Neben einem deutlich erweiterten Anwendungsbereich führt der deutsche Gesetzgeber im Medizinprodukterecht neue Begriffe ein. An dieser Stelle erkläre ich Ihnen die Begriffe »Hersteller, Betreiber und Anwender«. Um den Begriff »Medizinprodukt« wird es in Kapitel 3 gehen.
Gemäß § 3 Nr. 15 MPG ist Hersteller die natürliche oder juristische Person, die für die Auslegung, Herstellung, Verpackung und Kennzeichnung eines Medizinprodukts im Hinblick auf das erstmalige Inverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich ist; unabhängig davon, ob diese Tätigkeit von dieser Person oder stellvertretend für diese von einer dritten Person ausgeführt wird.
Hersteller ist aber auch die natürliche oder juristische Person, die ein oder mehrere vorgefertigte Medizinprodukte montiert, abpackt, behandelt, aufbereitet, kennzeichnet oder für die Festlegung der Zweckbestimmung als Medizinprodukt im Hinblick auf das erstmalige Inverkehrbringen verantwortlich ist.
Damit rückt neben der eigentlichen Entwicklung und Produktion eines Medizinprodukts auch die Verantwortung für das erstmalige Inverkehrbringen als Kriterium für einen Hersteller von Medizinprodukten in den Vordergrund.
Der Begriff »Betreiber« ist bis heute weder im Medizinproduktegesetz noch in der Medizinprodukte-Betreiberverordnung definiert. In Anbetracht der Vielzahl von Aufgaben, die der Gesetzgeber dem Betreiber von Medizinprodukten in der Medizinprodukte-Betreiberverordnung zuspricht, ohne festzulegen, wer denn tatsächlich Betreiber ist, führt dies zumindest in der Praxis der ambulanten Pflege sowie der Altenpflege zu einer großen Rechtsunsicherheit. Erschwerend kommt hinzu, dass das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in seinem Urteil vom 16.12.2003 Folgendes entschieden hat: »Eine gesetzliche Krankenkasse, die ihren Versicherten die von diesen benötigten elektrisch betriebenen nichtimplantierbaren Hilfsmittel unter Einschaltung eines Sanitätshauses leihweise überlässt, ist nicht Betreiberin der Geräte im Sinne der Medizinprodukte-Betreiberverordnung.«4
Solange der deutsche Gesetzgeber den Begriff Betreiber nicht gesetzlich regelt, ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die folgende Definition für einen Betreiber:
Betreiber eines Medizinprodukts ist jede natürliche oder juristische Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über das Medizinprodukt ausübt. Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft bedeutet, alle Aufgaben und die damit verbundenen Verantwortlichkeiten und Kosten wahrzunehmen, die einem Betreiber von Medizinprodukten in der Medizinprodukte-Betreiberverordnung zugesprochen werden.
Natürliche bzw. juristische Personen als Betreiber von Medizinprodukten
Natürliche Personen als Betreiber von Medizinprodukten
• Altenpfleger/in als Inhaber/in eines privaten ambulanten Pflegedienstes
• Arzt für Allgemeinmedizin als Inhaber einer Arztpraxis
• Physiotherapeut als Inhaber einer Praxis für Physiotherapie
Juristische Personen als Betreiber von Medizinprodukten
• Träger eines Krankenhauses, z. B. Landkreis
• Träger eines Altenheimes, z. B. Landeshauptstadt
• Träger einer Sozialstation, z. B. Wohlfahrtsverband
jeweils vertreten durch z. B. den Geschäftsführer oder Verwaltungsdirektor.
Juristisch wird zusätzlich unterschieden in »Eigentümer« (§ 872 BGB) und »Besitzer« (§ 854 BGB) einer Sache. Nach dieser Unterscheidung muss der Besitzer eines Medizinprodukts nicht unbedingt auch dessen Eigentümer sein, denn über die Verantwortung als Betreiber entscheiden die Besitz- und nicht die Eigentumsverhältnisse. Demnach ist auch die Person Betreiber eines Medizinprodukts, die das Gerät im Rahmen eines Miet- oder Leasingvertrages besitzt und für die Anwendung am Menschen zur Verfügung stellt, somit also die tatsächliche Sachherrschaft über das Medizinprodukt ausübt.
Besitzer oder Betreiber?
1. Der Eigentümer ist nicht zugleich Besitzer und Betreiber
• Ein Träger betreibt in einer Großstadt drei Altenpflegeeinrichtungen und least 30 gleiche elektrisch betriebene Blutdruckmessgeräte. Die Leasinggesellschaft finanziert die 30 Blutdruckmessgeräte und erwirbt somit die Eigentumsrechte an diesen Medizinprodukten. Die Leasinggesellschaft ist Eigentümer gemäß § 872 BGB.
• Gleichzeitig gehen die 30 Blutdruckmessgeräte in den Besitz des Trägers über, der sie auf seine drei Altenpflegeeinrichtungen verteilt, in denen sie an den Bewohnern angewendet werden.
Dadurch übt der Träger die tatsächliche Sachherrschaft über die 30 Blutdruckmessgeräte aus und ist somit Besitzer nach § 854 BGB und Betreiber der 30 elektrisch betriebenen Blutdruckmessgeräte.
2. Der Eigentümer ist zugleich Besitzer und Betreiber
• Eine Altenpflegerin als Inhaberin eines privaten ambulanten Pflegedienstes kauft ein elektrisch betriebenes Blutdruckmessgerät und bezahlt dieses bar im Sanitätshaus. Damit ist sie Eigentümerin des Blutdruckmessgerätes gemäß § 872 BGB.
• Gleichzeitig entscheidet sie als Inhaberin ihres ambulanten Pflegedienstes über die Verwendung des Blutdruckmessgerätes und übt somit die tatsächliche Sachherrschaft im täglichen Geschäftsverkehr aus.
Damit ist die Altenpflegerin als Inhaberin ihres ambulanten Pflegedienstes zugleich Eigentümerin nach § 872 BGB, Besitzerin nach § 854 BGB und somit Betreiberin des elektrisch betriebenen Blutdruckmessgerätes.
Definition »Betreiber«
Der Betreiber eines Medizinprodukts ist jede natürliche oder juristische Person, die das Medizinprodukt besitzt und die tatsächliche Sachherrschaft über das Medizinprodukt ausübt.
Der Betreiber von Medizinprodukten ist in vollem Umfang verantwortlich
• für die Umsetzung der rechtlichen Vorschriften des Medizinproduktegesetzes, der Medizinprodukte-Betreiberverordnung und der Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung in jeder seiner Einrichtungen;
• für die Schaffung organisatorischer Voraussetzungen, um Medizinprodukte sicher, zweckbestimmt und sachgerecht anzuwenden bzw. anwenden zu lassen;
• für die Bereitstellung sicherer Medizinprodukte.
Auch der Begriff »Anwender« ist bis heute weder im Medizinproduktegesetz noch in der Medizinprodukte-Betreiberverordnung definiert. In Anbetracht der Vielzahl von Aufgaben, die der Gesetzgeber dem Anwender von Medizinprodukten im Medizinproduktegesetz und der Medizinprodukte-Betreiberverordnung zuspricht, ohne festzulegen, wer denn tatsächlich Anwender ist, führt dies in der täglichen Pflegepraxis nicht selten zu einer großen Rechtsunsicherheit.
Definition »Anwender«
In Analogie zur Begrifflichkeit der Medizingeräteverordnung (MedGV) wird als Anwender jede Person verstanden, die ein Medizinprodukt eigenverantwortlich am Menschen anwendet, unabhängig von ihrer Qualifikation.
Anwender
Pflegende, Ärzte, Pflege-, Arzthelfer, Physiotherapeuten, ehrenamtliche Mitarbeiter, Rettungssanitäter, -assistenten, Studenten, Praktikanten und Zivildienstleistende, wenn sie Medizinprodukte eigenverantwortlich anwenden.
Keine Anwender
All die Personen, die unter ständiger Aufsicht, z. B. im Rahmen der Einweisung in die sachgerechte Handhabung eines Medizinprodukts oder der Ausbildung, das Medizinprodukt anwenden, weil sie nicht eigenverantwortlich über die Handhabung des Medizinprodukts entscheiden: z. B. Auszubildende, Fachweiterbildungsteilnehmer, neue Mitarbeiter. In diesem Fall ist die anleitende bzw. einweisende Person Anwender des Medizinprodukts.
Auszubildende in der Pflege
• Eine Auszubildende der Altenpflege wird im Rahmen ihrer Ausbildung durch einen Altenpfleger, der zugleich ihr Praxisanleiter ist, unter dessen ständiger Aufsicht in die sichere, zweckbestimmte und sachgerechte Handhabung eines Blutzuckermessgerätes eingewiesen. Anwender des Blutzuckermessgerätes am Bewohner ist der Altenpfleger und nicht die Auszubildende.
• Nach erfolgreicher und schriftlich dokumentierter Einweisung in die sichere, zweckbestimmte und sachgerechte Handhabung benutzt eine Auszubildende das Blutzuckermessgerät eigenverantwortlich am Bewohner. Nun ist die Schülerin Anwender dieses Medizinprodukts und nicht mehr der Altenpfleger, der sie zuvor eingewiesen hat. Damit liegt auch die rechtliche Verantwortung für die korrekte Ausführung...