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Klassenkomposition, Migrationshintergrund und Leistung

Mehrebenenanalysen zum Sprach- und Leseverständnis von Grundschülern

AutorNicole Bellin
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl219 Seiten
ISBN9783531913599
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis40,00 EUR
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Hans Merkens

Dr. Nicole Bellin promovierte bei Prof. Dr. Hans Merkens am Lehrstuhl für Erziehungswissenschaften der Freien Universität Berlin. Sie ist dort Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt zur Ganztagsorganisation im Grundschulbereich.

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Leseprobe
1 Einleitung (S. 19)

Bereits in den 1970er Jahren konstatierte Preuß bezüglich sozialer Ungleichheit im Bildungssystem:

„(…) daß es unter den gegebenen Bedingungen noch lange nicht ausreicht, ein begabter Schüler zu sein, ja noch nicht einmal, auch die erforderlichen charakterlichen Eigenschaften... vorweisen zu können, um die weiterführenden Bildungsinstitutionen mit Erfolg zu durchlaufen. Vielmehr (bedarf) (...) es dabei der motivierenden Rückendeckung und hilfreichen Unterstützung durch das Elternhaus (...), womit gerade Unterschichtfamilien überfordert sind" (Preuß, 1970, S. 77).

Die Ergebnisse des Programme of International Student Assessment der OECD (vgl. u.a. Baumert &, Schümer, 2001) haben bezüglich des Bildungserfolgs von Schülerinnen1 und Schülern unterschiedlicher Sozialschichten und für Schüler mit Migrationshintergrund verdeutlicht, dass es dem Bildungssystem seither nicht gelungen ist, diesen Schülergruppen eine angemessene Bildungsteilhabe zu ermöglichen.

Der Zusammenhang zwischen Sozialstatus bzw. auch Migrationshintergrund und Kompetenzerwerb konnte auch für den Grundschulbereich durch die IGLU-Studie belegt werden (vgl. Bos, Lankes &, Prenzel, 2004). Darüber hinaus weisen Reanalysen der Mikrozensen darauf hin, dass die Verhältnisse bezüglich der Bildungschancen zwischen den Sozialschichten über die Zeit ebenfalls relativ stabil geblieben sind, insbesondere in Hinblick auf den Zugang zum Gymnasium (vgl. Schimpl-Neimanns, 2000).

Für das Bildungssystem stellt sich die Frage der Bildungsteilhabe dringender denn je, denn unter Bezugnahme auf das Migrationskonzept wird deutlich, dass mehr als ein Viertel der Schüler einen Migrationshintergrund haben und es darüber hinaus eine Vielfalt von Migrationskonstellationen gibt, die es zu berücksichtigen gilt (vgl. Avenarius u.a., 2006).

Kinder mit Migrationshintergrund können somit nicht als eine homogene Gruppe aufgefasst werden. Für die Analyse von Disparitäten ist zusätzlich eine differenzierte Betrachtung nach Herkunftsgruppen und auch Regionen erforderlich, da sich die Zusammensetzung und Bildungsteilhabe der jeweiligen Migra- tionspopulation auf Stadt- und Bundeslandebene beziehungsweise zwischen den Bundesländern unterscheidet (vgl. Hunger &, Thränhardt, 2004).

Ethnische Schichtung, demnach vertikale ethnische Ungleichheiten, sind gekennzeichnet durch den systematischen Zusammenhang zwischen ethnischen und kulturellen Merkmalen und Ungleichheiten in Bildung, Einkommen sowie dem Zugang zu zentralen gesellschaftlichen Institutionen (vgl. Esser, 2001).

In der Reproduktion von Bildungsungleichheiten2 übernehmen schulische Leistungen eine wichtige Vermittlungsgröße (vgl. Ditton, 2004). Sofern also systematische Bildungsbenachteiligungen abgebaut werden sollen, ist das Schulsystem gefordert, auf die vorhandene Heterogenität innerhalb der Schülerschaft bezüglich der Bildungsvoraussetzungen und individuellen Ressourcen einzugehen.

Um zu bestimmen, inwieweit schulische Disparitäten von Kindern mit Migrationshintergrund überhaupt als Benachteiligung aufgefasst werden können, ist es notwendig, die Ursachen von schulischen Leistungsunterschieden näher zu betrachten.

In der einschlägigen Forschung, die seit den Ergebnissen der ersten international vergleichenden Schulleistungsstudien wieder verstärkt an Aufmerksamkeit gewinnt, werden mehrere Erklärungsansätze für die Disparitäten in den schulischen Leistungen von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund diskutiert, wobei unterschiedliche Ebenen (Individuum/ Schulsystem) betrachtet werden.

Als Einflussfaktoren für die geringeren schulischen Leistungen werden in der Literatur am häufigsten sozioökonomische, soziokulturelle und schulorganisatorische Merkmale angeführt. Kindern aus sozial schwachen Familien und aus Familien mit Migrationserfahrungen verfügen oftmals nicht über die Ressourcen, welche für den schulischen Erfolg notwendig wären.

Darüber hinaus sind Unterricht und Schulorganisation so ausgerichtet, dass bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler bereits vorausgesetzt werden. Eine zweite Argumentation bezieht sich auf die Struktur des Bildungswesens, indem zu einem frühen Zeitpunkt bereits eine Selektion und die Aufteilung auf die verschiedenen Schulformen erfolgt.
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort6
Vorwort7
Inhaltsverzeichnis8
Abbildungsverzeichnis12
Tabellenverzeichnis14
1 Einleitung17
1.1 Die Einbeziehung unterschiedlicher Analyseebenen20
1.2 Gliederung der Arbeit21
2 Theoretische Erklärungsansätze zur Entstehung von Bildungsungleichheiten24
2.1 Problemstellung24
2.2 Die Humankapitaltheorie26
2.3 Primäre und sekundäre Effekte von Bildungsungleichheit – Der Ansatz von Boudon28
2.4 Neuere Ansätze zur Erklärung von Bildungsungleichheit32
2.5 Zusammenfassung – Migrationshintergrund und Bildungsungleichheit37
3 Schulische Disparitäten von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund40
3.1 Migrationshintergrund und Bildungsteilhabe – Deskriptive Darstellung40
3.2 Schulische Disparitäten von Kindern mit Migrationshintergrund – Empirische Forschungslage zu den Ursachen von Bildungsungleichheit52
3.3 Primäre und sekundäre Effekte – Ausreichend für die Erklärung von Disparitäten?64
4 Auswirkungen von Kompositionseffekten der Schul- bzw. Klassenzusammensetzung auf die Schulleistungen – Überblick über die Forschungsliteratur und empirische Befundlage66
4.1 Einleitung66
4.2 Der Einfluss der Schul- bzw. Klassenzusammensetzung auf die Schulleistung69
5 Bilanz: Qualitätsentwicklung im Spannungsfeld von Unterrichtsentwicklung und Schuleffektivitätsforschung93
5.1 Fragestellungen93
5.2 Die Klasse als Betrachtungsebene für die Untersuchung von Bedingungsfaktoren96
5.3 Konzeptionelles Modell102
6 Methode105
6.1 Die Datengrundlage der Berliner Längsschnittstudie zur Lesekompetenzentwicklung von Grundschulkindern105
6.2 Operationalisierung112
6.3 Statistisches Vorgehen115
7 Empirische Ergebnisse I – Betrachtung der Disparitäten in der Leseleistung und im Sprachverständnis121
7.1 Deskriptive Darstellung auf der individuellen Ebene121
7.2 Deskriptive Darstellung auf der Klassenebene131
8 Empirische Ergebnisse II – Ein Mehrebenenmodell zur Erfassung der Veränderung der Leseleistung und des Sprachverständnisses145
8.1 Individuelle Determinanten für die Entwicklung des Lese- und Sprachverständnisses für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund145
8.2 Zusammenfassung162
8.3 Ein Mehrebenenmodell zur Erfassung der Veränderung der Leseleistung und des Sprachverständnisses unter Einbezie-hung der Klassenebene166
8.4 Zusammenfassung203
9 Zusammenfassende Betrachtung der Befunde und Diskussion207
9.1 Migrationshintergrund und Bildungserfolg207
9.2 Ausblick und Forschungsdesiderate212
Literaturverzeichnis215

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