Das Thema Kaufentscheidung umfasst zwei zentrale Fragestellungen: Warum kaufen wir überhaupt etwas? und Warum kaufen wir dieses und nicht jenes Produkt? Die erste Frage richtet sich auf die motivierenden Kräfte, die dem Konsumverhalten zu Grunde liegen. Dies kann aus zwei Sichtweisen betrachtet werden: auf der einen Seite die eigene Motivation der Konsumenten, auf der anderen Seite der Motivationsversuch mittels Werbung. Die zweite Frage richtet sich auf die Entscheidung selbst. Warum entscheiden wir uns für ein bestimmtes Produkt?
„Motivation bezeichnet (…) einen Zustand des Organismus, der die Richtung und die Energetisierung des aktuellen Verhaltens beeinflusst. Mit der Richtung des Verhaltens ist insbesondere die Ausrichtung auf Ziele gemeint. Energetisierung bezeichnet die psychischen Kräfte, welche das Verhalten antreiben.“.[21]
Es gibt mehrere Konzepte, die die Motivation zum Handeln beschreiben. So kann die Erklärung von Handlungsmotivationen mit biologischen Begriffen wie Instinkten oder Reflexen beschrieben werden. Dies würde bedeuten, dass der Mensch unveränderliche Reaktionsmuster bei Kaufentscheidungen abruft. Solche Muster besitzt der Mensch zwar, aber sie kommen nicht allzu häufig vor.
Eine andere Erklärung lässt sich finden, wenn man Instinkt mit Trieb gleichsetzt. Daraus ergibt sich dann aber die Metapher vom Menschen als Maschine. Diese, auf Trieb basierenden, Theorien der Motivation zum Handeln haben den Nachteil, dass sie dem Handeln jegliche vom Menschen willentliche bzw. bewusste Steuerung über sein Verhalten nehmen. Somit sind diese Theorien für die Betrachtung des Konsumverhaltens nahezu unbrauchbar.
Diese Motivationstheorien gehen davon aus, dass ein Verhalten von inneren oder äußeren Reizen angetrieben wird. Demgegenüber gibt es Theorien, welche die Rolle von Kognitionen betonen (z.B. Erwartungs-Wert Modelle).[22] Der Mensch wird hierbei als „wissenschaftlich denkender Mensch konzipiert, der die Ursachen seines Verhaltens systematisch erforscht“[23].
Erwartungs-Wert Modelle gehen davon aus, „dass das Individuum bei der Wahl von Handlungszielen rational vorgeht und neben dem subjektiven Wert eines Handlungsziels die wahrgenommene Realisierungswahrscheinlichkeit berücksichtigt, die von den situationalen Umständen abhängt.“[24] Demnach ist die Wahrscheinlichkeit, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen, das Produkt aus dem Wert, welches dem Verhalten zugesprochen wird, und der Erwartung, die an dieses Verhalten geknüpft ist.
Übertragen auf das Konsumverhalten ist die Motivation zum Handeln das Produkt aus Erwartung, welche mit dem Kauf einhergehen soll, und Wert, welchen das Konsumgut für den Käufer darstellt.
Für eine Motivation zum Handeln nach diesen Modellen müssen beide Faktoren immer größer Null sein. Wenn zum Beispiel ein Konsument keinerlei Erwartungen an den Kauf eines Konsumgutes hat, so kann der Wert desselben noch so hoch sein, er wäre nicht zu einem Kauf motiviert.
Durch Erwartungs-Wert Modelle kann die Rationalität von Verhalten beschrieben werden. Für die Erklärung von Konsumentenverhalten sind diese in soweit einflussreich, da sie Konsumentscheidungen auf Basis von Kosten und Nutzen erklären.
Die Bedürfnishierarchie von Abraham Maslow liefert einen großen Beitrag zur Beschreibung von menschlicher Motivation. Laut seinem Modell werden in fünf Stufen die menschlichen Bedürfnisse beschrieben. Diese sind je nach Wichtigkeit für das (Über-)Leben hierarchisch angeordnet:
1. physiologische Bedürfnisse
2. Sicherheitsbedürfnisse
3. Gesellungsbedürfnisse
4. Geltungsbedürfnisse
5. Selbstverwirklichungsbedürfnisse.[25]
Die Bedürfnisbefriedigung beginnt nach seinem Modell immer mit den elementarsten Forderungen (z.B. essen). Erst wenn diese grundlegenden Bedürfnisse erfüllt sind, werden weniger wichtige Bedürfnisse versucht zu befriedigen.
Die ersten drei Stufen (teilweise auch die vierte) stellen die Defizitbedürfnisse dar. Sind diese erfüllt, gilt man im Allgemeinen als zufrieden. Ist dieser Zustand erreicht, so ist keine Motivation mehr zur vorsorglichen Aufrechterhaltung des Zufriedenheitszustandes gegeben (z.B. ist der Hunger befriedigt, so wird man nicht pausenlos weiter essen, um zukünftigen Hunger zu vermeiden). Die fünfte (zum Teil die vierte) Stufe beinhaltet die so genannten Wachstumsbedürfnisse. Diese vollständig zu befriedigen, ist nicht möglich (z.B. ein Künstler, der nach Kreativität strebt, wird seine Bemühungen nicht nach einer gewissen Zahl erledigter künstlerischer Arbeiten einstellen).
Diese eindimensionale Anordnung von Bedürfnissen ist sicher einfach nachzuvollziehen. Auf die Werbung an sich ist sie aber nur bedingt anwendbar. Dazu drei Beispiele, welche die Schwierigkeiten verdeutlichen sollen: „Hoffentlich Allianz versichert“, „Rama macht das Frühstück gut“ und „Spiegelleser wissen mehr“.
Der Werbeslogan der Allianz lässt sich sehr leicht dem Bedürfnis nach Sicherheit zuordnen. Bei Rama ist es schon schwerer, ein konkretes Bedürfnis zu benennen. So kann an den Hunger des Konsumenten appelliert werden, genauso aber an das Bedürfnis, gesund zu leben. Beide Einteilungen weisen Probleme auf. Rama vermag es wohl kaum, den Hunger des Konsumenten zu befriedigen, ebenso wenig kann das Produkt einen Anspruch darauf erheben, dass es der Weg ist, gesund zu leben. Zum letzten Beispiel, dem Slogan des Wochenmagazins Spiegel, lassen sich eine ganze Reihe von Bedürfnissen finden, die angesprochen werden. So kann er an die Neugier, den Wissensdrang, Sensationslust oder an das Bedürfnis nach sozialem Vergleich der Konsumenten appellieren.
Festzuhalten bleibt, dass Werbung in sehr wenigen Fällen Gesellungsbedürfnisse, Geltungsbedürfnisse und Selbstverwirklichungsbedürfnisse anspricht. So richtet sich die Mehrzahl der Werbungen an Bedürfnisse der ersten und zweiten Stufe. Werbung verspricht dabei aber nicht, dass das Produkt der einzige Weg ist, den Hunger zu stillen oder, dass das Produkt das einzige Mittel ist, eine Krankheit zu besiegen. Vielmehr wird ein Zuwachs von Lebensqualität oder Wohlbefinden in Aussicht gestellt. Elementare und grundlegende Bedürfnisse werden demnach von Werbung kaum angesprochen, und Konsumenten denken bei der Rezeption von Werbung ebenso wenig an das Überleben.
Wie im vorangegangen Kapitel erwähnt wurde, richtet sich die Werbung in den seltensten Fällen an elementare und grundlegende Bedürfnisse. So kann die Bedürfnishierarchie nach Maslow nur einen Rahmen darstellen, welche die Wichtigkeit der einzelnen Bedürfnisse aufzeigt.
O´Shaughnessy führt daher eine Motivation der Konsumenten auf die Suche nach dem guten Leben zurück: „Whether through daydreams about idealized lifestyle, past experience, or strategy of displaced meaning, consumers in their purchases seek ‘the good life’.”[26]
Der Gedanke an ein gutes Leben kann jedem Menschen unterstellt werden, da dieser eine zentrale Rolle für die Vorstellung des eigenen Lebens bildet. So ist die Vorstellung, besser zu leben, auch bei nahezu allen Kaufhandlungen die Grundlage.
O´Shaughnessy nennt eine Reihe von Gegensatzpaaren, welche die Vorstellung der Konsumenten an das gute Leben definieren. Demnach sind Menschen grundsätzlich:
lieber gesund als krank
lieber physisch sicher als bedroht
lieber geliebt und bewundert als gehasst und gemieden
lieber voller Leben als elend und träge
lieber Insider als Outsider
lieber zuversichtlich als unsicher
lieber heiter und gelassen als angespannt und ängstlich
lieber schön als hässlich
lieber wissend als unwissend
lieber Bestimmer über das eigene Schicksal als Spielball der Ereignisse
lieber gut unterhalten als gelangweilt
lieber frei von Schuld als von Schuld erdrückt
lieber konsequent als inkonsequent.[27]
Generell sind diese Gegensatzpaare leicht nachzuvollziehen. Felser kritisiert daran aber, dass keine Aussage getroffen wird, wann diese Liste vollständig ist, und ebenso wenig wird etwas über das Verhältnis der Ziele untereinander gesagt.[28]
Die Theorie des guten Lebens hat dennoch einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Motivationstheorien, welche die Motivation zum Kauf beschreiben. Es wird hier nicht davon...