I. Über die grundlegende Einheit von Mensch und Natur
1.Dialektik der Natur
Wissenschaftlicher Naturbegriff
Im alltäglichen Sprachgebrauch wird der Begriff »Natur« meist auf einzelne Erscheinungen in der menschlichen Umgebung eingeschränkt: die Landschaft, die Tier- und Pflanzenwelt oder auch das Wetter. Der Naturbegriff im dialektisch-materialistischen Verständnis umfasst jedoch die gesamte universelle Wirklichkeit.
Die Natur besteht aus unendlich vielen Formen materieller Bewegung und sich permanent bewegender und verändernder stofflicher Zustände der Materie. Die bekanntesten Bewegungsformen sind Ortsveränderung, Reibung, Wärme, Licht, Elektrizität, Magnetismus, radioaktive Strahlung, chemische Reaktionen, biochemischer Stoffwechsel, Fotosynthese … Bei den stofflichen Zuständen lässt sich zwischen Gasen, Feststoffen und Flüssigkeiten oder zwischen organischen und anorganischen Stoffen unterscheiden. Diese Naturelemente bedingen einander und befinden sich zugleich in ständigem Widerstreit.
All die verschiedenen Daseinsformen der Materie sind nichts als unterschiedliche Naturprozesse. Sie reichen nach heutigem Wissen von kontinuierlicher Materie über winzige, subatomare Teilchen im Mikrokosmos bis hin zu gigantischen Galaxienhaufen und noch größeren Superstrukturen im Makrokosmos.
Mit Hilfe der Spektralanalyse konnte nachgewiesen werden, dass Galaxien und kosmische Nebel, Sterne und Planeten wie unsere Erde aus identischen Bausteinen bestehen: aus den Atomen der chemischen Elemente und den subatomaren Teilchen. Alle Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen der Materie bilden ein System des universellen Werdens und Vergehens.
Der dialektische Materialismus geht davon aus, dass die gesamte Natur materiell ist – also objektiv, unabhängig vom Bewusstsein und Willen der Menschen existiert. Die Bewegungen der Materie verlaufen nach dialektischen Bewegungsgesetzen. Unter Dialektik der Natur ist eine Zusammenfassung der materiellen Bewegung in ihrer allgemeinsten Form zu verstehen.
Auf jeder Entwicklungsstufe der Materie treten qualitativ neue Formen und auch neue Bewegungsgesetze auf, die die Menschen erforschen, erkennen und nutzen können. Der Erkenntnisfortschritt der Menschheit zeigt sich im Grad ihrer Erkenntnis der Dialektik der Natur sowie in ihrer Fähigkeit, die dialektische Methode bewusst auf Natur, Gesellschaft und menschliches Denken, Fühlen und Handeln anzuwenden.
Die bürgerliche Kosmologie bestreitet die Unendlichkeit der Materie. Sie betrachtet nur ihre konkreten Formen und verabsolutiert diese. Seit jeher sucht sie rastlos und vergeblich nach Anfang und Ende des Universums. Nach der aktuellen Lehre soll vor etwa 13 bis 20 Milliarden Jahren die »Ausdehnung« des Kosmos mit einem »Urknall« (»Big Bang«) aus dem »Nichts« begonnen haben. Marxisten-Leninisten haben diese »Schöpfungsgeschichte« der bürgerlichen Kosmologie von Anfang an kritisiert; inzwischen ist sie selbst unter bürgerlichen Wissenschaftlern höchst umstritten.
Die konkreten Naturerscheinungen sind endlich, die allgemeine Bewegung der Materie ist dagegen unendlich. In der Unendlichkeit der sich bewegenden Materie besteht ihre universelle Identität im Makro- und Mikrokosmos.
Eine Entstehung von Materie und Bewegung aus dem »Nichts« ist mit den Gesetzmäßigkeiten der Natur unvereinbar. Bewegte Materie oder materielle Bewegung sind unerschaffbar und unzerstörbar. Dazu schrieb Friedrich Engels:
»Die ganze uns zugängliche Natur bildet ein System, einen Gesamtzusammenhang von Körpern, und zwar verstehn wir hier unter Körpern alle materiellen Existenzen vom Gestirn bis zum Atom, ja bis zum Ätherteilchen, soweit dessen Existenz zugegeben. Darin, daß diese Körper in einem Zusammenhang stehn, liegt schon einbegriffen, daß sie aufeinander einwirken, und diese ihre gegenseitige Einwirkung ist eben die Bewegung. Es zeigt sich hier schon, daß Materie undenkbar ist ohne Bewegung. Und wenn uns weiter die Materie gegenübersteht als etwas Gegebnes, ebensosehr Unerschaffbares wie Unzerstörbares, so folgt daraus, daß auch die Bewegung so unerschaffbar wie unzerstörbar ist.« (»Dialektik der Natur«, Marx/Engels, Werke, Bd. 20, S. 355)
Die qualitativen Veränderungen in der Natur verlaufen sprunghaft. »Wodurch unterscheidet sich der dialektische Übergang vom nichtdialektischen?«, fragt Lenin und antwortet: »Durch den Sprung. Durch den Widerspruch. Durch das Abbrechen der Allmählichkeit.« (»Konspekt zu Hegels ›Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie‹«, Lenin, Werke, Bd. 38, S. 272)
Es ist eine absurde Wunschvorstellung, wenn bürgerliche Naturwissenschaftler, Philosophen oder Politiker allmähliche, evolutionäre Prozesse in der Natur, in der Gesellschaft oder im menschlichen Denken, Fühlen und Handeln sprunghaften, revolutionären Prozessen vorziehen. Beide Formen der Bewegung, Evolution und Revolution, bedingen in der Natur einander, gehen auseinander hervor und verwandeln sich ineinander als unendlich fortlaufender Prozess. Die Allmählichkeit der Bewegung bereitet die offensichtliche Veränderung, den qualitativen Sprung vor und wird ihrerseits von diesem auf immer höherer Stufe wieder in Gang gesetzt.
Qualitative Sprünge können wie bei biologischen, chemischen und elektrischen Prozessen oder im menschlichen Denken, Fühlen und Handeln in Bruchteilen von Sekunden ablaufen. Sie können aber auch Milliarden von Jahren in Anspruch nehmen wie beim Entstehen und Vergehen von Sternen. Diese gewaltigen Unterschiede verleiten Vulgärmaterialisten oder Empiristen dazu, nur wahrnehmbare Veränderungen zu akzeptieren. Für sie besteht das Weltgeschehen aus vereinzelten Erscheinungen, aus sich ewig wiederholenden Kreisläufen oder aus Prozessen, die höchstens quantitative Veränderungen durchmachen.
Qualitative Sprünge deuten sich durch beschleunigte quantitative Veränderungen an und durch Verschärfung der inneren Widersprüche in den Dingen oder Prozessen. Aufgrund wissenschaftlicher Analysen der beschleunigten Erderwärmung, zunehmend extrem widersprüchlicher Wetterlagen, beschleunigten Artensterbens, auffälliger Versauerung der Weltmeere, Vernichtung der Wälder, Ausdünnung der Ozonschicht und Zunahme regional auftretender Umweltkatastrophen seit den 1990er Jahren kam die MLPD zu dem prägnanten Urteil: Im Prozess der globalen Umweltkrise wurde bereits ein qualitativer Sprung, das Umschlagen in eine globale Umweltkatastrophe, eingeleitet. Weitere wissenschaftliche Beobachtungen haben inzwischen bestätigt, dass sich dieser Prozess erweitert und beschleunigt hat. Allein die metaphysischen Methoden der bürgerlichen Weltanschauung verhindern, die Entwicklung der Einheit von Mensch und Natur realistisch zu prognostizieren.
Die unendlichen Bewegungsformen der Materie, die unendlichen Prozesse der Verwandlung einer Form der Materie in eine andere zu erforschen und zu verallgemeinern, der Natur die dabei wirkenden konkreten Bewegungsgesetze abzuringen und sie dann anzuwenden – darin besteht die weltanschauliche Grundlage des immer besseren Begreifens der Einheit von Mensch und Natur und der immer höheren Fähigkeit, sie zu gestalten. Letztlich kann erst eine Gesellschaftsordnung, die von einer solchen wissenschaftlichen proletarischen, sozialistischen und kommunistischen Denkweise geleitet wird, eine nachhaltige und sich weiterentwickelnde Einheit von Mensch und Natur garantieren.
Dialektik des Makrokosmos
Die menschliche Wahrnehmung im Makrokosmos reicht heute weit in die Tiefen des Alls, infolge der Entwicklung der Radioastronomie bis etwa 13,8 Milliarden Lichtjahre1. Das bleibt aber immer noch ein winziger Ausschnitt der unendlichen Weiten des Universums. Milliarden von Sternsystemen, Galaxien, können beobachtet werden. Sie bilden Haufen und Superhaufen, die wiederum bis zu einer Million Galaxien umfassen können. Wie bei allen Formen der Materie gibt es Kampf und Einheit, Wechselwirkungen und Zusammenstöße auch zwischen Galaxien. Sie durchlaufen verschiedene Entwicklungsstadien und können dabei in größeren Galaxien aufgehen, neue entstehen lassen oder sich in niedrigere Formen der Materie auflösen.
Unsere Galaxis, die Milchstraße, gehört zu einem Haufen von etwa 30 Galaxien. Sie umfasst 200 bis 300 Milliarden Sterne, die in Gestalt einer riesigen Spirale um ein Zentrum rotieren und zum Teil in Kugelhaufen zusammengeballt sind.
Unsere Sonne bewegt sich in einem Randbereich der Milchstraße, etwa 30 000 Lichtjahre vom Kern entfernt. Sie benötigt für einen Umlauf um das Zentrum etwa 220 Millionen Jahre.
Unser Sonnensystem besteht aus der Sonne, acht Planeten mit ihren Monden, aus Planetoiden2, Kometen und Meteoriten, Gas und Staub. Die Sonne...