Kultivierung
Viele (Hobby-)Ethnobotaniker sind daran interessiert, die Substanzen, für die sie sich begeistern, auch praktisch kennenzulernen, indem sie die Pflanze selbst züchten. Es kann eine wundervolle Erfahrung sein, eine Pflanze vom Samen (oder Steckling) an großzuziehen.
Saatgut
Der einfachste und vor allem kostengünstigste Weg, mit der Zucht zu beginnen, ist durch die Bestellung von Saatgut. Eine Packung mit 100 bis 200 Samen sollte nicht mehr als fünf bis zehn Euro kosten.
Die wenigen ethnobotanischen Shops, in denen Saatgut von Mitragyna speciosa bestellt werden kann, lassen sich durch eine Suchmaschinenrecherche innerhalb kürzester Zeit auffinden.
Viele Züchter raten davon ab, Kratom-Saatgut in Internet-Auktionshäusern zu beziehen. Offenbar gibt es dort überdurchschnittlich viele schwarze Schafe, die Saatgut anbieten, das eine sehr schlechte Keimrate aufweist. Es sind auch Fälle bekannt geworden, bei denen gänzlich fremdes Saatgut versendet wurde. Hier gilt es, im Vorfeld zu recherchieren.
Die ohnehin niedrige Keimrate des Saatguts nimmt mit dem Alter weiter ab. Die Samen sollten also so schnell wie möglich angepflanzt werden.
In Europa findet man relativ häufig Mitragyna-speciosa-Samen mit dem Vermerk »Rifat Strain«. Es handelt sich dabei (angeblich) um Abkömmlinge der Exemplare, die Claude Rifat aus Thailand nach Europa geschmuggelt hat. Rifat (1952–2002) war ein französischer Biologe und Psychonaut, der sich Zeit seines Lebens mit GHB, Salvia divinorum, Iboga und auch Kratom beschäftigt hat. Ein Teil seiner Publikationen kann auf Shaman Australis eingesehen werden (SHAMAN AUSTRALIS 2002).
Stecklinge
Zum Teil findet man in den Weiten des Internets nette Ethnobotaniker, die gewillt sind, einen Steckling ihres Lieblings abzugeben.
Um einen Steckling zu schneiden, benötigt man eine sehr scharfe, saubere Rasierklinge. Ein passender Seitentrieb wird ausgewählt und hinter dem Internodium im Winkel von etwa 45 Grad abgetrennt. Ausgewählt wird das Ende eines gesunden Triebes. Die Blätter am Internodium werden entfernt, so dass nur noch die obersten Blätter vorhanden sind.
Der Steckling sollte so schnell wie möglich in gut angefeuchtete Anzuchterde gesteckt werden. Es ist dabei wichtig, den Steckling immer im Zimmergewächshaus zu belassen, in welchem man eine hohe Luftfeuchtigkeit aufrecht erhalten sollte.
Dies ist nur dann praktikabel, wenn man den Steckling selbst in heimische Gefilde bringen kann. Stecklinge bewurzeln nur sehr schwerfällig, und einen Versand überleben sie oft nicht.
Torsten Wiedemann, der Betreiber von Shaman Australis, vermehrte Kratom mittels Kalluskulturen. Wer sich die Klonierung von pflanzlichen Zellen unter In-vitro-Bedingungen zutraut, kann versuchen, diesen Weg zu gehen.
Pflanzen kaufen
Manchmal hat man das Glück, bei einer Internetrecherche einen Verkäufer zu finden, der gewillt ist, ganze Kratompflanzen zu verkaufen. Dies ist sicherlich der einfachste Weg, eine schöne Pflanze zu bekommen.
Jungpflanzen werden in unterschiedlichen Preiskategorien angeboten, angefangen von ungefähr 20 Euro für eine kleine, bis über 100 Euro für ein großes Exemplar.
Es ist nicht unvernünftig, vor dem Kauf mit dem Händler in Kontakt zu treten, da kleine Bäumchen in der Regel nicht mit der Post versendet werden können. Außerdem sollen vorher verschiedene Bilder des Exemplars angefordert werden, um den Zustand überprüfen zu können.
Pflanzen, die für die Gewinnung von Lebensmitteln verwendet werden, sollten nach Möglichkeit nicht chemisch behandelt worden sein. Es ist sinnvoll, auch dies vor der Bestellung mit dem Verkäufer zu klären.
Bestellungen im Winter sind problematisch, wenn über einen Versandhandel geliefert wird, da die Sendung und damit der Steckling auskühlen kann. Außerdem sollte bedacht werden, dass lebendiges Pflanzenmaterial nicht unbedingt von außerhalb Europas eingeführt werden darf:
»Einfuhren aus asiatischen, amerikanischen, afrikanischen Staaten oder Australien Bei der Einfuhr aus diesen Ländern ist für mitgeführte Pflanzen,Pflanzenteile (…) ein Pflanzengesundheitszeugnis des Ursprungslandes zur Einfuhr in die EU erforderlich. Bei der Einreise nach Deutschland müssen die Waren beim Pflanzenschutzdienst an der Grenze angemeldet werden, der die Pflanzen und Papiere kontrolliert. Wenn kein Pflanzengesundheitszeugnis vorgelegt werden kann, werden die Waren in der Regel vernichtet« (ZOLL.DE 2019).
Aufzucht und Pflege
Mitragyna speciosa ist eine tropische Pflanze, deshalb müssen bestimmte Bedingungen künstlich hergestellt werden, um ihr ein gesundes Wachstum in Mitteleuropa zu ermöglichen.
Keimung
Die Kratomsamen sind Lichtkeimer, das bedeutet, dass sie allenfalls mit einer hauchdünnen Schicht Quarzsand bedeckt werden sollten. Es bietet sich an, alle vorhandenen Samen anzusäen, da die Keimrate mitunter sehr niedrig sein kann. Die Temperatur während der Keimung sollte 30 °C nicht unterschreiten.
Anzuchterde
Geeignet zur Anzucht sind kleine Plastiktöpfchen, wobei saubere Joghurtbecher mit Dränagelöchern auch genutzt werden können. Gefüllt werden die Töpfchen mit Kokosfasern oder Anzuchterde. Den pH-Wert zwischen 5,5 und 6,5 zu halten, hat sich als sinnvoll erwiesen. Handelsübliche Anzuchterde oder Kokosfasern sollten sich bereits in diesem Bereich befinden.
Gewächshaus
Die Töpfchen werden nun in ein Zimmergewächshaus gestellt. Alternativ kann auch Frischhaltefolie mit einem Haushaltsgummi über die Töpfe gestülpt werden, die Folie sollte dann gegebenenfalls in regelmäßigen Abständen kurz abgenommen werden, um die Gefahr von Schimmel auf dem Substrat zu verringern.
Tipp: Blumentöpfe mit einer quadratischen Grundfläche (Vierkanttöpfe) lassen sich sinnvoller im Zimmergewächshaus aufreihen.
Optimale Bedingungen
Kratom liebt Licht, jedoch ist keine Hochleistungslampe notwendig. Eine Leuchtstoffröhre oder LED-Pflanzenlampen genügen in der Regel. Es ist sinnvoll, eine Zeitschaltuhr anzuschaffen und auf einen 20-Stunden-Belichtungszyklus einzustellen. Sofern möglich, sollte das Zimmergewächshaus zusätzlich an einem hellen Fenster platziert werden, um die Lichtleistung der Sonne zusätzlich zu nutzen.
Junge Kratom-Pflanze
Die Lichtquelle sollte so nah wie möglich über den Pflanzen justiert werden. Je nach Wärmeabstrahlung der Lichtquelle, 2 bis 3 cm oberhalb der Pflanzen. Wichtig dabei ist, dass die Pflanzen nicht erhitzt werden.
Die Temperatur sollte zwischen 20 und 30 °C liegen. Im Winter bietet sich eine Heizmatte oder ein Heizkabel aus der Reptilienzucht an.
Die relative Luftfeuchtigkeit sollte 70 bis 90 Prozent betragen. Um dies zu erreichen, kann eine Sprühflasche verwendet werden. Je nach Größe des Gewächshauses kann auch ein Ultraschallvernebler sinnvoll sein. Um die Bedingungen zu kontrollieren, ist eine digitale Wetterstation oder wahlweise ein Thermometer plus Hygrometer praktisch.
Weitere Pflege
Wenn die Bedingungen des natürlichen Habitats, wie ab Seite 15 beschrieben, genau befolgt werden, sollte sich die Pflanze gut entwickeln.
Der pH-Wert der Erde sollte den oben genannten Bereich nicht verlassen, deshalb lohnt es sich, den pH-Wert des Gießwassers in Erfahrung zu bringen. Man findet diesen meist auf den Internetseiten des Wasserversorgers, man kann ihn aber auch mit Teststreifen aus der Apotheke selbst bestimmen.
Generell sollte Staunässe bei jungen Pflanzen vermieden werden. Ältere Exemplare sind dagegen weitgehend immun.
Wenn die Bäumchen größer werden, kann durch den Einsatz eines Ventilators etwas Wind simuliert werden. Die Bewegung stärkt den Stamm des Baums und macht es Schädlingen schwerer, es sich auf der Pflanze bequem zu machen. Kratom braucht darüber hinaus relativ viel Dünger, dabei ist auf einen hohen Stickstoffgehalt und einen passenden pH-Wert zu achten.
Mit steigendem Alter der Pflanzen können diese langsam an unsere klimatischen Bedingungen angepasst werden, trotzdem sollten Temperaturen unter 15 °C sowie trockene Luft vermieden werden.
Ein letzter Tipp kommt von einem befreundeten Kratomzüchter: »A sound machine with rain/forest noises, or at least classical music, will help your klone[sic] feel at home and want to burgeon!« (PAUL,...