Was genau ist Kommunikation?
1) Klassische Sicht: Der Mensch als Nutzer von Kommunikation
Was genau ist Kommunikation?
Was genau ist Kommunikation? Keine einfache Frage. Wenn die Antwort darauf klar ausfiele, wäre es ein Leichtes, mühelos Verständigung zu erlangen und Kommunikation gezielt zu steuern. Gängige Begriffserläuterungen beschreiben zwar wichtige Aspekte der Kommunikation. Sie zeigen allerdings weder einen Handlungsansatz auf, noch erklären sie, wie Kommunikation in einem umfassenden Sinne verstanden und sinnvoll genutzt werden kann.
Kommunikation ist Verständigung…
Kommen Menschen durch Kommunikation zusammen?
Kommunikation wird beispielsweise als Verständigung untereinander, also als ein Akt des gegenseitigen menschlichen Verstehens oder einer Einigung gedeutet. Dem gegenüber stehen die Phänomene von Nicht-, Miss- und Unverständnis. Selbst Gewalt kann ein Aspekt der Kommunikation sein, wie der Name der von Marshall Rosenberg entwickelten Methode der Gewaltfreien Kommunikation signalisiert.3 Verständigung untereinander ist ein Ziel, das nicht jede Kommunikation erreicht. Sie ist Ausdruck eines wichtigen Teilaspekts, aber eben nicht Kommunikation schlechthin.
… sowie zwischenmenschlicher Austausch.
Kommunikation wird aber auch als zwischenmenschlicher Austausch beschrieben. Aus dieser Perspektive treten der wechselseitige Aspekt jeder Kommunikation und das Sich-Aufeinander-Beziehen der Kommunikationspartner in den Vordergrund. Kommunikation erscheint jetzt als Feedbackschleife, als ein Geschehen, in dem Kommunikationen sich gegenseitig bedingen. Es bleibt allerdings offen, was Menschen austauschen, wie das Ausgetauschte entsteht und wie Austausch gelingt.
Kommunikation ist auch Austausch von Information.
Funktioniert Kommunikation wie die Post?
In einer weiteren Herangehensweise werden Störungen in der Verständigung zwar berücksichtigt, die Kommunikation aber auf den Austausch von Informationen reduziert. Wohl wegen seiner leichten Handhabung prägte das klassische Informationsaustauschmodell nach Shannon/Weaver, von einigen auch Postmodell genannt, viele Jahrzehnte lang die wissenschaftliche und auch öffentliche Sicht auf Kommunikation.4
Im Informationsaustauschmodell gelten Missverständnisse als Übermittlungsstörungen.
Das Informationsaustauschmodell betrachtet Kommunikation als Auslieferung einer Information analog zur Auslieferung eines Briefs oder zur technischen Übermittlung eines Telefonats. Wenn der Empfänger die gesendete Botschaft nicht richtig versteht oder unerwartet darauf reagiert, spricht das Informationsaustauschmodell von einer Störung oder einem Rauschen. Missverständnisse in der Kommunikation sind demnach Übermittlungsstörungen, die zur Verzerrung von Teilen der Botschaft führen.
Sie entstehen durch Fehler in der Übertragung.
Damit suggeriert das Informationsaustauschmodell, dass es sich bei Kommunikation lediglich um die mehr oder weniger erfolgreiche Übermittlung von Botschaften handelt. Informationen werden vor ihrer Übertragung erzeugt und sind zu diesem Zeitpunkt eindeutig und klar. Was genau zur Übermittlungsstörung der Informationen führt, wird im Modell nicht geklärt. Bessere Kommunikationstechniken aber werden als Hilfe betrachtet, um das Rauschen in der Kommunikation zu minimieren.
So tritt die Reflexivität der Kommunikation aus dem Blick.
Der wechselseitige Charakter der Kommunikation tritt im Informationsaustauschmodell aus dem Blick. Kommunikation wird darin zu einer eindeutigen, in Form von Sprache kodierten Information. Körpersprache bleibt bei dieser Betrachtungsweise außen vor. So kann das Modell zum Beispiel die in der (Körper-)Sprache enthaltene Mehrdeutigkeit der Zeichen, auf der viele Missverständnisse beruhen, nicht erklären. Ich kann Dich nicht verstehen kann eine Aussage über eine technisch mangelhafte Leitung oder über eine andersgeartete Denkweise sein.
Menschen sind dann nur Nutzer, nicht Erzeuger von Kommunikation.
Ist Kommunikation ein Werkzeug?
Mensch und Information werden im Informationsaustauschmodell irreführenderweise getrennt voneinander betrachtet. Der Mensch erscheint als Nutzer der Kommunikation, aber nicht als Erzeuger. Kommunikation wird zu einem reinen Medium, mit dessen Hilfe sich der Austausch von Botschaften vollzieht. Demnach müssten Menschen bei korrekter Benutzung und störungsfreier Übermittlung Informationen problemlos austauschen können. Um Verständigung zu verbessern, bauen Anhänger des Informationsaustauschmodells daher auf die Vermittlung von Kommunikationsregeln und Rhetorik-Tools.
Kommunikationen lassen sich nicht vom Sender und Empfänger trennen.
Bereits der Blick auf einfache Alltagskommunikationen zeigt, dass hier eine Verkürzung der Kommunikationssituation vorliegt. Denn in jeder menschlichen Face-to-Face-Kommunikation ist der Sender einer Botschaft zugleich Empfänger. Während er sendet, reagiert er auch auf die Art und Weise, in der der Empfänger körpersprachlich seine Botschaft empfängt. So lädt ein freundliches Lächeln zu intensiverem Kontakt ein. Kommunikation ist stets ein reflexives, sich wechselseitig bedingendes Geschehen. Sie lässt sich nicht wie eine Ware oder ein Werkzeug von den Kommunikatoren trennen.
Themen-Input 1: Das reflexive Kommunikationsverständnis vom linearen Informationsaustauschmodell unterscheiden
Aus systemischer Sicht ist Kommunikation reflexiv. Sie kann als eine Endlosschleife beschrieben werden, in der Kommunikationen auf Kommunikationen wirken und sich wechselseitig bedingen. Der Sender ist immer zugleich Empfänger und umgekehrt. Die liegende Acht, das mathematische Zeichen für Unendlichkeit, soll im Folgenden als Symbol für kommunikative Reflexivität weitere Anwendung finden.
Im Informationsaustauschmodell oder Postmodell wird Kommunikation als Medium zum Übermitteln klarer Botschaften eines Senders verstanden, die durch einen störanfälligen Prozess beim Empfänger verzerrt ankommen können. Sie wird linear gedacht im Gegensatz zum Verständnis von Kommunikation als reflexivem, sich wechselseitig bedingendem Geschehen. Einfache Pfeile symbolisieren im Folgenden das Prinzip nicht-reflexiver Linearität.
Neben zwischenmenschlichem Austausch ist Kommunikation auch ein intrapersonales Phänomen.
Findet Kommunikation nur in sozialen Systemen statt?
Auch aus soziologischer Perspektive verengt sich der Blick auf Kommunikation, weil sie dort vor allem als soziales Phänomen betrachtet wird. Die inter-personelle Kommunikation steht naturgemäß im Mittelpunkt der Soziologie. Setzt man diese Betrachtung jedoch absolut, gerät die intra-personale Seite der Kommunikation aus dem Blick: Jeder kennt innere Prozesse, bei denen Körperempfindungen und Gedanken wechselseitig senden sowie empfangen und aufeinander wirken. Nirgendwo wird täglich so intensiv diskutiert wie im Selbstgespräch.
Inspiration 1: Zur Kommunikation
Paradoxon der modernen Zeit: Die Kommunikationsmittel werden immer besser, doch die Kommunikation wird immer schlechter. (Bertram Jacobi)
Kommunikation besteht im Wesentlichen aus Energieraub und Energiespende. (Andreas Tenzer)
Kommunikation ist die Antwort auf Komplexität. (Markus Miller)
Die einzige Möglichkeit, Menschen zu motivieren, ist Kommunikation. (Lee Iacocca)
Zwei Monologe, die sich gegenseitig immer und immer wieder störend unterbrechen, nennt man eine Diskussion. (Charles Tschopp)
Das Zwiegespräch ist das vollkommene Gespräch, weil alles, was der eine sagt, seine bestimmte Farbe, seinen Klang, seine begleitende Gebärde in strenger Rücksicht auf den anderen, mit dem gesprochen wird, erhält. (Friedrich Nietzsche)
Wenn die Sprache nicht stimmt, so ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist. (Konfuzius)
Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe wie zwischen dem Blitz und dem Glühwürmchen. (Mark Twain)
Die wichtigste Technologie ist Zuhören. (Niels Boeing)
2) Systemische Sicht: Der Mensch als Kommunikation erzeugendes Wesen
Als Kommunikation erzeugendes Wesen kann der Mensch nicht nicht kommunizieren.
Aus kommunikationswissenschaftlicher und neurobiologischer Warte wissen wir heute, dass Menschen Kommunikation nicht nur nutzen, sondern Kommunikation erzeugende Wesen sind. Die berühmte Formulierung des Kommunikationspsychologen Paul Watzlawick bringt dieses Phänomen auf den Punkt: Ständig produzieren wir intra- und inter-personale Kommunikationen. Denn, so Watzlawick, ... jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten, und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren. 5 Leben heißt Kommunikation.
Dabei lassen sich zwei Aspekte der Kommunikation unterscheiden, die in enger Wechselwirkung miteinander stehen.
Zum einen ist Kommunikation...