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E-Book

Kinder optimal fördern - mit Musik

Intelligenz, Sozialverhalten und gute Schulleistungen durch Musikerziehung

AutorHans Günther Bastian
VerlagSchott Music
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl108 Seiten
ISBN9783795786113
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Was haben sie gemeinsam - die Universalgelehrte Hildegard von Bingen, die Pianistin Clara Schumann, der Nobelpreisträger Albert Einstein, der Jahrhundertgeiger Yehudi Menuhin, Altbundeskanzler Helmut Schmidt und die Schauspielerin Katja Riemann? Sie haben allesamt erfahren, dass aktives Musizieren die Lebensqualität steigert - Einzelbeispiele? Nein! Eine sechsjährige Langzeitstudie mit Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren hat wissenschaftlich eindeutig belegt: Musizierende Kinder und Jugendliche - verbessern ihr Sozialverhalten, - erhöhen ihren IQ-Wert, - erbringen gute schulische Leistungen, - kompensieren Konzentrationsschwächen u.a.m. Professor Hans Günther Bastian, Leiter des Forschungsprojektes, fasst im vorliegenden Taschenbuch wichtige Ergebnisse der 700 seiten starken wissenschaftlichen Studie Musik(erziehung) und ihre Wirkung zusammen und bietet überzeugende Argumente für die Forderung nach einem zentralen Platz von Musikerziehung in der allgemein-bildenden Schule. Das Buch hilft Eltern, Erziehern, Musiklehrern, den Jugendlichen selbst und Politikern auf Landes- und Bundesebene zu erkennen, welches Potential in Musik und Musikerziehung steckt. Lasst uns dafür sorgen, dass in unseren Wohnungen und in unseren Schulen gesungen und Musik gemacht wird, auf dass die Nachwachsenden lernen, daran Freude zu haben. Es wird Zeit für jene Sprache, die unsere Seele ohne Umwege erreicht... (Altbundeskanzler Helmut Schmidt)

Univ.-Prof. (em.) Dr. phil. Hans Günther Bastian wurde am 22. Juni 1944 in Niederzeuzheim geboren. Er studierte an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main Musik, Mathematik und Katholische Theologie für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen. Von 1966 bis 1975 war er Lehrer an verschiedenen hessischen Schulen und Schulformen, danach arbeitete er als Pädagogischer Mitarbeiter im Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik der Universität Gießen und studierte neben seiner Lehrtätigkeit die Fächer Systematische Musikwissenschaft, Erziehungswissenschaften und Pädagogische Psychologie. 1980 erfolgte seine Promotion mit der Dissertation: Neue Musik im Schülerurteil. Im gleichen Jahr wurde Hans Günther Bastian zum Professor für Musikpädagogik an die Universität Bonn berufen. Von 1986 bis 1998 lehrte er als Ordentlicher Univ.-Professor an der Universität Paderborn mit Schwerpunkt Empirische Musikpädagogik und Musikpädagogische Psychologie. Hans Günther Bastian ist Gründungsdirektor des 'Institutes für Begabungsforschung und Begabtenförderung in der Musik' (IBFF). 1997 erhielt er einen Doppelruf: zum einen auf die Lehrkanzel für Musikpädagogik an die Universität Mozarteum Salzburg, zum zweiten an die Goethe-Universität Frankfurt am Main. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2005 hatte er den dortigen Lehrstuhl für Musikpädagogik inne. Hans Günther Bastians Arbeits- und Forschungsschwerpunkt liegt auf dem Gebiet der empirischen musikpädagogischen Forschung. Ein öffentlich weithin beachtetes Projekt war seine Langzeitstudie an Berliner Grundschulen 'Zum Einfluss erweiterter Musikerziehung auf die allgemeine und individuelle Entwicklung von Kindern'. Die Ergebnisse der Studie sind 2000 unter dem Titel Musik(erziehung) und ihre Wirkung bei Schott Music erschienen. In einer auch für Nicht-Fachleute verständlich geschriebenen Zusammenfassung liegt das Material auch als Taschenbuch mit dem Titel Kinder optimal fördern-mit Musik vor. Neben zahlreichen musikpädagogischen Schriften erschien bei Schott Music das fünfbändige Werk Chorleitung - Theorie und Praxis.

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Leseprobe

Soziale Kompetenz – durch Musikerziehung

Sie ist in aller Munde: die Gewalt als soziales Phänomen, als Mittel, sich in der Gesellschaft zu behaupten – nicht in irgendeiner Gesellschaft, sondern exakt in unserer Gesellschaft. Es sind unsere Kinder, so titelte die ZEIT-Herausgeberin Gräfin Marion Dönhoff einen Leitartikel zur Gewalteskalation – soziale Deformation und Inkompetenz provokativ auf den Punkt gebracht. Das Horrorszenario liest sich so erschreckend wie eindrucksvoll:

Die Kinderkriminalität nimmt zu. Die Delinquenten werden immer jünger. [...] Morddrohungen gegen Lehrer häufen sich, Polizeirazzien sind in nicht wenigen deutschen Schulen Alltag [...]. Einer Bonner Studie zufolge kommen die Täter mit Baseballschlägern, »Butterfly-Messern«, Gaspistolen und Schlagringen zum Unterricht; die Opfer wappnen sich dagegen mit Reizgas. Die Hemmschwelle ist niedrig geworden. Weitere Schreckensnachrichten sind nachzulesen [...]. Die Berichte von Landeskriminalämtern, Jugendpsychologen und Polizei variieren in den Zahlen, doch alle bestätigen eine Zunahme von Gewaltdelikten. [...] Alle sprechen von einer »Dunkelziffer«, weil die Schüler aus Angst vor ihren Erpressern die Vorfälle weder in der Schule noch zu Hause melden.

Zwei Fragen drängen sich nach Dönhoff auf. Erstens: Warum soviel Gewalt? Warum diese Brutalität? Zweitens: Was kann man dagegen tun?

Das Münchner Institut für Schulpädagogik hat die Leiter von 3 600 bayerischen Schulen befragt. Deren Erklärung: fehlendes Unrechtsbewusstsein, Intoleranz, extreme Ich-Bezogenheit. Als Ursachen nennen Experten die Verwahrlosung der Eltern-Kind-Beziehung, die Beschränkung des Kontaktes auf das Nötigste, die fehlende Definition der Elternrolle in der Grenzverwischung zwischen den Generationen. Und alle beobachten die Folgen des Fernsehens: Viele Kinder meinen, die Wirklichkeit sei ein Abbild der Filme. Deswegen ist Gewalt für sie ein normales und probates Mittel zur Lösung von Konflikten.

Sollten wir uns darüber verwundern? Im Grunde nicht. Wenn Sendeformate wie Big Brother oder das so genannte Insel-Duell eine (ökonomische, nur darum geht es!) Chance haben, im gleichen Zuge aber Formate wie der Baden-Badener Disput abgeschafft werden, darf man sichtbar die Stirn runzeln. Wenn es nur noch darum geht, dass einer oder eine am Ende übrig bleibt – gleich, ob der Stärkste, der Dümmste, die Schönste, die Aufregendste –, so ist die Gewalt sozusagen als Überlebensmittel in dieser Gesellschaft sanktioniert. Karl Kraus’ Aphorismus hat seine späte Bestätigung in unserer Gegenwart erhalten: Wer anderen keine Grube gräbt, fällt selbst hinein.

Was kann man da noch tun? Dazu Marion Dönhoff:

Der Versuch, allein mit Verbot und Strafe etwas zu erreichen, ist hoffnungslos. Seit zwei Jahren finden sich darum allenthalben Organisationen und Privatpersonen zusammen, um durch Antigewaltprojekte, Präventivmaßnahmen und das Aufzeigen von Alternativen bei Konflikten Versöhnung zu bewirken. Kinder- und Jugendaktionsprogramme etwa in Hamburg, Berlin und Bayern, so begrüßenswert sie auch sind, haben oft weniger Erfolg als erwünscht.

Die Publizistin klagt an:

Wenn die Gesellschaft keine verbindlichen ethischen Maßstäbe hat, wenn sich alles um den materiellen und kommerziellen Erfolg dreht, wenn Mitglieder des Vorstands einer Großbank wegen Steuerhinterziehung zurücktreten und gegen Hunderte von Ärzten wegen Betrügereien ermittelt wird, dann kann man von Jugendlichen nicht viel erwarten.

Ihrer Schlussfolgerung ist nur zuzustimmen:

Wir müssen erst einmal unsere Gesellschaft zivilisieren, für eine humane Dimension des Zusammenlebens sorgen und für mehr Interesse an geistigen und kulturellen[Hervorhebung, B.] Dingen. Dann wird sich auch das Bild der heranwachsenden Jugend verändern. Ob dies schnell genug geschieht, hängt allein von uns ab.

Wir haben ein Gewaltproblem in Schule und Gesellschaft – wer wollte daran zweifeln. Aber diese Erkenntnis ist natürlich nicht neu; es gab sie, in anderer Ausprägung, in allen früheren Zeiten. Nur, der bloße Blick zurück löst nicht unsere Probleme. Da sind wir schon selbst aufgerufen, den Verstand in die Hand zu nehmen und erst einmal die Augen zu öffnen. Was sehen wir? Werteverlust und Orientierungslosigkeit, Sinndefizite und moralische Verwahrlosung, wachsende Aggressions- und Gewaltbereitschaft – dies sind Begriffe, die mehr oder weniger wahllos der öffentlichen Debatte um Jugend und Jugendkultur entnommen sind (was nebenbei bemerkt genauso vehement in den ausgehenden 60er und frühen 70er Jahren diskutiert wurde).

Andererseits: Der Verweis auf historische Wiederholungen hilft strategisch bei der Lösung dieser Schwierigkeiten nicht weiter. Umso wichtiger ist die bildungspolitische und fachpädagogische Botschaft der vorgelegten Berliner Langzeitstudie: Musik und Musizieren sind eine soziale Chance zu rechtzeitiger und wirkungsvoller Prä- und Intervention gegen die Aggressionspotentiale unserer Kinder.

Halten wir für einen Moment bei der Theorie inne: Zur Persönlichkeits werdung der Kinder gehört ganz wesentlich die Fähigkeit zum sozialen Verhalten. Dies meint die Fähigkeit zur Aufnahme von Schüler-Lehrer-Beziehungen, zur Einordnung in die Schulklasse als Arbeitsgemeinschaft und die Übernahme einer Rolle als »Schüler« (role-taking), die Anerkennung von Regeln und Normen in dieser sozialen Gruppe, die Rückstellung eigener Interessen. Wir sprechen übergreifend von »sozialer Kompetenz« und meinen die Verfügbarkeit und die angemessene Anwendung von motorischen, geistigen und emotionalen Verhaltensweisen, Einstellungen usw., um sich erfolgreich mit bestimmten wichtigen Lebenssituationen (z.B. Lernen im Klassenverband) auseinander setzen zu können.

Kinder lernen im Laufe ihrer Grundschulzeit, den anderen nicht nur als Partner im Geben und Nehmen zu schätzen, sondern als jemanden, der eine eigene und manchmal andere Perspektive auf die Dinge hat. Der Erziehungswissenschaftler Dieter Baacke spricht von prosozialem Verhalten, das eine gewisse Fähigkeit voraussetzt, den Egoismus zu überwinden, um den Zustand der Mitmenschen nicht aus den Augen zu verlieren.

Sagen wir es noch anders: Soziale Kompetenz bezeichnet

dasjenige Bündel an Fähigkeiten, das notwendig ist, um mit anderen Menschen sozialen Umgang zu haben, um angemessen und treffsicher (aber nicht statisch) verstehen und handeln zu können, um an Gemeinschaften sinnvoll teilzuhaben, um in die Gesellschaft integriert zu sein. Grundlegende soziale Kompetenzen entstehen durch Sozialisation, entwickeln sich also im Umgang in der Familie, in Institutionen, mit Gleichaltrigen und Erwachsenen (Bernhard Koring).

Soziale Kompetenz schließt moralische und kommunikative Kompetenz ein, wobei im Unterschied zu Jürgen Habermas gerade nicht auf Diskurs als Grundfähigkeit des Sozialen gesetzt sei. Sprache und sprachpraktische Fertigkeiten sind im sozialen Handeln von Kindern und Jugendlichen weitaus weniger zentral als im Habermas’schen Konzept ausgewiesen. Stattdessen werden insbesondere in weniger sprachprivilegierten Schichten nonverbale Kommunikationsformen und -fähigkeiten favorisiert, was in jugendlichen Musikkulturen unschwer zu beobachten ist: Neue Formen des Miteinander sind die Musik selbst, dann auch Mode, Lebensstil, Gerüche, Gestik, Mimik, Tanz u.a.m. Nicht Sprache wird also zum zentralen Transmitter von Kommunikation, sondern die Musik selbst wird zur indirekt vermittelnden Instanz – ähnlich den Lieder(n) ohne Worte bei Felix Mendelssohn Bartholdy.

Leider neigen wir bis heute noch immer dazu, Begabung mit akademischer Intelligenz und Intelligenz mit guten Schulnoten gleichzusetzen. Eine solche pädagogisch verengte Perspektive verstellt den Blick auf die Vielfalt der Talente, die es beim Menschen gibt, beispielsweise auch auf die so wichtig gewordene »soziale Kompetenz«. Soziale Begabungen und emotionale Intelligenz sind für den Typus von Problemen, mit denen die heutige »postmoderne« Gesellschaft konfrontiert ist, an denen sie leidet und krankt, eine ganz entscheidende Ressource. Der Begabungsbegriff ist dringend vom einseitigen Konstrukt der akademischen Intelligenz abzulösen; er ist einesteils komplexer und anderenteils differenzierter zu betrachten.

Kritisch sei angemerkt, dass die Bestimmung des akademischen IQ (im Allgemeinen als »unspezifische Begabung« verstanden) und die Nutzung von rein kognitiven Begabungen in der Vergangenheit zu lange im Vordergrund standen. Die »Hirn«- Überfrachtung unserer Kinder in Erziehung und Schule führte in der Folge zu einer Konzentration auf Begabungen im naturwissenschaftlichen und mathematischen Bereich mit dem vorrangigen Ziel, die Effizienz von Schule im Hinblick auf internationale technologische Konkurrenzfähigkeit zu steigern.

Aber trotz starker technikorientierter...

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