„Aushängeschild“, „Visitenkarte“, „Markenbotschafter“... Als solche bezeichnen Unternehmer und Medien gerne die Mitarbeiter, die in Organisationen an vorderster Front stehen: Die Mitarbeiter mit Kundenkontakt.
Der Fokus der Unternehmensstrategien hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt: In den 70er Jahren richteten sich die Unternehmen produktorientiert auf den Absatzmarkt aus. In den 80er Jahren war die generellere marktorientierte Unternehmensführung in aller Munde. Seit einigen Jahren ist der Kunde stärker in den Blickpunkt gerückt: So orientiert sich bei wachsender Konkurrenz und geändertem Konsumentenverhalten die kundenorientierte Unternehmensführung in allen Aktivitäten an den Kundenbedürfnissen.[1] Ziel ist es meist, eine hohe Kundenbindung und Kundenzufriedenheit zu erreichen. Fragt man nach den Gründen, warum dennoch in vielen Unternehmen Kundenorientierung nicht so erfolgreich wie gewünscht gelebt wird, wird i.d.R. auf den Faktor „Mensch“ als zentraler Engpassfaktor verwiesen.[2] So hängt der Unternehmenserfolg häufig vom letzten Glied in der Kette ab: Dem „Mikro-Element“[3] Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt, der all die bedeutsamen Leitbilder, Philosophien, Strategien, Taktiken alltäglich umsetzen muss.
Ob eine Organisation[4] kundenorientiert wahrgenommen wird, entscheidet sich in den oft zitierten „moments of truth“[5]. So resümiert denn auch Bernd Stauss, der Vorreiter der Dienstleistungsforschung in einem aktuellen Interview: „Das Herzstück im Umgang mit Kunden, das Zünglein an der Waage, ist und bleibt die Verhaltensqualität“.[6] Homburg/Stock geben die Empfehlung: In Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern im Kundenkontakt liegt der Schlüssel zur Steigerung der Kundenorientierung.[7] So zeigt sich beispielsweise, dass die Kundenbeziehung besonders dann „von besonders großer Bedeutung für die Kundenbindung ist, wenn es sich um Dienstleistungen mit hoher Interaktion und Individualisierung handelt.“[8] Denn viele Manager übersehen bisweilen, „dass es sich beim Thema Kundenzufriedenheit in erster Linie um die Beziehung zwischen Menschen handelt und nicht um rein technische Vorgänge.“[9] Daraus ergibt sich das Handlungsfeld für eine strategisch ernstzunehmende Personalentwicklung, ihren Teil zum Unternehmenserfolg beizutragen und Maßnahmen für Mitarbeiter im Kundenkontakt zu konzeptionieren. Konkret soll aufgezeigt werden, mit welchen Instrumenten die Personalentwicklung das kundenorientierte Verhalten von Mitarbeitern gezielt fördern kann.
Das Thema bietet ganz unterschiedliche Herangehensweisen. Kern dieser Arbeit ist die Perspektive der verhaltensorientierten Personalentwicklung. Da auch andere Perspektiven lohnende Beiträge liefern und die Einordnung in das „große Ganze“ deutlich machen können, seien sie nachfolgend kurz genannt:
- Wenn Kundenorientierung als Unternehmensstrategie postuliert wird und dies bisher als defizitär erlebt wurde, gelten für die Umsetzung der Strategie - den Wandel zum kundenorientierten Unternehmen - alle Aussagen zum Change Management. Insbesondere die Erkenntnisse zur Lernkultur, Lernenden Organisation und Kompetenzentwicklung sind für Veränderungskontexte hilfreich.
- Kundenorientierung hat einen Selbstzweck in der Gewinnmaximierung: Damit ist das Interesse der betriebswirtschaftlichen Forschung zum Thema evident. Die Marktforschung stellt viele Verfahren bereit, den Kunden „messbarer“ und damit für die Unternehmensplanung vorhersagbarer zu machen. CRM, das „Customer Relationship Management“ beschäftigt sich mit dem Kunden: Je treffender das Wissen über die Bedürfnisse des Kunden ist, desto genauer sind Produkte und Dienstleistungen zu erbringen. Der Großteil der Literatur dazu ist vertrieblich motiviert.
- Qualitätsmanagement und Kundenmanagement beeinflussen sich gegenseitig, daher liegt der Bezug zur Kundenzufriedenheit nahe. Meiner Ansicht nach greifen die meisten ökonomisch-technischen Konzepte in ihrem allumfassenden Anspruch zu hoch und fokussieren schwerpunktmäßig auf Fehlerfreiheit. Ein Verdienst der aus den Total-Quality-Konzepten hervorgegangenen Excellence-Konzepte (z.B. EFQM) ist es jedoch, einen weit gefassten Qualitätsgedanken - und damit auch den der Kundenorientierung – ganzheitlich, alle Mitarbeiter betreffend und mit der aktuellen Unternehmensstrategie in der Organisation verankern zu wollen. Im Mittelpunkt der Unternehmenskultur steht die Kundenzufriedenheit. Solche Qualitätsmanagementkonzepte und viele ihrer Instrumente verstärken die Qualitätskultur im Unternehmen, enthalten aber i.d.R. keine Operationalisierungen zur Erklärung und Verbesserung kundenorientierten Verhaltens.
- Ein neuer betriebswirtschaftlicher Forschungsbereich widmet sich der „Kundenintegration“ – der Kunde wird aktiv mit in die Wertschöpfung eingebunden.
- Neuere Managementkonzepte setzen auf "Behavioral Branding": Durch das markenorientierte Verhalten der Mitarbeiter sollen Aufbau und Pflege der unternehmenseigenen Marken unterstützt werden. Aussagekräftige Studien zur Umsetzung dieser Konzepte stecken noch in den Kinderschuhen.
Die Bearbeitung des Themas bedient sich interdisziplinärer Zugänge: Während das Konzept der Kundenorientierung am häufigsten betriebswirtschaftlich, meist im Bereich Marketing erforscht wird, können die Begriffe „Personalentwicklung“ und „Verhalten“ eher sozialwissenschaftlich von der pädagogisch-psychologischen Seite her betrachtet werden. Für die Personalentwicklung ist die Berücksichtigung der Faktoren, die das menschliche Leistungsverhalten maßgeblich determinieren, von grundlegender Bedeutung. Angesichts der Wichtigkeit des Themas auch für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen ist es erstaunlich, dass es noch keinen stärkeren Austausch zwischen den Disziplinen in Forschung und Ergebnisdiskussion gibt. Diese Arbeit versucht, die Sichtweisen zu integrieren und für einen ganzheitlich-strategischen Ansatz der Personalentwicklung nutzbar zu machen.
Kundenorientierung kann auf Makro-Ebene für die Organisation als Ganzes gelten und sich auf Mikro-Ebene auf die Individuen, die handelnden Mitarbeiter, beziehen. Eine der meistzitierten Definitionen aus Sicht der Unternehmensführung gibt Bruhn: Kundenorientierung bezeichnet die „grundsätzliche Ausrichtung der Unternehmensaktivitäten an den Kundenbedürfnissen, die bei der Planung und Erstellung der unternehmerischen Leistungen Berücksichtigung finden, mit dem Ziel, langfristig stabile und ökonomisch vorteilhafte Kundenbeziehungen zu etablieren.“[10]
Das situative Verhalten des Mitarbeiters und die zugrundeliegenden Prozesse stehen im Mittelpunkt dieser Arbeit. Da zwischen Makro- und Mikro-Ebene Interdependenzen bestehen und gerade auch die organisationale Unterstützung durch die Personalentwicklung beleuchtet werden soll, wird auf die Unterscheidung nur bei Bedarf hingewiesen. Was Kundenorientierung auf Mitarbeiterebene bedeutet, sei zu Beginn des Kapitels 3 „Personale Faktoren“ näher erläutert.
Die Arbeit konzentriert sich auf die Kundenorientierung von Dienstleistungen, da dies meinem beruflichen Erfahrungshintergrund entspricht. Dienstleistungen lassen sich im Unterschied zu Sachleistungen durch drei wesentliche Elemente charakterisieren[11]:
1. die Immaterialität der Leistungen (die Dienste sind generell nicht „anfassbar“)
2. die Integration des Kunden (er ist als externer Faktor an der Erbringung der Dienstleistung beteiligt)
3. die Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum (im Moment der „Produktion“ einer Dienstleistung wird sie meist auch vom Kunden „verbraucht“ – sie ist nicht lagerfähig)
Ein 4. Punkt ist häufig ergänzbar und ergibt sich aus der Integration des „unberechenbaren“ Kunden: Dienstleistungen sind nicht immer standardisierbar. Da zudem Dienstleistungen sehr nah am Kunden sind und direkte Kontakte zum Unternehmen erfordern, kommt der „Kontaktqualität“[12], dem Verhalten des betreuenden Mitarbeiters, besondere Bedeutung zu.[13] Von Mitarbeitern erfordert die Heterogenität der Dienstleistungen, „sein Verhalten entsprechend den jeweiligen kunden-, produkt-, unternehmens- und situationsspezifischen Variablen“[14] anzupassen.
Vereinzelt wird auch der Begriff „Service“ gebraucht. Da dieser jedoch in der deutschen Bedeutung oft reduziert wird auf den klassischen „Kundendienst“ (z.B. den Reparaturservice der Autowerkstatt) und umgangssprachlich eher mit bestimmten Branchen (z.B. dem Bedienungsservice im Hotel- und Gaststättengewerbe)...