4 Allgemeine therapeutische Strategien bei narzisstischen Klienten (S. 51-52)
In diesem Kapitel werden die allgemeinen therapeutischen Prinzipien und Strategien zum Umgang mit narzisstischen Klienten dargestellt, die für alle drei Typen von NAR gelten. Besonders wesentlich sind dabei Strategien der Komplementarität und der Konfrontation.
4.1 Allgemeine therapeutische Grundhaltungen
Für jede Art von Persönlichkeitsstil oder Persönlichkeitsstörung gibt es wichtige therapeutische Grundhaltungen, die ein Therapeut einnehmen können sollte, wenn er mit diesen Klienten effektiv arbeiten können will.
Da Therapeuten oft selbst zu einem narzisstischen Stil neigen, ist es wesentlich, dass Therapeuten ihre eigenen Schemata und Handlungen in Selbsterfahrung gut kennen und ausreichend unter Kontrolle haben. Insbesondere sollten Therapeuten
• nicht dazu neigen, mit narzisstischen Klienten in Konkurrenz zu treten und nicht einer Tendenz folgen, dem Klienten zeigen zu müssen, wie gut, erfolgreich oder kompetent sie sind,
• nicht mit NAR in Machtkämpfe geraten, wenn Klienten z.B. versuchen, therapeutische Regeln zu verhandeln oder den Therapeuten testen,
• in der Lage sein, das Angeben der Klienten, die übertriebene Selbstdarstellung eher als Teil des Klienten-Problems wahrzunehmen und es positiv zu konnotieren,
• in der Lage sein, die starke Vermeidung, das negative Selbst-Schema zu betrachten, nicht als „Widerstand“ zu sehen, sondern als eine normale Prozessphase der Therapie,
• in der Lage sein, die Klienten auf einer persönlichen Ebene als einen „peer“ wahrzunehmen und anzuerkennen und dem Klienten Respekt entgegenzubringen.
Therapeuten sollten in der Regel in der Lage sein, sich in ELNAR hineinzuversetzen, wenn sie mit diesen Klienten arbeiten wollen. Sie sollten in der Lage sein, auch diesen Klienten respektvoll zu begegnen.
Die wesentlichste Grundhaltung des Therapeuten einem narzisstischen Klienten gegenüber ist Respekt: Man respektiert den Klienten als Person, erkennt dessen Erfolge an und „holt den Klienten da ab, wo er ist“. Man respektiert auch die Autonomie des Klienten (sowohl Autonomie als Motiv als auch „Flucht in die Autonomie“ als Vermeidungsziel) und versucht nie, den Klienten zu bevormunden.Wesentlich ist es, durch Interventionen Compliance und keine Reaktanz zu erzeugen: Der Klient muss eine Veränderung wollen, er muss sie als sinnvoll und erstrebenswert ansehen. Daher muss der Therapeut den Klienten so steuern, dass es gelingt, Interventionen immer „am System des Klienten anzudocken“: Veränderungen müssen immer von dem ausgehen, was der Klient aufweist und müssen aus der Sicht des Klienten nachvollziehbar und sinnvoll sein. Um das zu erreichen, braucht ein Therapeut manchmal viel Vorarbeit, aber auch Geduld: Wenn ein Klient noch nicht zu einem Schritt motiviert ist, muss er motiviert werden, den Klienten zu etwas zu zwingen, ist hochgradig kontraindiziert.
4.2 Therapiephasen
Für die Therapie mit narzisstischen Klienten gilt die gleiche Abfolge von Phasen wie für alle Persönlichkeitsstörungen.
Phase 1: Beziehungsaufbau
Diese Phase dient der Schaffung von Beziehungskredit: Der Klient muss dem Therapeuten vertrauen, damit der Therapeut wichtige Interventionen wie Konfrontationen überhaupt realisieren kann.
In diese Phase fallen die therapeutischen Strategien
• Komplementarität zur Motivebene,
• Explizierung der Beziehungsmotive,
• Umgang mit Tests
• und eventuell bereits Anfänge von Klärung.
Phase 2: Entwicklung eines Arbeitsauftrages
Verfügt der Therapeut über ausreichenden Beziehungskredit, dann kann er damit beginnen, den Klienten mit Aspekten der Spielebene zu konfrontieren: Dadurch soll der Klient erkennen, dass er nicht nur Kosten hat, sondern dass er Kosten erzeugt. Er soll verstehen, dass seine Schemata und intransparenten Handlungen die Ursache seiner Kosten sind und dass er, wenn er seine Kosten reduzieren will, an diesen Aspekten therapeutisch arbeiten muss. Durch diese Erkenntnis soll aus der ich-syntonen eine ich-dystone Störung werden und der Klient soll eine Änderungsmotivation entwickeln.