3 Methoden der Kompetenzmessung
Im folgenden Kapital dieser Arbeit sollen verschiedene Ansätze zur Messung menschlicher Kompetenzen vorgestellt und kritisch betrachtet werden. Bevor auf die einzelnen Instrumente eingegangen wird, sollen die zu erfüllenden Haupt- und Nebengütekriterien vorgestellt werden. Anschließend werden zwei testbasierte Ansätze zur Kompetenzmessung vorgestellt und, soweit möglich, verglichen. Daraufhin werden der Assessment Center-basierte Ansatz, bei dem auch ein Assessment Center speziell zur Messung menschlicher Kompetenzen konzipiert werden soll, der interviewbasierte Ansatz und das Modell der Kompetenzbiographie vorgestellt.
3.1 Testbasierte Ansätze zur Kompetenzmessung
Eine Möglichkeit für Unternehmen, Kompetenzen von Mitarbeitern und Bewerbern zu messen, besteht im Einsatz von Kompetenztests. Unter Tests sind im Allgemeinen wissenschaftliche Routineverfahren zu verstehen, die anhand einer hinreichend großen Stichprobe erprobt und detailliert beschrieben wurden. Ziel der Durchführung ist die Quantifizierung eines oder mehrerer Merkmale oder das Treffen einer Aussage zur relativen Ausprägung dieser im Vergleich zu einer vergleichbaren Gruppe von Personen. Weitere, sowohl in der Wissenschaft als auch in der betrieblichen Praxis gebräuchliche Testverfahren sind Intelligenz-, Leistungs-, Persönlichkeits- oder Motivationstests.[46]
Im folgenden Teil sollen nun zuerst die wissenschaftlichen Gütekriterien, denen testbasierte Ansätze gerecht werden sollen, erläutert werden. Daran folgend werden exemplarisch zwei Verfahren im Detail betrachtet und verglichen.
3.1.1 Die Gütekriterien testbasierter Ansätze
3.1.1.1 Hauptgütekriterien
Als Hauptgütekriterien wissenschaftlicher Tests werden in der Literatur Objektivität, Reliabilität und Validität genannt.
Die Objektivität eines Tests beschreibt die Unabhängigkeit der Ergebnisse von äußeren Einflüssen, insbesondere vom Beobachter, Testleitern oder Auswertern. Ein Test wäre
demnach völlig objektiv, wenn ein Proband bei verschiedenen Testleitern/Auswertern identische Ergebnisse erzielen würde.[47]
Die Objektivität eines Tests wird nochmals unterteilt in Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität. Unter der Durchführungsobjektivität versteht man die Unabhängigkeit der Testergebnisse vom Testleiter. Damit diese möglichst hoch ist, sollten die Interaktionen zwischen Testleiter und Probanden möglichst gering gehalten werden. Weiterhin ist wichtig, dass Instruktionen so klar und interpretationsfrei wie möglich formuliert sind und der Testablauf in höchstem Maß standardisiert ist. Die Auswertungsobjektivität steht für die Unabhängigkeit der Testergebnisse von der Person, die den Test auswertet. Je nach Art des Tests kann sie stark variieren. Bei Tests, in denen Probanden nur zwischen „richtig“ und „falsch“ wählen können oder bei Leistungstests mit nur einer richtigen Antwort ist sie vollkommen erreicht. Kompetenztests weisen hier eine geringere Auswertungs-objektivität auf, da es keine generell richtigen Antworten gibt. Meist sollen die Probanden Antwortalternativen als mehr oder weniger zutreffend kategorisieren oder priorisieren. Besonders niedrig ist sie bei projektiven Tests, die z. B. Interpretationen von Bildern abfragen. Schlussendlich beschreibt die Interpretationsobjektivität den Grad der Unabhängigkeit der Testergebnisse vom Interpretierenden. Testleiter, Auswerter und Interpretierender können dabei unterschiedliche Personen sein.[48]
Die Reliabilität eines Tests, auch Zuverlässigkeit genannt, beschreibt den Grad der Genauigkeit der Ergebnisse. Erreicht ist eine hohe Reliabilität, wenn bei wiederholter Testdurchführung nach einem gewissen Zeitabstand die gleichen Ergebnisse erzielt werden. Es gibt verschiedene Arten der Reliabilität bzw. ihrer Ermittlung. Die Paralleltest-Reliabilität vergleicht die Ergebnisse einer Stichprobe von Probanden miteinander, die zwei streng vergleichbare Tests durchgeführt haben. Diese sollten weitestehend übereinstimmen oder stark ähnlich sein. Die Retest-Reliabilität stellt die Korrelation der Ergebnisse eines ersten und eines Wiederholungstests bei einer Stichprobe von Probanden dar. Ist ein Test reliabel, so sollten die Ergebnisse auch hier annähernd gleich sein. Als drittes ist die Innere Konsistenz oder half-split-Reliabilität, zu nennen. In diesem Fall wird ein Test in zwei gleichwertige Hälften geteilt, welche dann unabhängig voneinander ausgewertet werden. Danach werden die Ergebnisse beider Testhälften miteinander verglichen. Die Reliabilität eines Tests beantwortet jedoch nicht die Frage, ob der Test auch tatsächlich diejenigen Merkmale misst, die er zu messen vorgibt.[49]
Als letztes Hauptgütekriterium eines wissenschaftlichen Tests ist die Validität zu nennen. Sie gibt das Ausmaß an, in dem ein Test (oder ein anderes Verfahren) tatsächlich das misst, was es zu messen vorgibt. In der Literatur zum Thema wird sie teilweise als wichtigste der drei Hauptgütekriterien bezeichnet.[50]
3.1.1.2 Nebengütekriterien
Als erstes Nebengütekriterium eines Tests ist die Ökonomie bzw. die Wirtschaftlichkeit zu nennen. Diese ist gegeben, wenn der Nutzen der Kompetenzmessung durch diesen Test im Verhältnis zum damit verbundenen Aufwand hoch ist.[51] Konkret bedeutet dies, dass die Durchführung eines Tests möglichst wenig Zeit beanspruchen, wenig Material verbrauchen, schnell und einfach auswertbar sein und möglichst auch als Gruppentest durchführbar sein soll. Damit können mehrere Probanden zugleich durch einen Testleiter betreut werden und der Testleiter ist nicht unnötig lange gebunden. Die Ökonomie eines Tests ist dann gegeben, wenn diese Faktoren in möglichst hohem Maß erfüllt sind. Im Gegensatz zu den Hauptgütekriterien von Tests ist sie allerdings nicht durch Zahlen quantifizierbar.[52]
Die Nützlichkeit oder Relevanz der Ergebnisse eines Tests ist als zweites Nebenkriterium zu nennen. Sie ist dann gegeben, wenn eine praktische Relevanz bzw. ein Nutzen für die Untersuchung bestimmter Kompetenzen besteht. Erhöht wird die Nützlichkeit eines Tests und seiner Ergebnisse, wenn er quasi einzigartig ist und es kein weiteres Verfahren zur Messung der gleichen Merkmale gibt.[53]
Das Kriterium der Fairness besagt, dass ein (Kompetenz-)Test für alle Probanden, egal welche Funktion sie im Unternehmen haben und auf welcher Hierarchieebene sie im Unternehmen stehen, die gleichen Chancen bieten sollte und Transparenz sowie eine Ergebnisrückmeldung in Form einer Auswertung gewährleisten sollte.[54]
Für den Erfolg eines Tests ist seine Akzeptanz von immenser Bedeutung. Diese muss nicht nur bei den Probanden, sondern auch bei den Anwendern des Tests gegeben sein. Sie ist, wie auch die anderen Nebengütekriterien, nicht direkt messbar. Ein gutes Indiz für die Akzeptanz eines Tests (oder eines anderen Verfahrens zur Kompetenzmessung) ist die Teilnahmequote am Verfahren, wenn dieses freiwillig ist.[55]
Allgemein ist zu den Gütekriterien anzumerken, dass diese nicht nur für Kompetenztests, sondern auch für andere Verfahren der Kompetenzmessung, die später dargestellt werden, gültig sind.
3.1.2 Vorstellung ausgewählter Kompetenztests
In den folgenden Abschnitten werden exemplarisch zwei testbasierte Ansätze zur Messung menschlicher Kompetenzen vorgestellt werden. Dabei sollen folgende Punkte betrachtet werden:
- Die vorgestellten Tests haben jeweils unterschiedliche Prämissen und Ziele, sowie verschiedene bzw. vom anfangs definierten Kompetenzbegriff abweichende Definitionen. Diese sollen jeweils vorangestellt werden.
- Daran anschließend werden die Struktur und der Inhalt der Verfahren erläutert. Es wird, teilweise exemplarisch, dargestellt, wie der Test und seine Fragen aufgebaut sind und welche Antwortskala dem Probanden vorliegt.
- Darauf folgend wird die Auswertung des jeweiligen Tests vorgestellt. Hier sollen auch Möglichkeiten der Verwendung für ein ganzheitliches Kompetenzmanagement in die Betrachtungen einfließen.
- Abschließend erfolgt eine kritische Betrachtung des Verfahrens zusammen mit einem Blick auf seine Gütekriterien. Anhand der Kriterien, die einen Vergleich beider Verfahren ermöglichen, sollen beide Tests gegenübergestellt werden.
3.1.2.1 KODE® - Kompetenzdiagnostik und -entwicklung
KODE® (Kompetenzdiagnostik und -entwicklung) basiert auf dem anfangs vorstellten Kompetenzmodell von Erpenbeck und von Rosenstiel und der...