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E-Book

Krippen-Kinder in der DDR

Frühe Kindheitserfahrungen und ihre Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung und Gesundheit

VerlagBrandes & Apsel Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl300 Seiten
ISBN9783860999653
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis22,99 EUR
In dem Buch wird den Auswirkungen der frühen Krippenbetreuung nachgegangen. Dabei wird besonders der körperlich-seelischen Gesundheit und der Persönlichkeitsentwicklung Aufmerksamkeit geschenkt. Der spätere Einfluss auf die eigene Elternschaft durch die Verschränkung von familiären, institutionellen und subjektiven Faktoren wird hervorgehoben. Die Befunde dieser qualitativen Untersuchungen stellen die Autorinnen und der Autor in den Kontext aktueller entwicklungspsychologischer Erkenntnisse und psychoanalytischer Konzepte. Besonderer Wert wird auf den Bezug zu der aktuellen Betreuungsdebatte von Kleinkindern gelegt. Die Ergebnisse betonen die Qualität der Beziehungen in den Einrichtungen und messen der Bewältigung von Entwicklungsschritten der Kinder eine zentrale Bedeutung bei.

Die Herausgeberinnen: Ingrid Kerz-Rühling, Dr. med., Psychoanalytikerin (DPV). Von 1977 bis 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt a. M. Veröffentlichungen zur Psychoanalyse und den Transformationsprozessen nach 1989 in der ehemaligen DDR: Sozialistische Diktatur und psychische Folgen (2000), Verräter oder Verführte? (2004). Agathe Israel, Dr. med., Psychoanalytikerin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Mitbegründerin des Instituts für Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie in Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen u. a. bei Brandes & Apsel: Der Säugling und seine Eltern (2007).

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Leseprobe
Vorwort
Unser Buch möchte einen Beitrag zum besseren Verständnis der Bedingungen der Kindheit in der DDR leisten. Ausgehend von der Tradition der Psychoanalyse, an konkreten Fällen emotionale Entwicklungen aufzuzeigen, bilden deshalb die Lebensgeschichten von ehemaligen Krippenkindern aus der DDR das Kernstück unseres Buches. Bei der Bearbeitung der Interviews empfanden wir oft tiefe Trauer über die Sprachlosigkeit der frühen schmerzlichen Erfahrungen und die stillschweigende Anpassung der Interviewten. Wir hatten den Wunsch, ihnen durch diese Untersuchung eine Sprache zu verleihen, damit diese Erfahrungen nicht ungehört verschwinden.
Die Idee der sechs Autoren, Interviews mit jungen Eltern durchzuführen, die im frühesten Lebensalter in eine Kinderkrippe der DDR gekommen waren, entstand vor einigen Jahren, lange bevor die Diskussion um die Krippenbetreuung hohe Wellen schlug. Nach zweijähriger Vorarbeit begannen wir 2005 mit den Interviews. Unsere Motive für die Auseinandersetzung mit diesem Thema waren höchst unterschiedlicher Natur, geprägt durch die eigene Lebensgeschichte, durch professionelles Interesse und gesellschaftspolitische Beunruhigung. Oft entwickelten sich während unserer langjährigen Zusammenarbeit anhand des Materials und der Fachliteratur heftige Debatten. Denn für jeden von uns verband sich mit der Arbeit an diesem Thema jenseits aller professionellen Selbsterfahrung auch eine erneute Konfrontation mit der eigenen Lebensgestaltung. Das Oszillieren zwischen den Erfahrungen der Interviewten und unseren eigenen Kindheitserinnerungen und Erfahrungen als ehemalige DDR-Bürger in Anwesenheit einer interessierten Westdeutschen mit einer anderen gesellschaftlichen Sozialisation war eine schwierige, emotionale und zugleich erhellende Arbeit, die uns nach Beendigung der gemeinsamen Forschungsarbeit weiter bewegen wird. Aber ein gemeinsames Anliegen vereinte alle Autoren: die frühe Kindheit in der DDR sowohl in ihrem historischen, kulturellen und sozialpolitischen Kontext, als auch in ihrer intrapsychischen und interpersonalen Dimension verständlicher zu machen.
In Kapitel 1 versuchen wir deshalb, das in Europa einmalige Spezifikum der DDR-Kindheit, die staatliche institutionelle Fremdbetreuung fast aller null- bis dreijährigen Kinder, in ihren Strukturen und Zielen zu beschreiben. Der entwicklungspsychologische Exkurs in Kapitel 2 soll unsere Sicht auf die wichtigsten Entwicklungsaufgaben des ersten Lebensjahres lenken. Die Ausführungen dieser beiden Kapitel können dem Leser helfen, sowohl die ganz individuellen als auch die kontextbezogenen Aspekte der einzelnen Lebensgeschichten zu erkennen.
Fragestellung und Methode unserer Untersuchung werden in Kapitel 3 erläutert.
Von den 20 durchgeführten Interviews werden aus Gründen der Anonymisierung in Kapitel 4 nur 18 Lebensgeschichten nacherzählt. Die Erzählungen entfalten sich sehr unterschiedlich, was vielleicht im ersten Moment den Leser irritieren mag. Aber gerade diese Unterschiede spiegeln auch etwas von der Interviewszene wieder und entkräften das Klischee vom Einheits-DDR-Krippenkind.
Die Auswertung der Interviews wird deshalb auch eröffnet mit der Untersuchung der Motive der Interviewten, sich an dem Projekt zu beteiligen, und der Interaktionsszene zwischen den beiden Gesprächspartnern (Kapitel 5).
In den weiteren Kapiteln 6 bis 12 werden im Kontext der frühen Krippenbetreuung Lebensumstände, innerfamiliäre Beziehungen, Selbstentwicklung, Gesundheit, Adoleszenz, Erleben der Wende und die Bewältigung eigener Elternschaft sowie die transgenerationale Weitergabe von Lebensmustern dargestellt. Auch in diesem Ergebnisteil wollen wir den Leser durch zahlreiche Beispiele an der Textanalyse teilnehmen lassen. Lediglich bei der Untersuchung der reflexiven Funktion mussten wir aus Platzgründen darauf verzichten.
Wir hoffen, dass es uns mit dieser Untersuchung gelungen ist, deutlich zu machen, wie wenig hilfreich die oft hoch emotional vertretenen positiven oder negativen Pauschalurteile über Krippen sind und wie nötig es ist, darüber eine offene, differenzierte Debatte in unserer Gesellschaft zu führen. Besonders wichtig erscheint uns die Ausweitung der Diskussion über die Quantität der geplanten Krippenplätze auf die Anforderungen an die Qualität der Betreuung. Die Ergebnisse unserer Arbeit, die im Schlussteil (Kapitel 13) diskutiert werden, könnten dafür wesentliche Hinweise geben.
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