Kapitel 1
Es war ein rauher Frühling. Nachdem das königliche Postschiff “Mesopotamia” an der Freiheitsstatue vorbeigefahren war und Hock Send hinter sich gelassen hatte, stach sie in den Atlantik mit einer Geschwindigkeit, daß der Zahlmeister hätte glauben können, er würde bei den Mahlzeiten Geld sparen. Die Gesellschaft auf dem Schiff war gemischt. Es war die übliche Mischung von Millionären, von denen einige ihr Geld durch Arbeit verdient hatten und die anderen zu diesem Club “der Vater hat das Geld verdient” gehörten, feinen englischen Aristokraten, zahlreichen Witwen, Strohwitwen und richtigen, und einer Schar amerikanischer Backfische – weshalb sind die amerikanischen Backfische eigentlich schöner als die englischen? Sie sind es wirklich!
Silas Ahasueros P.Q. Silverwood stand nahe dem Heck. Als die Nacht plötzlich hereinbrach, starrte er auf die am Horizont verschwindenden Lichter von New York, die in der Dunkelheit noch schwach schimmerten. Es war sein erster Besuch in Europa, und er war ein wenig nervös. Sein Geld hatte er in die Gesäßtasche eingenäht. Plötzlich tauchte Miss Sylvania Jepps aus Sheppville auf, der er am gestrigen Abend zufällig im Walldorf Astoria Hotel begegnete. Ein dummer Zufall hatte verhindert, daß er nicht an ihrem Tisch saß. Als sie langsam auf ihn zukam, legte er unwillkürlich seine hornige große Hand auf seine Gesäßtasche.
“Sagen Sie,” frohlockte sie, “ist Ihnen die herrliche Story bekannt, in der eine Dame und ein Tagebuch eine Rolle spielen?”
“Nein!”
“Ein Freund von mir fand dieses Buch. Hören Sie!
1. Januar: Ich verlasse New York. Ich bin dem Kapitän empfohlen worden. Der Kapitän ist sehr freundlich und väterlich.
2. Januar: Der Kapitän ist mehr als ein Bruder.
3. Januar: Der Kapitän versucht mich zu Küssen.
4. Januar: Der Kapitän macht mir unsittliche Anträge. Weise sie entrüstet zurück.
5. Januar: Der Kapitän wiederholt seine Anträge. Droht, das Schiff und die 500 Passagiere zu versenken. Ich sage ihm, daß ich lieber meine Ehre und meine Jungfräulichkeit auf den Grund des weiten Atlantik mitnehmen will, als daß ich seine Wünsche erfülle.
6. Januar: Der Kapitän wiederholt seine Drohungen und zeigt mir das Werkzeug, mit dem er das Schiff versenken will.
7. Januar: Ich rettete das Schiff, die Besatzung und die 500 Passagiere.
“Das war doch wirklich edel!” folgerte Miss Jepps. “Seltsamerweise habe ich ebenfalls das Schicksal des Schiffes in meiner Hand!”
“Tatsächlich?” entgegnete ihr Mr. Silverwood ganz erregt.
“Glauben Sie, ich würde mich nicht um die Interessen anderer Menschen kümmern? Mr. Silverwood, genau um 9 Uhr 30 an diesem Abend, sowahr ich hier stehe, lege ich mich auf das Sofa in der Kapitänskabine, spreize meine Beine und hebe meine Röcke.
Was der Kapitän dann in dieser Öffnung macht, welche die Natur zwischen ihnen freigelassen hat, ist allein seine Aufgabe. Im übrigen tue ich auch den anderen Passagieren einen guten Dienst.”
Mr. Silverwood wurde nachdenklich. Er kannte ein wenig die Frauen, die nicht so harmlos sind, wie man gewöhnlich annimmt. Aber dies ging doch ein wenig zu weit!
“Ich wünsche, der Kapitän zu sein!” wagte er zu bemerken. “Mr. Silverwood, man sagt, Sie seien Millionär!”
“Ja, ich habe ein paar Dollars!”
“Mr. Silverwood, ich möchte mir gern ein paar neue Kleider in Paris kaufen! Meine Kabine hat die Nummer 72. Es sind noch drei Stunden bis zu meinem Rendezvous mit dem Kapitän. Ich werde Ihnen jetzt auf Wiedersehen sagen.”
Mr. Silverwood dachte angestrengt nach. Er hatte genug Geld und Miss Jepps war sehr verführerisch. Sie war sehr klein und zierlich, hatte eine enge Taille und wunderbare Füße. In ihrem Gesicht, besonders in ihren Augen, war etwas Träumerisches.
Eine halbe Stunde später schlürfte er einen Martini Cocktail mit einem Tropfen Absinth hinunter und plauderte mit dem Zahlmeister. Das Gespräch kam auf Miss Jebbs.
“Oh, ja, sie ist eine Seenixe!” sagte dieser ehrenwerte Mann. “Was ist sie?”
“Eine Seenixe! Ich nehme an, Sie wissen, was dies bedeutet!”
“Sie wollen doch nicht im Ernst sagen, sie habe einen Schwanz und ihre Beine seien nicht echt?” Die Augen von Mr. Silverwood traten hervor. Der Zahlmeister lachte und schüttelte noch etwas Zitronensaft in seinen Cocktail.
“Nein, Sir,” sagte er, “offensichtlich verstehen Sie nichts von der Atlantiküberquerung. Eine Seenixe, wie wir eine solche Frau nennen, ist ein hübsches und reizendes Geschenk. Sie überquert die endlose Weite des Ozeans nicht aus Lust und Freude, sondern weil sie hier Leute wie Sie, Sir, finden kann, die Geld haben und ein bißchen Zerstreuung suchen. So eine haben wir vor uns. Der Alte kennt sie sehr gut!”
Mr. Silverwood machte sich viele Gedanken und begoß sie reichlich. Er war weit davon entfernt, sich von einer Abenteuerin hereinlegen zu lassen. Aber Miss Jepps war hübsch. Er verließ den Rauchersalon, ging hinunter auf das Promenadendeck und der Satan packte ihn. Er hatte mehr Geld bei sich, als er für seine Europareise benötigte. Abgesehen davon besaß er Kreditbriefe, die überall auf dem Kontinent von Nutzen waren. Die Kabine Nr. 72 zog ihn wie die Hölle an. Er ging die Gangway hinunter. Der große Dampfer bahnte sich seinen Weg durch den Atlantik. Die sich brechenden Wellen glitzerten in der Dunkelheit. Mr. Silverwood war ganz und gar nicht ein gewöhnlicher Millionär. Er besaß trotz seines biederen Äußeren romantische Gefühle. Sein breitbackiger Kopf beschäftigte sich gelegentlich mit anderen Gedanken als Schweinen, Schinken und Dividenden. Er liebte das Schöne und in seinem palastartigen Haus an einem See außerhalb der Hektik und des Lärms von Chigago besaß er viele Kunstschätze. Dort gab es “Der Raub der Sabinerinnen” von Morazioff, für dessen Besichtigung gewisse Leute sehr viel Geld bezahlen würden. Was die Statuen und die anderen Dinge anbelangte, die er unter Verschluß hielt, so hätten bestimmt viele risikofreudigen Millionäre ernstlich einen Einbruch erwogen. Die Sirenen heulten, als die Mesopotamia mit verminderter Geschwindigkeit durch eine große Fischfangflotte fuhr. Eine große Jacht tauchte schemenhaft wie ein Geist auf und ließ ebenfalls ihre Sirenen ertönen. Mr. Silverwood dachte an die Sirene in der Kabine 72, zögerte und war verloren.
Die Tür von Miss Jepps Kabine war nicht verschlossen. Sie pfiff seelenruhig vor sich hin, womit sie ihn offenbar zum Eintritt zu sich einlud, als er an ihre Tür klopfte. Alles deutete darauf hin, daß sie ihren Besucher erwartete, denn sie machte nicht den geringsten Versuch, den Umstand zu verschleiern, daß sie noch nicht einmal mitten in ihrer Toilette für das Diner war. In dem gedämpften Lichtschein mehrerer elektrischer Lampen – Miss Jepps reiste nicht billig – bot sich dem Beschauer ein hinreißendes Bild dar. Sie hatte nur ihre Strümpfe, Schuhe – beide waren aus roter Seide – ihre Unterhose mit einem Besatz aus roter Seide und ein Hemd. Das war alles.
Mr. Silverwoods Augen leuchteten. Die kleine Miss Jepps war wirklich sehr hübsch und zu ihren Füßen, die ihn schon in der Dämmerung auf dem Deck fast verrückt gemacht hatten, kamen noch wunderbar proportionierte Waden hinzu, die sich in reizenden Kurven bis zu den schön geformten Knien fortsetzten. Sie waren nur teilweise von ihrer mit Spitzen und Rüschen verzierten Unterhose bedeckt. Die kleinen entblößten Stellen, wo das rosarote Fleisch über die Strumpfbänder zum Vorschein kam, raubten dem Chicagoer Multimillionär fast den Verstand. Miss Jepps hatte eine hübsche, gesunde Hautfarbe, besonders aber blaue und leuchtende Augen und ein dichtbuschiges braunes Haar. Aber Mr. Silverwood war sich bezüglich ihrer Haarfarbe nicht mehr so sicher, als er durch einen Schlitz in ihrer Unterhose das Haarvlies auf dem Venushügel entdeckte, das eine ganz andere Farbe hatte.
Sie bemerkte seine gierigen Augen und mit einem dreisten Grinsen fuhr sie mit ihren beiden Händen, die mit Juwelen geschmückt waren, zwischen ihre Oberschenkel.
“Hallo, hallo!” kicherte sie, “ich weiß, an was Sie denken!” “Ja, wirklich?”
“Sie glauben, daß entweder meine Haare auf dem Kopf oder an der wie auch immer Sie diesen Körperteil bezeichnen, gefärbt sind. Ich will Ihnen das Geheimnis verraten. Meine Kopfhaare sind ein bisschen gefärbt.”
Aber Mr. Silverwood kümmerte sich nicht darum, ob Miss Jepps Haare...