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Krebs ist, wenn man trotzdem lacht

Wie ich von heute auf morgen Krebs hatte und wieder zu neuem Lebensmut fand. Empfohlen von 'Nana Recover your smile e. V.'

AutorSabine Dinkel
VerlagHumboldt
Erscheinungsjahr2017
Reihehumboldt - Psychologie & Lebensgestaltung 
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783869104263
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Ein Ratgeber, der Mut macht Diagnose: Krebs. Von heute auf morgen verändert sich das Leben von Sabine Dinkel radikal. Das entsprechende Ratgeberangebot wirkt auf sie überwiegend trostlos: zu medizinisch, zu esoterisch, zu betroffenheitsduselig. Sie beschließt kurzerhand, selbst etwas zu schreiben: über das Gute im Schlechten und den Schutzfaktor Humor. 'Krebs ist, wenn man trotzdem lacht' ist ein Ratgeber, der Mut macht - zur Bewältigung, zum spielerischen Umgang und zum Wiedergewinn der eigenen Souveränität.

Sabine Dinkel war selbstständiger Business Coach, Existenzgründerberaterin und frisch gebackene Buchautorin, als sie die Diagnose 'Krebs' erhielt. Da sie in ihrem Leben bisher immer mit pragmatischen, spielerischen und humorvollen Strategien durch Krisen gegangen war, sagte sie sich nach der eigenen Schockdiagnose: 'Meinen Humor kriegt der Arsch nicht. Dem zeig ich's!' Sabine Dinkel hat über vier Jahre mit der Erkrankung gewuppt und ihre Erfahrungen an andere weitergeben. Sie verstarb im Juli 2020.

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Leseprobe

PLANET SCHNIEPTRÖTE


Es ging alles so schnell. Mein Hirn kam gar nicht mehr hinterher, geschweige denn meine Seele. Es fehlte mir komplett an Orientierung. Ich kam mir vor, als hätte ich eine Bruchlandung auf jenem fremden Planeten hingelegt, von dem ich schon viele grausige Schauergeschichten gehört hatte. Dieser Planet, auf dem schon mein Patenonkel (Zungen-Schnieptröte) und meine Mutter (Hirn-Schnieptröte) umherirrlichtern. All die Jahre hatte ich Schiss, auch auf diesem Planeten leben zu müssen. Tja, und nun hab ich den Salat.

Voller Freude war ich dabei gewesen, meinen vierten und total überbuchten Nasenmännchen-Zeichnen-Workshop vorzubereiten. Dazu war ich bereits in einem Seminarhaus in Mecklenburg-Vorpommern zugange und von Vorfreude durchflutet.

Allerdings war mir mein Bauch in den letzten Tagen so seltsam üppig vorgekommen, dabei hatte ich gar nicht so viel gefuttert. Auch war er so seltsam geformt, als sei ich im achten Monat schwanger. Kurzum: Er war mir nicht ganz geheuer. Also fuhr ich kurzentschlossen zu meiner Hausärztin und wurde auf ihr Geheiß sofort in die Notaufnahme des hiesigen Krankenhauses überwiesen. Im Ärztesprech war mein Bauch nämlich reichlich „prominent“.

Im Krankenhaus wurde ich dann mehrere Tage komplett auf den Kopf gestellt. Die Diagnose: Eierstock-Schnieptröte! Ja, Sie lesen richtig: „Schnieptröte“, so habe ich meinen Krebs getauft.

Mit mir auf diesem Scheißplaneten abgeworfen: mein Mann, meine Familie und meine Freunde.

Damals waren wir alle total fassungslos und komplett in Schockstarre. Und haben schleunigst alles getan, um schnell wieder abzuhauen. Ging aber nicht. Kein Rückflug in Aussicht. Jedenfalls nicht gleich. Erst mal hatten wir ein paar Abenteuer zu bestehen.

Zum Glück haben wir es uns inzwischen auf Planet Schnieptröte einigermaßen muckelig gemacht – allen Schrecknissen zum Trotz. Dennoch bin ich fest entschlossen, die Heilungsbewährung nach fünf Jahren zu erreichen. Und dann entscheide ich, ob ich mir eine Rakete schnappe und wieder abhaue.

Was eigentlich los ist


Wir Menschen haben bei Veränderungen – nicht nur den ungewollten – meistens keine passenden Handlungsmuster. Daher sind sogar freudige Ereignisse mit einem gewissen Angstpotenzial verbunden: heiraten, Kinder kriegen oder in Rente gehen. Das alles macht uns Angst, denn was damit wirklich verbunden ist, müssen wir erst mal erlernen. Gleichzeitig freuen wir uns in diesen Fällen auch auf die Veränderung – daher können wir die Angst gut ertragen.

Alle Veränderungen, sogar die meistersehnten, haben ihre Melancholie. Denn was wir hinter uns lassen, ist ein Teil unserer selbst. Wir müssen einem Leben Lebewohl sagen, bevor wir in ein anderes eintreten können.

Anatole France

Da kann man sich vorstellen, dass eine Veränderung, die mit einer fiesen Diagnose eingeläutet wird, ein ganz anderes Kaliber sein muss. So geht es schon mit einem Paukenschlag los!

Der Schock

Auf nahezu jede lebensbedrohliche Diagnose erfolgt ein fieser Schock. Tunnelblick. Kampf oder Flucht – oder einfach totstellen. Kann man ja schon mal üben, ist ja eh bald soweit – sagt einem zumindest das Gefühl …

Bei extremer Angst funktionieren wir, stammesgeschichtlich gesehen, auf einer echt primitiven Ebene des Gehirns. Banale Beschwörungsformeln wie „Beruhig dich mal“ vermögen eher eine Faust ins Gesicht des meist wohlmeinenden Gegenübers zu überführen als Todesangst zu mildern.

Panik: eine Situation, in der niemand weiß, was zu tun ist – und das auch noch schnell.

Graffito in Claudia Cardinal,
„Gutes Leben trotz Krebs und schwerer Krankheit“

Komplizierte Informationen oder Übungen, die Ruhe erfordern, funktionieren hier definitiv nicht. Wir sind überhaupt nicht in unserer Kraft und können nicht wirklich auf unsere Kompetenzen zugreifen. Ist ja auch kein Wunder, unser Kopf ist schließlich irgendwo auf der Strecke geblieben. Daher auch der Ausdruck „kopflos durch die Gegend rennen“ – oder eben „wie gelähmt vor sich hinglotzen“. Sofern das ohne Kopf überhaupt geht.

Kopflos sein und gleichzeitig Katastrophenszenarien durchgehen ist in einer solchen Lage ganz normal, macht aber leider überhaupt keinen Spaß. So eine Phase kann angeblich bis zu sieben Wochen anhalten. Doch eines kann ich Ihnen versichern: In diesen – womöglich – sieben Wochen werden Sie hundertprozentig schon die ersten Schritte in Richtung Genesung und Linderung machen. Sie bekommen es vermutlich nur nicht mit, weil Ihr Hirn nur noch rudimentär funktioniert.

Damit Sie wenigstens wissen, wo Sie und Ihre Lieben sich gerade befinden, möchte ich Ihnen zunächst ein bisschen Orientierung geben. Denn die fehlt ja nun mal in diesem Zustand.

KRISEN- UND TRAUERPHASENMODELL – DIE VIER PHASEN NACH VERENA KAST

Phase 1: Die Phase des Nicht-wahrhaben-Wollens

Diese Phase geht mit einer großen Fassungslosigkeit einher. Man kapiert erst mal überhaupt nicht, dass es einen selbst getroffen hat. Bei vielen kommt eine Art Verdrängung hinzu: Was nicht sein soll, darf auch nicht sein! Bitte stellen Sie in dieser Phase keine hohen Erwartungen an sich und Ihre Mitmenschen. Der seelische Zustand ist meist so diffus, dass er eine fundierte Entscheidung sehr erschwert und bisweilen sogar unmöglich macht. Warten Sie lieber, bis das Gröbste vorüber ist.

Phase 2: Die Phase der aufbrechenden chaotischen Emotionen

Das ist die Zeit der emotionalen Achterbahn. In dieser Phase brechen sich meist Angst, Wut und Verzweiflung Bahn. „Warum gerade ich?“ Schuldgefühle, Ohnmacht und Resignation geben sich die Klinke in die Hand. Die Angst vor dem neuen Leben oder sogar dem Ableben tritt einem auf der wunden Seele herum. Genauso gut kann man auch zwischendrin Freude und Hoffnung empfinden oder herzhaft lachen. Alle diese Emotionen haben ihre Richtigkeit. Ich kam mir in dieser Phase vor, als hätte ich eine Vollmeise.

Phase 3: Die Phase des Suchens, Findens und Sich-Trennens

Man fängt an, die Verluste zu akzeptieren. Oft damit verbunden: Die Trauer um eine (möglicherweise) verlorene Zukunft, so wie sie geplant war.

Phase 4: Die Phase des neuen Selbst- und Weltbezugs

Man fängt an, eine neue Sicht auf sich selbst und auf das Leben zu entwickeln. Jeder Tag ist kostbar. Kleine Freuden bekommen einen ganz hohen Stellenwert und werden intensiv wahrgenommen. Banalitäten und Dinge, über die man sich früher geärgert hat, interessieren nicht mehr. Gefühle von Dankbarkeit und Zufriedenheit keimen immer häufiger auf – gekommen, um zu bleiben.

In dieser Phase bin ich jetzt. Doch manchmal purzle ich auch in Phase 2 zurück, wenn die nächste Kontrolluntersuchung ansteht. Doch komme ich da immer schneller wieder raus.

Diese Phasen scheren sich nicht immer um die richtige Reihenfolge. Sie schlagen bisweilen geschickt ein paar Haken; manche lassen sich mehrmals erleben, manche gar nicht. Eben eine emotionale Achterbahnfahrt mit Looping-Garantie.

In jeder Phase wird etwas anderes wichtig. Konnte ich mich in Phase 1 noch überhaupt nicht für bestimmte Tipps erwärmen, wurden diese in einer der anderen Phasen hochinteressant und wertvoll. In Phase 4 traute ich mich an Lesestoff heran, den ich in Phase 2 noch nicht mal mit der Kneifzange angefasst hätte.

In all diesen Phasen brauchen Sie vor allem eines: Zeit, Geduld und Fürsorge. Ihre eigene und die Ihres Umfelds.

Bitte seien Sie wohlmeinend und liebevoll mit sich und lassen Sie sich weder von sich noch von anderen unter Druck setzen. Versuchen Sie immer wieder, darauf zu vertrauen, dass Sie in jeder Phase das Ihnen Mögliche tun werden, um auf Ihrem Genesungspfad voranzukommen. Mal geht es langsam, mal geht es zügig, mal geht es scheinbar gar nicht voran. All das ist ganz normal und gehört zur Genesung dazu.

Was Sie für sich tun können


In jeder noch so gruseligen Situation gibt es immer etwas, das Sie für sich tun können – sofern Sie bei Bewusstsein sind und nicht gerade narkotisiert auf dem OP-Tisch liegen. Dann tun andere ihr Bestes für Sie.

Zunächst einmal geht es darum, wieder handlungsfähig zu werden und das verstrubbelte Gehirn wieder zusammenzupuzzeln. Wie Sie und andere sich dabei helfen können, zeige ich Ihnen hier.

Die Schuldfrage in die Tonne treten

Angeblich stellt sich jeder, der an Schnieptröte erkrankt ist, diese Frage: Bin ich an meiner Erkrankung selbst schuld?

Die Antwort: Nein! Sie sind nicht schuld an Ihrer Erkrankung! Sie sind nicht schuld an Ihrer Erkrankung! Und noch einmal: Sie sind nicht Schuld an Ihrer Erkrankung!

Es gibt unfassbar viele Einflussfaktoren für die Entstehung einer Erkrankung.

Der amerikanische Philosoph Richard Rorty litt unter Bauchspeicheldrüsenkrebs. Nachdem er die Diagnose erhalten hatte, sagte er, das sei wohl von zu viel Heidegger-Lektüre gekommen.

Das mit den ungeklärten Dingen in der Vergangenheit...

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