Vorwort
Was für ein Glück, dass Pierre Stutz es sich nicht leicht gemacht hat damit, das Leben richtig zu leben und davon zu schreiben! Was für ein Glück für seine Leserinnen und Leser, dass dieses »richtige« Leben für ihn Intensität und Wahrhaftigkeit umfasst und dass er deshalb auch dem Schmerz und den Fragen auf den Grund gegangen ist; was für ein Geschenk, dass er immer Augen für das Schöne, Staunenswerte und Beglückende hat; wie gut, dass er auf die großen Herausforderungen und abgründigen Zweifel gelassen und beharrlich konkrete Alltagsantworten findet!
Das Schreiben war schon früh sein Traum; und wie so oft, wenn Träume wahr werden, fiel die Erfüllung ihm nicht in den Schoß. An dem Traum zu schreiben und mit dem Schreiben andere zu erreichen, hat Pierre Stutz viel gearbeitet. Zum Beruf wählte er zunächst etwas anderes, eine Berufung, die aufs Ganze geht: als Priester war er angekommen bei dem, was man sich unter dem »richtigen Leben« vorstellt und mit dem man doch nie ans Ende kommt. Weiter unterwegs also, hat er auf seinem Weg aufgeschrieben, was ihm wichtig war; er hat sich auch mit seinen Worten immer wieder aufgemacht, um zum Ausdruck zu bringen, was ihn unmittelbar angeht, was sein größtes Anliegen ist: wie Gott in dieser Welt wirklich wird und wie das Leben gelingt für uns Menschen, Gottes geliebte Geschöpfe – und zwar für alle miteinander. Zu dieser Wirklichkeit Gottes für den Menschen gehört, dass als Geschenk da ist, worauf es wesentlich ankommt, und dass der Wert jedes Menschen darum ganz aus seinem Sein entspringt und nicht daran hängt, was einer hat, wie erfolgreich eine ist, wie viel jemand leistet. Die Erkenntnis, erst einmal sein zu dürfen, bevor irgendetwas erwartet wird, ist eine, zu der Pierre Stutz selbst auf dem Weg der Erfahrung gelangt ist, die er mit dem eigenen Leben durchbuchstabiert hat. Zum Glück – für seine Leserinnen und Leser – hat er in Worte gefasst, wie diese Erfahrung sich anfühlen und was sie auslösen kann.
Pierre Stutz schreibt auf, was ihm wichtig ist – und nie schreibt er etwas, was er nicht selbst erfahren hat. Dabei war es für ihn selbst gar nicht einfach, diese Erkenntnis zu erlangen: sein zu dürfen und auf die eigene Stimme des Herzens zu hören; er spürte auf der Suche nach dem, was wichtig ist, und mit dem Wunsch, das Richtige und Gute zu tun, die Bedürfnisse der anderen oft deutlicher als die eigene Not; und es brauchte schließlich eine Krise, die ihm zeigte, dass das äußerlich so richtige und gute Leben noch nicht stimmt, wenn es nicht im Einklang mit sich selbst ist. Das hat ihn sehr aufmerksam gemacht für die Verletzlichkeit des Lebens und für alle lebensförderlichen Kräfte. Er hat erfahren, wie viel Zärtlichkeit und Lebenskraft, wie viel Annehmen und Hingeben, wie viel Mut und Vertrauen nötig sind, um zu diesem Einvernehmen mit sich selbst zu gelangen. Und er hat sich deshalb auch in seiner christlichen Tradition aufgemacht und nach den Quellen gesucht, die von solchen guten Kräften erzählen. Gefunden hat er sie in den Klagen und dem Dank der Psalmen aus dem Ersten Testament; in den Berichten vom Liebhaber des Lebens aus Nazaret, Jesus, der heilte, diskutierte und viel feierte; in den innigen Texten der mittelalterlichen Mystikerinnen und Mystiker. In seinen Büchern hat er ihren Gedanken und Worten ins 20. und 21. Jahrhundert hinein geholfen. Er hat ihre manchmal sehr fremde und schwer verständliche Sprache übersetzt in den Alltag von jetzt. Auch ihnen allen geht es um das richtige Leben, in dem das Schöne viel Platz hat, jede kleine Freude Anlass zum Danken ist, das Unheil nicht verschwiegen wird, die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Heil immer neu gesagt wird und die Gewissheit auf ein gutes Ende die Wirklichkeit verändert. Was Pierre Stutz im aufmerksamen Hören auf die lebendigen alten Texte und im inneren Gespräch mit ihnen erfahren und aufgeschrieben hat, macht sie neu zugänglich auch für alle, die seine Bücher lesen.
Zärtlichkeit und Lebenskraft, beides gehört für ihn zum Wahrnehmen der Herzensstimme, zum Hüten des inneren Feuers, zum Geradestehen für den eigenen Weg. Zärtlichkeit und Lebenskraft helfen, sich aufzumachen auf diesen Weg, über Umwege das Eigene zu finden, vielleicht im Scheitern zu erkennen, wo es weitergehen kann, Abschied zu nehmen von dem, was nicht stimmt, Träume ernst zu nehmen und zu leben. Was sich einfach sagen lässt, ist nicht immer leicht zu tun. Viel Mut gehört dazu und viel Vertrauen – Pierre Stutz, der Mensch, hat es auf seinem persönlichen Weg erfahren, und der spirituelle Begleiter und Autor Pierre Stutz konnte viele ermutigen, der Verwandlung zu trauen und selbst den Segen des Aufbruchs zu erfahren.
Leben und Schreiben sind kaum zu trennen bei ihm: Das macht seine Bücher ganz echt und unmittelbar. Leichter fällt das Schreiben im Modus der Erfahrung sicher eher nicht: Auch wenn Erfahrungen uns reicher machen, besteht dieser Reichtum eben nicht nur in Glück, Freude und Helligkeit, sondern auch in Enttäuschung, Schmerz, Dunkelheit oder Unheil. Die beglückenden wie die abgründigen Erfahrungen in Worten so zum Ausdruck bringen und verwandeln zu können, dass sie auch für andere wahr werden, ist eine der ganz großen Gaben von Pierre Stutz. Vielen Leserinnen und Lesern geht es so, dass sie einstimmen können in das, was da steht, dass sie in seinen Büchern plötzlich Worte finden für die unbestimmte Ahnung, die sie hatten, für die Unruhe, die sie spürten, für das Naheliegende, das zu tun ist und das sie doch nicht vorher gesehen hatten. Wer seine Bücher liest, lernt sich selbst besser kennen und beginnt, die Stimme des Herzens besser wahrzunehmen. Der wird ermutigt, für sich selbst einzustehen und die eigene Lebensaufgabe anzugehen. Der sieht sich und alle und alles um ihn herum klarer.
Diese Ermutigung hängt auch damit zusammen, dass man sich in seinen Büchern wie in der persönlichen Begegnung freundlich wahrgenommen fühlt und dass er vor Publikum und auf der Bühne eine Ruhe und Herzlichkeit verströmt, die durchatmen lässt, die gelassen und heiter stimmt. Vor allem aber ermutigt Pierre Stutz mit seinen sehr konkreten Ideen, Übungen und Meditationen. Weil er den Menschen als Einheit von Leib, Seele und Geist in den Blick nimmt, sind Gesten und Zeichen der vertiefende körperliche Ausdruck einer Haltung, eines Gefühls, einer Erfahrung. Solche Rituale geben der Oberfläche des Alltags die Tiefenstruktur, die ihn trägt; sie schaffen eine Verbundenheit – mit anderen Menschen, Zeiten oder Orten –, die Sinn schenkt. Diese Alltagsspiritualität stärkt dem Einzelnen Leib und Seele, und sie stärkt das Miteinander. Es ist gut, in den verschiedenen Zeiten des Tages, des Jahres und des Lebens Worte und Zeichen zu haben, die deutlich machen, dass hier ein Moment wichtig ist, dass dort ein Übergang bewusst gegangen wird, dass ein Innehalten nötig ist, eine Geste der Solidarität oder ein Fest der Dankbarkeit.
Dass aber auch unterwegs im und zum richtigen Leben nicht alles gut ist; dass beim Hören auf die Stimme des Herzens nicht immer nur Angenehmes zutage kommt; dass Schmerz und Unglück an spirituellen Menschen nicht vorübergehen, und dass vielleicht gerade sie sensibel sind für das Schwere und Unheil dieser Welt, das ist ja nicht zu leugnen. Die Erfahrung der Verletzlichkeit hält die Sehnsucht nach Heil wach. Sie erinnert uns auch daran, dass Glück eben noch keine Seligkeit ist. Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, doch es lebt in der Unvollkommenheit und ist ganz nah, für alle, die offene Augen und Ohren haben, einen halbwegs klaren Kopf und ein weites Herz. Immer wieder beschreibt Pierre Stutz, wo er es erlebt: Das Glück überwältigt mit der Schönheit der Natur; lässt sich blicken, wenn Menschen beieinander sind, manchmal auch ganz überraschend; ist still dabei, wenn ein beeindruckender Film oder ein gutes Buch berühren; beflügelt, wenn politisches Engagement Erfolg zeigt; tanzt mit, wenn zwei Menschen sich Leib und Seele füreinander öffnen. Das sind die Momente, in denen das Leben gefeiert werden will: Schließlich ist das Leben »keine Turnübung, sondern ein Tanz in Gottes Armen«, wie Pierre Stutz mit Madeleine Delbrêl, der Mystikerin des 20. Jahrhunderts, betont.
Es ist auch das wunderbare unvollkommene Glück dieses Lebens, das dabei hilft, loszulassen, was man nicht festhalten kann – auch wenn das Loslassen schwerfällt. Auf dem Weg zum richtigen Leben muss manches losgelassen werden; dazu gehört vor allem die Illusion, mehr zu haben führe zu einem besseren Sein; es kann das allzu lieb gewonnene Selbstbild dazugehören, Pläne, die so gut ausgesehen hatten, Menschen, die in eine andere Richtung unterwegs sind; auch sich selbst loszulassen gehört dazu, immer wieder. Wer loslassen kann, hat die Hände frei und kann sich einlassen auf das, was nötig ist, auf andere, auf die Welt, die Menschen braucht, die sich nicht vor allem um sich selbst drehen.
Auch wenn es ums Loslassen geht, um dieses Öffnen des Herzens, der Hände und aller Pläne, merkt man, dass da einer schreibt, der weiß, wovon er redet. Pierre Stutz hat es immer wieder getan, er hat Trennungen und Abschiede hinter sich – auch sein Leben als Priester in der katholischen Kirche gehört dazu.
Er weiß also, wovon er redet, wenn er vom Loslassen schreibt; und er erzählt, wie viel dabei zu gewinnen ist. Wer sich dabei die Fähigkeit zum Staunen erhält, wird mehr entdecken. Und wer merkt, wie erstaunlich gut es tut, sich selber loszulassen, hat Lust auf das vielfältige Engagement, das die Welt zu einem schönen Ort macht.
Für solches Engagement braucht es Kraft – wohl dem, der Kraftquellen kennt. Eine,...