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Kluge Köpfe, goldene Hände

Überdurchschnittlich begabte Lehrlinge in der Berufsbildung

AutorMargrit Stamm
VerlagVerlag Rüegger
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl319 Seiten
ISBN9783725308811
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,60 EUR
Das Buch von Margrit Stamm plädiert für eine ausgewogenere berufliche Begabtenförderung als bis anhin praktiziert. Berufliche Begabtenförderung muss eine gleichwertige Position neben der auf die  akademische Begabung ausgerichteten Begabtenförderung bekommen. Dazu braucht es dreierlei: Erstens die Bereitschaft von uns allen, zu erkennen, dass die Begabungsvielfalt in den Berufsschulen grösser sein dürfte als bisher angenommen worden ist. Dies deshalb, weil überdurchschnittlich begabte Auszubildende bisher gar nicht in den Blick genommen worden sind. Zweitens braucht es unser Interesse, Begabungspotenziale zu entdecken und drittens, Leistungsexzellenz zu fördern und herauszufordern. Auf einem solchermassen fruchtbaren Boden wird es der Berufsbildung gelingen, ihre «goldenen Hände» und «klugen Köpfe» zu fördern.

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Leseprobe

5 FAMILIE, FREIZEIT UND INTERESSEN (S. 115) Rebecca MÜLLER

Verschiedenste Kontextvariablen sind massgeblich an der Umsetzung des Begabungspotentials von hochbegabten Kindern und Jugendlichen in hervorragende Leistungen beteiligt. Es handelt sich hierbei nicht nur um schulische oder betriebliche Kontextvariablen, welchen bereits in verschiedenen Studien besonderes Augenmerk gegolten hat, sondern auch um Variablen aus den Bereichen Familie, Freizeit und Interessen, welche vergleichsweise unerforscht sind. Von besonderem Forschungsinteresse ist deshalb, ob sich die unterschiedlich begabten Berufslernenden bezüglich der Beziehungsintensität zu ihren Eltern und ihrer Freizeitinteressen unterscheiden und ob sich bestimmte Beziehungs- und Interessenskonstellationen auf die Leistung der überdurchschnittlich begabten Berufslernenden auswirken.

5.1 Entwicklungsaufgaben im beginnenden Erwachsenenalter
Allgemein gilt das Erwachsenenalter als Lebensphase, welche ungefähr mit dem sechzehnten Lebensjahr einsetzt und nach oben nur schwer abgegrenzt werden kann. ARNETT (2000) setzt das beginnende Erwachsenalter zwischen achtzehn und fünfundzwanzig Jahren fest und beschreibt es als von der Kindheit und dem eigentlichen Erwachsenenalter weitgehend unabhängige Phase, in welcher soziale Rollen in subjektiver Freiheit erprobt werden können. Doch zum beginnenden Erwachsenenalter gehört auch die Bewältigung verschiedener Entwicklungsaufgaben. Diese umfassen unter anderem den Auf- und Umbau der sozialen Beziehungen, die Entwicklung der Geschlechtsrolle, die Ablösung von den Eltern, die Autonomisierung gegenüber Erwachsenen, der Aufbau eines Wertsystems sowie die Berufsvorbereitung.

ERIKSON (1974) hat als Hauptentwicklungsaufgabe der Jugendlichen die Entwicklung der eigenen Identität bezeichnet. Zwar erachtete er die Identitätsbildung als lebenslange Aufgabe, doch hat er ihr gerade im Jugendalter zentrale Bedeutung beigemessen. Grund seien die ausgeprägten körperlichen, sozialen und kognitiven Veränderungen inklusive der schulischen und familiären Erwartungen, welche den hauptsächlichen Anstoss zur Beschäftigung mit dem Selbst gäben. Der Prozess der Bildung einer «Ich-Identität» werde durch verschiedene Widersprüche (sexuelle Reifung im Kontrast zur empfundenen Minderwertigkeit, rapide körperliche Veränderungen und eine damit verbundene Neubewertung durch andere) ausgelöst und führe zu einer Identitätskrise, die den Jugendlichen auf eine Suche nach sich Selbst bewege.

ERIKSONS Auffassung der krisenhaften Entwicklung im Jugendalter, die sich besonders in einem Abfall des Selbstwertes manifestiere, konnte empirisch nicht repliziert werden. Untersuchungen von FEND (1998) oder der Deutschen Shell (JUGENDWERK DER DEUTSCHEN SHELL, 2002) verweisen eher auf eine kontinuierliche Entwicklung, wobei in der mittleren Adoleszenz eine Integration der selbstbezogenen Kognitionen mit zunehmender Selbstwertschätzung erfolge. Gleiches gilt für überdurchschnittlich begabte Jugendliche in der Schweiz, welche recht zuversichtliche Zukunftsvorstellungen haben, die an sie gestellten Anforderungen bewältigen zu können (STAMM, 2005).

Für junge Menschen, die in die Berufslehre eintreten, ist das frühe Erwachsenenalter zugleich die Phase eines wichtigen biographischen Übergangs. Mit dem Eintritt in eine Berufslehre werden die Jugendlichen mit Rollenveränderungen konfrontiert, mit denen sie umgehen lernen müssen. Eine weitere wesentliche Entwicklungsaufgabe besteht entsprechend darin, den schulischen und beruflichen Herausforderungen in wachsendem Masse in Selbstverantwortung nachzugehen, diesbezüglich eigene Normen und Ansprüche herauszubilden und diese als verbindlich und orientierend anzusehen.

Ziel der Bewältigung schulischer und beruflicher Qualifikationsanforderungen ist die Ausübung eines Berufes, der ökonomische und soziale Absicherung in Aussicht stellt, ausserdem ein Mindestmass an persönlicher Entfaltung und gesellschaftlicher Anerkennung garantiert. Für die heutige Generation kennzeichnend ist die verlängerte Abhängigkeit junger Erwachsener aufgrund längerer Ausbildungszeiten und grösserer Probleme auf dem Arbeitsmarkt bei gleichzeitig früherer psychosexueller und gesetzlicher Reife, wobei die Differenz zwischen psychischer und ökonomischer Selbstständigkeit bis zu fünfzehn Jahre betragen kann. Typische Erwachsenensymbole werden immer später erreicht, während die psychosexuelle und gesetzliche Reife immer früher einsetzt (STEIN, 2004).

Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS8
VORWORT13
EINLEITUNG18
1 FORSCHUNGSÜBERSICHT26
1.1 Berufliche Begabung aus historischer Sicht27
1.2 Begabung im Lichte klassischer Berufsbildungstheorien35
1.3 Hochbegabung, berufliche und praktische Begabung aus theoretischer Sicht37
1.3.1 Hochbegabung37
1.3.2 Berufliche Begabung41
1.3.3 Praktische Intelligenz42
1.4 Empirie beruflicher Begabung44
1.5 Expertiseforschung: ein Paradigma zur Erklärung beruflicher Begabung47
1.6 Forschung zu Jugend und frühem Erwachsenenalter55
1.7 Berufliche Begabtenförderprogramme59
1.8 Die aktuelle Situation in der Schweizerischen Berufsbildung66
2 DIE LÄNGSSCHNITTSTUDIE UND IHRE METHODIK70
2.1 Projektziele70
2.2 Auswahl des Arbeitsmodells71
2.3 Untersuchungsdesign75
2.3.1 Fragestellungen75
2.3.2 Datenerhebungen76
2.3.3 Erhebungsinstrumente77
3 AUSWAHLSTRATEGIE UND STICHPROBE82
3.1 Ausgangsstichprobe82
3.2 Begabungsprofile der Ausgangsstichprobe84
3.3 Auswahlstrategie86
3.4 Talentpool und Vergleichsgruppe88
3.5 Die Problematik der Selbst- und Fremdbeurteilung93
4 PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG96
4.1 Forschungsbefunde97
4.1.1 Allgemeine Persönlichkeitsmerkmale97
4.1.2 Identitätsentwicklung und Attribution102
4.1.3 Stressbelastung und Stressbewältigung105
4.2 Ergebnisse zur Persönlichkeitsentwicklung106
4.2.1 Motivationale Variablen108
4.2.2 Persönlichkeitsvariablen110
4.2.3 Unterschiedliche Persönlichkeitstypen?112
5 FAMILIE, FREIZEIT UND INTERESSEN116
5.1 Entwicklungsaufgaben im beginnenden Erwachsenenalter116
5.2 Beziehungsidentitäten zu den Eltern118
5.3 Sozioökonomischer Hintergrund und Familientypen121
5.4 Freizeitinteressen123
5.5 Auswirkungen von Familien- und Interessensvariablen auf die Leistungen der überdurchschnittlich begabten Berufslernenden129
6 ARBEITS- UND ZUKUNFTSORIENTIERUNGEN132
6.1 Aktueller Forschungsstand132
6.1.1 Die Bedeutung von Ausbildung und Beruf133
6.1.2 Wertewandel und Zukunftsorientierungen134
6.1.3 Berufswahl und Übergang in die berufliche Ausbildung140
6.1.4 Berufseinmündungsprozesse und Persönlichkeitsentwicklung141
6.2 Ergebnisse144
7 BETRIEB UND BERUFSSCHULE152
7.1 Betrieb und Berufsschule in der Forschung153
7.1.1 Soziale Lernumwelten von Auszubildenden154
7.1.2 Identifikations- und Fördermassnahmen159
7.2 Förderung in Berufsschulen und Lehrbetrieben167
7.3 Lehrmeister-Umwelten: eine Clusteranalyse170
8 LEISTUNGSENTWICKLUNG UND BERUFSERFOLG182
8.1 Theoretische Grundlagen182
8.1.1 Zum Zusammenhang von Berufserfolg und Intelligenz182
8.1.2 Expertisierungsverläufe und Berufserfolg184
8.1.3 Schlüsselkompetenzen als Indikatoren für beruflichen Ausbildungserfolg187
8.2 Ergebnisse190
8.2.1 Fremdbeurteilung der betrieblichen Leistungen190
8.2.2 Selbstbeurteilung der betrieblichen Leistungen194
8.2.3 Beurteilungen durch die Berufsschule196
8.2.4 Vergleich der Exzellenzentwicklung innerhalb der Subgruppen197
8.2.5 Fremdbeurteilung vs. Selbstbeurteilung199
8.3 Prädiktoren betrieblicher Leistung201
8.4 Welches sind die besten Auszubildenden nach zwei Lehrjahren?208
9 BEGABTE FRAUEN IN DER BERUFLICHEN AUSBILDUNG212
9.1 Forschungsbefunde213
9.1.1 Kognitive Fähigkeitsprofile und Berufswahl213
9.1.2 Nicht-kognitive Persönlichkeitsmerkmale216
9.1.3 Schulisch-berufliche Interessen und Orientierungen219
9.2 Ergebnisse zu begabten Frauen in der beruflichen Ausbildung220
9.2.1 Ausbildungsberufe220
9.2.2 Nicht-kognitive Persönlichkeitsmerkmale222
9.2.3 Berufliche Orientierungen, Arbeitswerte und berufliche Zukunftswünsche227
10 MINDERLEISTER232
10.1 Forschungsbefunde233
10.1.1 Von der Leistungsvoraussage zur Differenz: Die historische Entwicklung des Konzepts234
10.1.2 Was ist Underachievement?236
10.1.3 Kategorien von Underachievement238
10.1.4 Definitionen von Underachievement240
10.2 Wer sind die Underachiever?243
10.3 Underachievement und Geschlecht246
10.4 Zusammenfassende Diskussion248
10.5 Underachiever in unserer Studie250
10.5.1 Personmerkmale251
10.5.2 Familiäre Merkmale254
10.6 Leistungsentwicklungen der Underachiever in der Berufausbildung256
11 BILANZ UND AUSBLICK262
11.1 Haupterkenntnisse262
11.2 Begabtenförderung in der Berufsbildung als bildungspolitische Aufgabe269
11.3 Gefragt sind kluge Köpfe mit goldenen Händen!273
LITERATUR276
ABBILDUNGSVERZEICHNIS11
TABELLENVERZEICHNIS318
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