo er im Rahmen einer Reichsreform eine Steuer, den »gemeinen Pfennig«, einführte und auf Druck der Reichsstände den »ewigen Landfrieden« propagierte, was in Zusammenhang mit dem Fehdeverbot stand. Das Reich sollte in Reichskreise eingeteilt werden, und um die einfachen Menschen vor der Willkür der Gerichte zu schützen, gründete Maximilian das Reichskammergericht. Da aber die Richter denkbar schlecht bezahlt wurden, fällten sie nach wie vor Urteile,...