2 Perspektive: Objektive und Bildwinkel
Wenn jemand fragt: »Was für eine Kamera würdest du kaufen?«, kann ich nur antworten: »Eine Nikon!« Wäre dem nicht so, hätte ich eine Kamera einer anderen Marke. Wenn mich jemand fragt: »Was für eine Kamera soll ich kaufen?«, antworte ich: »Geh zu einem Händler, der eine breite Auswahl hat, nimm verschiedene Marken und Modelle in die Hand und schau, was sich für dich am besten anfühlt.« Für mich fühlen sich Nikon-Kameras gut an. Aber alle Hersteller kochen mit Wasser, und schlechte Geräte würde ich im Segment der Spiegelreflexkameras von keinem erwarten. Allerdings hat es gewisse Vorteile, bei einem der Platzhirsche einzukaufen: Für Canon und Nikon gibt es einfach das größte Angebot an Zubehör und Objektiven. Bezieht man Objektive von Drittherstellern, wie Sigma, und gebrauchte mit ein, dann ist die Auswahl bei Nikon schier unüberschaubar. Immerhin sind neuste Nikon-Kameras noch immer mit Objektiven ab 1959 kompatibel – ab dem Jahr, in dem Nikon den F-Mount vorstellte. Eine solche Kompatibilität ist bei anderen Herstellern keine Selbstverständlichkeit.
Abb. 2.1: Nikon F
© Nikon GmbH 2013
Das F-Bajonett
Jeder Hersteller von Kameras mit Wechselobjektiven hat seine eigene Norm des sogenannten Bajonettsystems – das ist der Schraubverschluss, über den Kamera und Objektiv miteinander verbunden werden. Bei Nikon nennt sich das »F-Bajonett« beziehungsweise »F-Mount«. Eingeführt wurde dieses System 1959 mit der legendären Nikon F (Abb. 2.1). Nikon hat das F-Bajonett seither immer weiterentwickelt und den neusten technischen Errungenschaften angepasst, dabei aber stets rückwärtskompatibel gehalten, sodass an der D610, mit ein paar Ausnahmen, noch alle Nikkore seit 1959 angesetzt werden können (Nikkor ist der Markenname für Nikon-Objektive).
Die D610 ist eine FX-Kamera
Nikon hat aktuell drei verschiedene Produktlinien an Kameras mit Wechselobjektiven und unterschiedlich großen Bildsensoren im Programm: FX-Kameras, DX-Kameras und das Nikon-1-System.
CX-Kameras • Neben den Spiegelreflexkameras gibt es seit einiger Zeit die Nikon-1-Serie im Segment der sogenannten Systemkameras, auch bekannt als EVIL-Kameras (»Electronic Viewfinder Interchangeable Lens«1) oder als MSC (»Mirrorless System Camera«2). Das Sensorformat der Nikon 1 beträgt 13,2 × 8,8 mm – Nikon nennt es »CX-Format«. Dieses System ist mittlerweile vor allem deshalb interessant, weil Nikon im Herbst 2013 mit der Nikon 1 AW1 die erste wasserdichte und stoßfeste Systemkamera der Welt vorgestellt hat.
Objektive für DX- und FX-Kameras können über einen Adapter an eine Nikon 1 angeschlossen werden. Umgekehrt hätte es wenig Sinn. Die Objektive der Nikon-1-Serie sind für einen D610-Fotografen also uninteressant.
Abb. 2.2: Nikon 1 V2 mit Bajonettadapter FT1 für DX- und FX-Nikkore
© Nikon GmbH 2013
FX-Kameras • FX-Kameras haben einen Bildsensor im Kleinbildformat von 36 × 24 mm. Kleinbild wird mit »KB« abgekürzt, oft bezeichnet man es als »Vollformat« und gelegentlich hört man auch die analoge Bezeichnung »35-mm-Film-Format«, wobei sich 35 mm auf die Breite der Filmrolle (Abb. 2.3) bezieht, auf der die 36 × 24 mm großen Fotos aufgenommen werden (Abb. 2.4). Da es sich bei der Nikon D610 um eine FX-Kamera handelt, werden wir uns im Laufe dieses Kapitels ausgiebig mit FX-Objektiven befassen.
Abb. 2.3: Analoger Kleinbild-Negativfilm
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DX-Kameras • Die analoge Fotografie wurde in den letzten Jahrzehnten vor der Digitalfotografie klar vom Kleinbildformat dominiert. Als das Interesse an digitalen Spiegelreflexkameras zunahm, stand man vor dem Problem, dass größere Bildsensoren ausgesprochene Preistreiber sind (das ist auch heute noch so). Deshalb beherbergten DSLRS zunächst kleinere Sensoren als analoge Kleinbildkameras. Bei Nikon beträgt dieses kleinere Format circa 24 × 16 mm. Bildsensoren, die ungefähr dieses Format haben, werden allgemein APS-C genannt – Nikon bezeichnet sein APS-C-Format als DX-Format. APS-C war ursprünglich Teil des »Advanced Photo System«, ein analoges Filmformat, das Mitte der 1990er Jahre als Alternative zum Kleinbild lanciert wurde. APS ermöglichte es, Daten mit auf den Film zu speichern und unter drei verschiedenen Unterformaten für eine Aufnahme zu wählen: APS-H mit 30,2 × 16,7 mm, APS-C mit 25,1 × 16,7 mm und APS-P mit 30,2 × 9,5 mm. APS-C wurde später zur Bezeichnung mittelgroßer Digitalsensoren übernommen, sowohl für das 24-×-16-mm-Format – das eben bei Nikon DX heißt und auch von Sony, Samsung und Pentax verwendet wird – als auch für das 22,3-×-14,9-mm-Format, das Canon nutzt.
Abb. 2.4: Maße des Kleinbildfilms
Zuletzt galt die Regel, dass Profikameras einen Vollformatsensor enthalten und Consumer-Kameras einen kleineren Sensor – bei Nikon im DX-Format . Tatsächlich aber hat Nikon die im Profi-Segment positionierte D300s mit DX-Sensor im Programm, und wer mit Pentax oder Olympus fotografieren möchte, muss aktuell generell auf Vollformat verzichten. Das heißt aber nicht, dass Modelle von Pentax und Olympus von Profis nicht eingesetzt werden, auch wenn Nikon und Canon den Profi-Markt mit ihren Kleinbildkameras dominieren. Die D610 wird wohl dieses Bild als erste Consumer-Kamera mit Vollformatsensor nachhaltig ändern.
Abb. 2.5: Sensorformate 1:1: Kleinbild (FX) , APS-C (DX) , Nikon CX
DX- und FX-Objektive
Die Nikon-DX-Kamera bietet gegenüber der FX ein paar Vorzüge. Da wäre einmal der bereits erwähnte Umstand, dass Nikon dieselben AF-Messsysteme sowohl in DX-als auch in FX-Kameras verbaut, mit der Konsequenz, dass der Nutzer einer preiswerteren DX-Kamera eine bessere Abdeckung des Bildfeldes durch Messfelder hat als der Nutzer einer teureren FX-Kamera (→ S. 23).
Abb. 2.6: FX- und DX-Format im Bildkreis der Objektive beziehungsweise des F-Mount-Systems
DX-Objektive • Ebenfalls ein Vorzug ist, dass man mit einer DX-Kamera sowohl die preiswerteren DX-als auch die meist für den professionellen Markt entwickelten und teureren FX-Objektive nutzen kann. Umgekehrt hingegen kann man DX-Objektive an FX-Vollformatkameras nur mit Einschränkungen verwenden. Der Grund dafür ist folgender: Das Nikon-F-Bajonettsystem wurde für das Kleinbildformat von 36 × 24 mm entwickelt. Dafür ist ein Bildkreis von 43,27 mm erforderlich. In den Randbereichen des Bildkreises kommt es oft zu Abschattungen, was sich in den Aufnahmen als Vignettierung in den Ecken bemerkbar macht. Außerdem nimmt die Detailschärfe von der Mitte zum Rand hin in der Regel ab.
Es ist offensichtlich relativ schwer, Objektive zu entwickeln und zu bauen, die über den gesamten Bildkreis hinweg bis an die Ränder möglichst scharf abbilden und zu geringer Vignettierung führen. DX-Objektive nutzen denselben Bildkreis mit 43,27 mm Durchmesser – sie haben ja denselben Bajonettanschluss –, schneiden sich daraus allerdings nur ein um ein Drittel kleineres Bildfeld, eben im Format 24 × 16 mm heraus (Abb. 2.9) – das Sahnestück sozusagen. Die Konstruktion darf deshalb bei DX-Objektiven ohne Weiteres so ausfallen, dass in den Randbereichen des Bildkreises Abschattungen und Unschärfen entstehen (Abb. 2.8), da diese sowieso nicht auf die Aufnahme kommen. Deshalb sind solche Objektive meist kompakter und preiswerter.
Abb. 2.7: AF-S DX Nikkor 35 mm f1.8 G und D600 (D610 verhält sich identisch); der gelbe Rahmen markiert das DX-Format
Abb. 2.8: Das Resultat der FX-Kamera mit vollem Bildausschnitt zeigt eine deutliche Vignettierung in den Ecken.
Abb. 2.9: So würde das Ergebnis einer DX-Kamera aussehen.
Wie gesagt: Sie können DX-Objektive an der D610 nutzen, müssen allerdings mit Einschränkungen leben. Nach Werkseinstellung erkennt die D610 DX-Objektive und reduziert den Bildausschnitt automatisch auf das kleinere Format. Die Aufnahme erfolgt dann nicht mehr in der vollen Auflösung von 24 Megapixeln (6016 × 4016 Pixel), sondern nur in einer reduzierten von 3936 × 2624 Pixeln (≈ 10 Megapixel).
Abb. 2.10: Einstellung des Bildfeldes, DX oder FX, im Menü Aufnahme
Es ist davon auszugehen, dass die D610 ein Objektiv von einem Dritthersteller, wie Sigma oder Tamron, das für das kleinere DX-Format entwickelt wurde, nicht als solches erkennt. Möchten Sie es dennoch einsetzen und den Bildausschnitt auf das kleinere Format beschränken, dann müssen Sie die Einstellung manuell vornehmen. Dazu öffnen Sie das Menü Aufnahme | Bildfeld, deaktivieren DX-Format-Automatik und wählen dann unter Auswahl des Bildfeldes die Option DX (24 × 16) 1.5 × (Abb....