Nachdem die zentralsten Begriffe dieser Arbeit definiert sind, soll sich im Folgenden intensiver mit der Person des Topmanagers beschäftigt werden. Die Beschreibung des Topmanagers wird dabei auf den Vorstand bzw. Vorstandsvorsitzenden einer Aktiengesellschaft beschränkt.
In Deutschland ist das rechtliche Konstrukt der Aktiengesellschaft durch eine Vielzahl von Gesetzen und Regelungen fixiert. Dabei liegt die Besonderheit der Aktiengesellschaft in der strikten Trennung zwischen Eigentümer (Kapitalgeber) und Geschäftsführung. Aufgrund einer teils unüberschaubaren Menge an Kapitalgebern ist eine einheitliche Meinungsbildung innerhalb dieser Gruppe kaum möglich, so dass die Führung der Aktiengesellschaft wenigen Managern überlassen wird.[43] Insgesamt besteht die Aktiengesellschaft aus drei Organen: der Hauptversammlung, dem Aufsichtsrat und dem Vorstand.
Das Treffen unternehmenspolitischer Entscheidungen und das Formulieren der Grundsätze und Ziele einer Unternehmung obliegt in deutschen Aktiengesellschaften dem Vorstand. Das HGB benutzt in § 76 Abs. 1 dafür die Formulierung: „Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten.“ Zu dieser Aufgabe wird er durch den Aufsichtsrat bestellt und mit entsprechenden Vollmachten und Verfügungsrechten ausgestattet.
Eignungsvoraussetzung von Vorständen
In der Literatur wird der Erfolg einer Unternehmung sehr eng an die persönlichen Fähigkeiten des Vorstandes geknüpft. Das Finden und die Auswahl eines guten Vorstandes durch den Aufsichtsrat ist somit die Grundvoraussetzung für den Erfolg einer Unternehmung. Bereits 1918 bezeichnete Walther Rathenau die Personalfrage der Leitung als die höchste und verantwortungsvollste Aufgabe des Aufsichtsrates.[44] Bis heute hat dies nichts an Bedeutung verloren.
Der § 76 Abs. 3 AktG beinhaltet die formalen Mindestvoraussetzungen für Vorstände von Aktiengesellschaften. Vorstand können somit nur natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Personen werden, die in den letzten fünf Jahren nicht wegen Insolvenzstraftaten verurteilt worden sind (§ 76 Abs. 3 AktG). Eine Einschränkung bezüglich Wohnsitz, Staatsangehörigkeit, Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis ist in Deutschland nicht vorgesehen. So können auch Ausländer mit Wohnsitz im Ausland ohne weiteres Vorstand einer deutschen Aktiengesellschaft werden.[45] Grundsätzlich vom Vorstandsmandat ausgeschlossen sind Aufsichtsräte derselben Unternehmung.
Eine viel größere Bedeutung als den formal gesetzlichen Mindestanforderungen kommt den fachlichen und persönlichen Voraussetzungen zu. Inwieweit allgemeingültige fachliche und persönliche Eignungsvoraussetzungen für das Amt des Vorstandes formuliert werden können bleibt fraglich, da die Eignungsvoraussetzungen von vielen Faktoren abhängig sind, angefangen von der Branche und der Zielsetzung des Unternehmens, über die Struktur und den Aufbau bis hin zur Unternehmenskultur. Diese Frage wird jede Aktiengesellschaft individuell lösen müssen. Bei Bedarf können diese in der Satzung der Aktiengesellschaft verankert werden. So ist es Aktiengesellschaften möglich, durch die Satzung z.B. das Alter, die Ausbildung oder die Familienzugehörigkeit vorzugeben. Diese Anforderungskriterien sind jedoch nur empfehlend und dürfen die Entscheidungsfreiheit des Aufsichtsrats bei der Bestellung des Vorstandes nicht einschränken. Die Praxis allerdings zeigt, dass sich Aufsichtsräte bei der Bestellung von Vorständen durchaus an solchen Kriterien orientieren.[46]
Rekrutierung und Auswahl von Vorständen
Bei der Suche nach geeigneten Kandidaten ist vor allem Diskretion gefragt.[47] Potentielle Kandidaten befinden sich oft in gesicherten Positionen und werden sich einem Auswahlverfahren nur stellen, wenn die Vertraulichkeit der Gespräche gesichert ist. Das Risiko, die aktuelle Stelle zu verlieren oder seinen Marktwert bei Nichtauswahl zu mindern, wird gemeinhin als zu hoch eingeschätzt.
Bei der Auswahl geeigneter Kandidaten bedient sich der Aufsichtrat in der Regel eines Personalausschusses, der die Aufgabe erhält, geeignete Kandidaten zu finden und eine Vorauswahl zu treffen. Dieser besteht meist aus drei Mitgliedern des Aufsichtsrates und ihm obliegt die Aufgabe, potentielle Kandidaten zu lokalisieren, zu bewerten, sowie Kontakt zu den Kandidaten aufzunehmen und erste Vorgespräche zu führen. In der Regel trifft der Personalausschuss auch eine erste Vorauswahl der Kandidaten, so dass dem Aufsichtsrat schließlich nur eine Auswahl an geeigneten Personen präsentiert wird. Die endgültige Entscheidung über den Kandidaten und seine Bestellung zum Vorstand obliegt jedoch nach § 84 Abs. 1 und 2 AktG alleinig dem gesamten Aufsichtsrat. Dieser hat im Sinne der Unternehmung, unter Außerachtlassung von Individualinteressen, den bestmöglichen Kandidaten für das Unternehmen auszuwählen und zu bestellen.
In der Praxis zeigt sich jedoch das Phänomen, dass die Vorauswahl durch den Personalausschuss in der Regel soweit geht, dass dem Aufsichtsrat nur ein geeigneter Kandidat präsentiert wird.[48] Inwieweit diese starke Selektion durch den Personalausschuss das Recht des Aufsichtsrates zur selbstständigen Entscheidung über Kandidaten einschränkt, herrscht in der Literatur geteilte Meinung. Einerseits wird diese Praxis abgelehnt mit dem Hinweis auf die in § 84 AktG verankerte Entscheidungsfreiheit des gesamten AufsichtsratesTP[49]PT, andererseits hat der BGH die Praxis als zulässig anerkannt. Die Begründung der Praxis für dieses Vorgehen lässt sich in der Vertraulichkeit und Diskretion der Suche, aber auch mit einem entsprechend geringeren Arbeitsaufwand für den Aufsichtrat erklären.
Bei der Suche nach geeigneten Kandidaten steht dem Personalausschuss der interne wie auch der externe Arbeitsmarkt offen. Oftmals ist jedoch nicht das Finden potentieller Kandidaten, sondern die Bewertung und somit die realistische Einschätzung der Fähigkeiten und Eignung der Personen die Herausforderung. Ist es bei internen Kandidataten noch relativ einfach, da es sich hier oft um langjährige Mitarbeiter des Unternehmens handelt, so gestaltet sich die Bewertung Externer als wesentlich schwieriger. Um externe Kandidaten zu finden werden oftmals Dienstleister, sogenannte Headhunter eingeschaltet. Bei der Frage, ob internen oder externen Kandidaten der Vorzug gegeben werden soll, ist sich die Praxis uneinig. Einerseits ist das Auffinden und die Bewertung interner Kaditaten einfacher, anderseits kann eine einseitige Bevorzugung zur Betriebsblindheit des Vorstandes führen. Bei externen Kandidaten besteht dieses Risiko nicht, hier kann jedoch eine einseitige Bevorzugung zu einer langfristigen Störung des Betriebsklimas führen.[50] Der Aufsichtsrat sollte sich bei der Auswahl nicht von den Herausforderungen der Bewertung abschrecken lassen und den scheinbar leichteren Weg gehen und auf langjährig bekannte interne Kandidaten zurückzugreifen, da, obwohl ihre Stärken und Schwächen bekannt sind, die Eignung für eine wesentlich höher qualifizierte Stelle auch mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren belegt ist.[51]
In der Praxis findet sich oftmals das Phänomen wieder, dass Unternehmen in Krisensituationen einen externen Kandidaten als neuen Vorstandsvorsitzenden wählen, der nicht aus den gegebenen Strukturen des Unternehmens stammt. Geht es dem Unternehmen wirtschaftlich gut, kommen die Kandidaten oftmals aus den eigenen Reihen.[52] Inwieweit diese Praxis sinnvoll ist, ist fraglich. So kann ein interner Kandidat in Krisenzeiten dem Unternehmen auch Stärke und Halt geben und ein Signal für Zusammenhalt an die Belegschaft aussenden. Ein externer Kandidat kann in wirtschaftlich guten Zeiten dagegen das Unternehmen auf zukünftige Veränderungen vorbereiten und mit neuen Ideen und Sichtweisen das Unternehmen zukunftsfähig machen. Die Praxis zeichnet sich hier nicht gerade durch Weitsichtigkeit aus. Entscheidend sollte letztlich die Eignung des Kandidaten und die Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sein, nicht dessen Herkunft.
Bei der Betrachtung des Auswahlprozesses lässt sich feststellen, dass nicht nur die persönliche und fachliche Eignung der Kandidaten eine Rolle spielen, sondern insbesondere auch machtpolitische Kräfte und unternehmensinterne Institutionen.[53] Zwar ist der Aufsichtsrat bei seiner Entscheidung keinem Vorschlagswesen oder Weisungen unterworfen, dennoch wird er sich bei seiner Entscheidung an Kriterien und Anforderungen, die in der Unternehmenssatzung festgehalten sind, orientieren. Ebenso hat der aktuelle Vorstand ein gewisses Mitspracherecht bei der Auswahl, da der Vorstand als Gemeinschaftsorgan fungiert und der Kandidat sich in das Vorstandsgremium einfügen sollte.[54] Hartmann geht in seinen Untersuchungen sogar soweit, dass er feststellt, dass die Qualifikationen und Fähigkeiten der Bewerber in dieser Position so identische sind, dass der Aufsichtsrat bei seiner Entscheidung nicht mehr nach Fähigkeit und Qualifikation auswählen kann, sondern die Entscheidung nach dem...