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Zwischen Klausurstress und Kinderplanung

Eine Grounded Theory über das Geschlechterverhältnis in studentischen Paarbeziehungen

AutorLea Schütze
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl219 Seiten
ISBN9783656377511
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Soziologie - Familie, Frauen, Männer, Sexualität, Geschlechter, Note: 1,0, Ludwig-Maximilians-Universität München (Institut für Soziologie), Veranstaltung: Diplomarbeit, Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Diplomarbeit beschäftigt sich mit dem Geschlechterverhältnis in studentischen Paarbeziehungen. Es wird davon ausgegangen, dass insbesondere in studentischen Milieus im Rahmen eines Gleichberechtigungsdiskurses vergeschlechtlichte Ungleichheit insbesondere in der alltäglichen Lebensführung, in den Lebensentwürfen wie auch im Selbstverständnis der Paare im akademischen Milieu weniger anzutreffen ist als in anderen Beziehungskonstellationen. Im Anschluss an die theoretische Auseinandersetzung mit Geschlechtertheorien, dem paarsoziologischen Forschungsstand und Milieukonzepten, die diese Frage streifen, wird in einer qualitativen Erhebung anhand von selbst geführten Paarinterviews eine Grounded Theory erstellt, die im Ergebnis ein komplexes Abbild der soziologisch reichhaltigen, vielseitigen und teils widersprüchlichen Ergebnisse aus der Empirie darstellt.

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Leseprobe

2 Feldbestimmung : Studentische Paarbeziehungen als vergeschlechtlichte Konstellationen


 

In der Feldbestimmung werden die theoretischen Inhalte und Forschungsergebnisse, die für die Rahmung des Untersuchungsgegenstandes relevant sind, dargestellt. Sie bilden sich aus verschiedenen soziologischen Fachrichtungen, Denktraditionen und Forschungsgegenständen ab. Sie haben dergleichen alle einen Zusammenhang mit den empirisch untersuchten Vorgängen im Feld und dienen der theoretischen Anreicherung der von mir gewonnenen Ergebnisse.

 

2.1 Geschlechtertheoretische Rahmungen


 

In Anlehnung an eine übliche Trennung in zwei zentrale Felder sozialwissenschaftlicher Geschlechterforschung nach der Untersuchung von „Geschlecht als gesellschaftlichem Strukturzusammenhang“ und nach „der Frage der sozialen Konstruktion von Geschlecht“ (Wolde 1995, 279), werde ich zunächst auf ausgewählte Ansätze und Konzepte eingehen, die Geschlecht als Struktur- und damit vorrangig als Ungleichheitskategorie beleuchten und anschließend mit dem „doing gender“ Ansatz und dem Begriff der „Interaktionsordnung“ nach Goffman die situative Herstellung von Geschlecht betrachten. Meiner Ansicht nach sind beide Forschungslinien inhärent miteinander verbunden. Sie können daher nicht immer konsequent voneinander getrennt vorgestellt werden. Insbesondere im Rekurs auf Goffman in Abschnitt 2.1.2.2 wird eine theoretische Rahmung vorgestellt, die einen Zusammenschluss beider Linien beinhaltet.

 

2.1.1 Der strukturelle Rahmen: Geschlecht als Ungleichheitskategorie


 

Dargestellt werden hier Ansätze, die wesentliche sozialstrukturelle Elemente der

 

geschlechtsspezifischen Benachteiligung erklären und in der empirischen Auswertung wesentlich sind.[6] Angenommen wird, dass mit ihrer Hilfe wesentliche Grundmuster sozialen Handelns im Feld erklärt bzw. theoretisch angereichert werden können. Die Darstellung erwerbszentrierter Ansätze geht mit der Erkenntnis einher, dass sie das Geschlechterverhältnis auch im privaten Bereich, innerhalb dessen sich Paarbeziehungen konstituieren, in einem hohen Maße mit bedingen (vgl. z.B. Koppetsch 2009).

 

2.1.1.1 Produktion und Reproduktion: Vergeschlechtlichte Arbeitsteilung

 

Ungleichheitstheoretischen und insbesondere mit dem Konzept Klasse arbeitenden Ansätzen ist gemein, dass die „Hierarchie der Geschlechter als soziale Ungleichheit nur im Zusammenhang mit übergreifenden gesellschaftlichen Verhältnissen zu verstehen ist“ (Wolde 1995, 279). In diesen Zusammenhängen wird insbesondere Arbeit zum „Schlüssel für gesellschaftliche Differenzierung und Machtverhältnisse“ (Gerhard 1995, 264) und zur analytischen Ausgangslage der „Arbeitsgesellschaft“. Die zugrunde liegenden Mechanismen werden soziologisch häufig in einer historischen Perspektive erklärt; als Ausgangspunkt im Hinblick auf ihren enormen Beitrag zur gesellschaftlichen Modernisierung und zur Veränderung von Geschlechterkonstellationen wird dabei die industrielle Revolution’ des 19. Jahrhunderts genannt.

 

Mit Beginn der Massenfabrikarbeit trennt sich der in vormodernen Agrargesellschaften vorherrschende Lebenszusammenhang des „,Ganzen Hauses’“ (Hradil 2004, 90) auf und teilt die gemeinsame Lebenssphäre der (Klein

 

Familienmitglieder - Vater, Mutter, Kind(er) - in die Bereiche von Betrieb und Haushalt auf. Das klassentheoretische Konzept nach Marx - beruhend auf der Dichotomizität der Klasse, deren Zugehörigkeit nach der Stellung zu den Produktionsmitteln definiert wird (vgl. Cyba 2000) - rückt die berufliche Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess als Zuweisungsmodus in soziale Lagen in den Mittelpunkt. Im Zuge dieser Logik werden zwei Lebens- bzw. Arbeitsbereiche unterschieden: Produktion und Reproduktion (vgl. Wolde 1995, Gottschall 1995). Da die Zuständigkeit für Hausarbeit, Gebären und Aufziehen von Kindern bei der (proletarischen) Frau liegt, hält sie sich vorwiegend nur im Reproduktionsbereich auf und wird damit mehrheitlich von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen, die über die Stellung im Produktionsprozess definiert wird. Obwohl zur Aufrechterhaltung des Produktionsprozesses unabdingbar, wird Reproduktionsarbeit weder anerkannt noch entlohnt (vgl. Becker-Schmidt 1983). Im Produktionsbereich haben Frauen - wenn überhaupt[7] - meist eine Position inne, die durch schlechtere Entlohnung und ein Mehr an Arbeitskraftausbeutung bestimmt ist. Die Trennung der Lebensbereiche geht mit geschlechtsspezifischen Ressourcenverteilungsmustern einher und bringt eine Hierarchisierung der Geschlechter mit sich. (Proletarische) Frauen sind demnach neben ihrer benachteiligten Klassenlage aufgrund des Nichtbesitzes von Produktionsmitteln auch aufgrund ihres Geschlechts von Ungleichheitslagen besonders geprägt.

 

Kritisch an marxistisch angelehnten Theorien zur Erklärung geschlechtsdifferenzierender[8] Ungleichheiten ist zum einen die Fokussierung auf das Erwerbssystem. In dessen Logik wird der Bereich der Reproduktion als zu untersuchender Gegenstand sozialer Wirklichkeit eigentlich ausgeschlossen. Damit wird für Frauen „die Integration in die Klassentheorie“ (Cyba 2000, 29) unmöglich gemacht. Zum anderen ist die Prämisse homogener sozialer Lagen, die sich auf nur zwei Klassen (und zwei homogene Geschlechtslagen) beschränken, insbesondere für differenzierte Theoriemodelle wenig anschlussfähig. Wesentlicher Verdienst dieses Ansatzes ist, die Aufmerksamkeit auf weibliche Ungleichheitslagen zu lenken, die auf der Eingelassenheit von Frauen in Klasse und Geschlecht als zwei gesellschaftliche Zuweisungsmodi beruhen. Insbesondere aber verweisen sie auf die gesellschaftliche Trennung von Produktion und Reproduktion, die als wesentliches Grundmuster geschlechtsspezifischer Ungleichheit gelten kann und innerhalb dessen die ,Natürlichkeit’ eines ,männlichen’ und ,weiblichen’ Lebensweges festgesetzt wird.

 

2.1.1.2 Geschlechtsdifferenzierende Segregation des Arbeitsmarktes

 

Der Topos der geschlechtsdifferenzierenden[9] Arbeitsmarktsegregation wird hier als differenzierter Modus der Hierarchisierung der Geschlechter im Rahmen der Trennung Produktion/Reproduktion integriert. Ausgangspunkt ist die Feststellung einer strukturellen Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und im Berufsalltag, die in auf Erwerbsarbeit zugeschnittenen gesellschaftlichen Vertei- lungs- und Anerkennungsstrukturen geschlechtsdifferenzierende Ungleichheitsformen (vgl. Gottschall 2008) schafft. Gottschall beschreibt die „Quintessenz“ dieser Benachteiligung folgendermaßen:

 

„Frauen sind im Vergleich zu Männern generell mit schlechteren Arbeitsmarktchancen konfrontiert, beim Eintritt in das Erwerbsleben wie beim Verbleib, bei der Entlohnung, den Aufstiegschancen, den Weiterbildungsmöglichkeiten und der Arbeitsplatzsicherheit.“ (1995, 125)

 

Erwerbsarbeit gilt - trotz des propagierten „Endes der Arbeitsgesellschaft“ (s.d. Offe 1984; Beck 1984, zitiert in Gottschall/Pfau-Effinger 2002, 9) - nach wie vor als zentraler Modus der Zuweisung von sozialer Anerkennung und Identifikation und ist Grundlage gesellschaftlicher Teilhabe (vgl. Seeg 2000). Indem Arbeit zum sozialen Zuweisungsmerkmal überhaupt wird, werden die berufliche Position und der berufliche Erfolg zum Lebensmittelpunkt Prestigeträchtige Berufe sind mit zeitlichem und physischem Einsatz verbunden, den Frauen, etwa im Fall von Kinderbetreuung und einer Mehrbelastung im Haushalt, nicht oder unter Schwierigkeiten leisten können. Haus- und Familienarbeit dagegen ist nicht entlohnt, ist arbeitsmarktstrategisch nicht nutzbar, findet wenig soziale Anerkennung und bietet wenig Identifikationspotential (vgl. Falk 2005). Im „Familienernährermodell“ ist die volle Erwerbstätigkeit des Mannes verbunden mit einem ,,,abgeleiteten’ Status von Frauen als Hausfrauen und Mütter“ (Gottschall/Pfau-Effinger 2002, 17). Wenn Frauen einer entlohnten Tätigkeit nachgehen, ist diese der männlichen Karriere nachgeordnet. Deren Beschäftigungen erstrecken sich im Gegensatz zu Typischen Männerberufen’ häufig auf Bereiche, die gesellschaftlich niedriger bewertet sind und/oder in Teilzeit ausgeübt werden, was mit geringerem Lohn und Aufstiegschancen verbunden ist (vgl. Wobbe/Nunner-Winkler 2007).

 

Dabei ist es für die wissenschaftliche Analyse wichtig, „die sich verändernde gesellschaftliche Realität der Frauenerwerbstätigkeit [zu berücksichtigen], die zu einer beträchtlichen Heterogenität in der Gruppe der Frauen geführt hat“ (Falk 2005, 27). Frauen sind nicht „Nur-Hausfrauen“ (ebd.), sondern arbeiten in hochqualifizierten Jobs, sind in wirtschaftlichen Führungszirkeln und in hohen politischen Ämtern vertreten. Nichtsdestotrotz bleiben sie oft in einer Minderheitenposition, erhalten weniger Gehalt und sind spezifischen Hindernissen ,auf dem Weg nach oben’ ausgesetzt.[10]

 

Arbeitsmarktsegregation kann analytisch unterschieden werden in:

 

„horizontale berufliche Segregation in typische Männer- und Frauenberufe sowie in vertikale Segregation in statushohe und statusniedrige Tätigkeiten hinsichtlich Macht, Einkommen und Prestige innerhalb einzelner Berufe bzw. Berufsgruppen“ (Wimbauer 1999, 14; Hervorh. im Original).

 

Die Ausübung eines typischen Frauenberufes’...

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