KAPITEL 3
KRAFTTRAINING MIT KETTLEBELLS
Kettlebells stehen schon seit langer Zeit für Kraft, Stärke und körperliche Leistungsfähigkeit allgemein, weil man diese Komponenten benötigt, um die kompakten Rundgewichte gut handhaben zu können. Die früher populären »starken Männer«, die beruflich als Kraftathleten oder Kraftartisten auf Jahrmärkten und im Zirkus aufgetreten sind, haben u. a. mit Kettlebells trainiert und damit auch ihre Kraft zur Schau gestellt.
Dieses Kapitel soll einen Überblick darüber geben, wie man seine Kraft und Stabilität mit Kettlebells deutlich verbessern kann. Wer die hier dargestellten Prinzipien und Methoden regelmäßig anwendet, wird bei entsprechender Ernährung und Erholung mit einem stabilen, festen und athletischen Körper belohnt, der noch stärker ist, als er aussieht. Das funktionelle Zusammenspiel der Muskelfasern innerhalb eines jeden Muskels, aber auch zwischen den Muskeln selbst wird deutlich verbessert, was zu einer hohen Übertragbarkeit der erworbenen Leistungsfähigkeit auf Alltags- und Sportbewegungen führt.
Dieser Effekt wurde und wird durch Studien und Praxiserfahrungen immer wieder bestätigt. Der bekannte Kettlebell-Trainer Pavel Tsatsouline drückt es in seinem Buch Kettlebell-Training so aus: »Wenn wir (in Russland) ›Kraft‹ sagen, meinen wir ›Kettlebell‹. Wenn wir ›Kettlebell‹ sagen, meinen wir Kraft.«
Trainingsprinzipien und Trainingsmethoden
Um die Kraft zu erhöhen, gibt es grundlegende Prinzipien und viele verschiedene Methoden, je nachdem, welches Trainingsziel gerade angestrebt wird und worauf der jeweilige Körper am besten reagiert. Leider gibt es nicht die eine beste Methode oder das eine beste Rezept für alle. Und selbst wenn eine Methode für Sie gut funktioniert, so sollten Sie doch verschiedene Methoden anwenden, die sich abwechseln oder rotierend durchgeführt werden, weil sich der Körper schnell an den spezifischen Belastungsreiz anpasst und dann kaum noch Trainingsfortschritte machen kann.
Leider kann ich Ihnen nicht sagen, welche Methoden bei Ihnen die schnellsten und besten Ergebnisse erzielen, da die Trainingswirkung auch sehr von der genetischen Veranlagung abhängt. Einige Menschen können schneller und leichter Kraft und Muskelmasse aufbauen, anderen fällt es leichter, ihre Ausdauer zu verbessern. Manche Menschen können aufgrund ihrer Veranlagung in einigen Bereichen auch nur geringe Trainingsergebnisse erzielen, wie u. a. Studien von Prof. Claude Bouchard gezeigt haben. Dennoch kann jeder Mensch seine Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit durch ein gezieltes Training deutlich verbessern.
Probieren Sie die verschiedenen Trainingsmethoden einfach für sich aus und finden Sie heraus, was bei Ihnen am besten funktioniert. Beachten Sie aber, dass Sie jede Methode wenigstens vier bis sechs Wochen lang regelmäßig durchführen sollten, um wirklich realistische Aussagen über deren Wirkung auf Ihren Körper machen zu können.
Bitte bleiben Sie auch nicht nur bei einer Methode, selbst wenn Sie bei Ihnen sehr gut zu funktionieren scheint, und verwechseln Sie starken Muskelkater nicht mit einer besonders effektiven Trainingsmethode. Das kann einfach am neuen Trainingsreiz liegen, vor allem, wenn Sie vorher länger nach dem gleichen Schema trainiert haben. Da sich der Körper an spezifische Belastungen anpasst, benötigt er nach einiger Zeit wieder neue oder andere Reize, um weitere Trainingsfortschritte und Leistungsverbesserungen erzielen zu können. Von daher sollten Sie alle paar Wochen oder Monate die Trainingsmethodik ändern. Siehe hierzu auch das Kapitel über die Grundlagen zur Trainingssteuerung. Sie benötigen also je nach Trainingsziel mehrere Methoden, die bei Ihnen gut funktionieren, um sie dann z. B. rotierend einsetzen zu können.
Der Wechsel der Trainingsmethode kann auch eine interessante Abwechslung ins Training bringen und die Motivation erhöhen, falls das nötig sein sollte. Zu viel Abwechslung hingegen ist jedoch beim Erreichen bestimmter Trainingsziele kontraproduktiv. Von daher rate ich von losen, unstrukturierten Workouts ab, die heutzutage häufig angeboten werden, wenn Sie ein konkretes Trainingsziel verfolgen. Falls Sie nur aus reiner Freude an der Bewegung und ohne ein spezielles Ziel trainieren, können Sie natürlich gerne häufig die Art und Inhalte des Trainings wechseln.
Grundlegende Trainingsprinzipien für verschiedene Krafttrainingsziele
ZIEL | GEWICHT | WIEDERHOLUNGSZAHL | TEMPO | SÄTZE |
(Maximal-) Kraft erhöhen | schwer | niedrig (1–5) | »normal«, kontrolliert absenken, schnellstmögliches Anheben, ca. 2 s/Wdh. | Je nach Methode wenig bis viele (2–10) |
Muskelaufbau (Hypertrophie) | mittel bis schwer | hoch (6–15) | »moderat bis langsam«, kontrolliert absenken, kurze Pause, schnellstmögliches Anheben, etwa 3 s/Wdh. oder mehr | mittel (3–5) |
Kraftausdauer erhöhen | leicht | sehr hoch (15+) | »moderat«, kontrolliert absenken, evtl. kurze Pause, schnellstmögliches Anheben, ca. 2–3 s pro Wdh. | wenig (2–3) |
Anmerkung zur Anzahl der Sätze pro Übung: Anfänger sollten immer mit 1 bis maximal 2 Sätzen pro Kraftübung beginnen und können sich dann im Laufe der nächsten Trainingseinheiten bei Bedarf steigern. In der Regel ist das ein ausreichender Trainingsreiz.
Zu den genannten grundlegenden Trainingsprinzipien gibt es aber noch eine Vielzahl an sehr erfolgreichen Methoden, die mit anderen Wiederholungs- und Satzzahlen arbeiten.
Progressions- und Regressionsmöglichkeiten von Übungen, ohne das Gewicht verändern zu müssen
Beim Kettlebell-Training verlaufen die Gewichtsabstufungen klassisch in 4-Kilogramm-Schritten. Das Gewicht lässt sich also nicht in so kleinen Schritten wie beim Freihanteltraining verändern. Als Konsequenz daraus muss die Trainingsgestaltung bezüglich der Progression und Regression teilweise anders gestaltet werden, weil der Schritt zur nächstschwereren Kettlebell vor allem bei Übungen, die viel Oberkörperkraft erfordern, sonst häufig zu hoch ist.
Wenn man z. B. 16 Kilogramm ganz gut über den Kopf drücken kann (Overhead Press), dann ist es üblich, einen neuen Trainingsreiz durch ein höheres Gewicht zu setzen. 20 Kilogramm könnten dann aber noch zu schwer sein, um die gewünschte Wiederholungszahl oder überhaupt eine Wiederholung mit der gleichen Übung bewältigen zu können. Da 16 Kilogramm keinen nennenswerten Trainingsreiz mehr setzen, kann es zu einem Leistungsplateau kommen. Freihanteltraining hat hier den Vorteil, dass Armübungen meist in 2,5 Kilogramm-Schritten gesteigert werden, was im Vergleich zur Steigerung der Gewichte bei Kettlebells nur etwas mehr als die Hälfte darstellt und meist gut durchführbar ist.
Dennoch gibt es verschiedene Möglichkeiten, um Kettlebells bei einer gegebenen Übung (z. B. Overhead Press) leichter erscheinen zu lassen (Regression), aber auch schwerer (Progression).
Die im Vergleich zum Freihanteltraining größeren Gewichtsabstufungen bieten sowohl Vor- als auch Nachteile. Der Hauptnachteil wurde oben bereits erwähnt. Ein Vorteil ist, dass man den Sehnen und Bändern mehr Zeit zur Anpassung geben kann, was das Risiko von Überlastungen und Verletzungen durch zu schnelle Gewichtssteigerungen deutlich reduziert. Muskeln passen sich von der Struktur her wesentlich schneller an Belastungen an als die anderen Gewebe. So kann man von den Muskeln her im Training schon recht schnell die Gewichte steigern. Das kann jedoch die Sehnen überlasten, die mehr Zeit zur Anpassung benötigen. Die Folge können z. B. Sehnenentzündungen, -einrisse oder -abrisse sein, die in der Regel Monate zur vollständigen Heilung benötigen.
Daher wird mit Kettlebells häufig eher volumenorientiert trainiert: Man führt innerhalb einer Trainingseinheit recht viele Wiederholungen mit mittleren und schweren Gewichten durch. Dies ist zunächst nach Auffassung der Trainingswissenschaft ein Widerspruch, mithilfe verschiedener Methoden ist es dennoch möglich und sinnvoll. Bevor man also zur nächstschwereren Kettlebell übergeht, werden mit dem gegebenen Gewicht teilweise sehr hohe Wiederholungszahlen pro Übung und Trainingseinheit durchgeführt, um sowohl die Kraft zu steigern als auch den Sehnen ausreichend Zeit zur Anpassung zu gewähren. Gleichzeitig verbessert sich durch die hohen Wiederholungszahlen die Technik (intra- und intermuskuläre Koordination), was wiederum das Training sicherer macht und ebenfalls ein Training mit höheren Gewichten vorbereitet. Kraft innerhalb einer Übung ist letztendlich nur die Fähigkeit, eine hohe...