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E-Book

Kundenzentrierte Unternehmensführung

AutorStefan Lubritz
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl187 Seiten
ISBN9783170250727
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Kundenzentrierte Unternehmensführung greift eine erst vor wenigen Jahren entstandene Konzeption auf, welche das heute nahezu allgegenwärtige Customer Relationship Management bedeutend erweitert. Nicht nur die Gestaltung der Kundenbeziehungen oder die Fokussierung auf Kundenwert, sondern vielmehr die vollständig auf den Kunden ausgerichtete strategische Unternehmensplanung und deren Umsetzung in operatives Marketing stellen die Erfolgsfaktoren dar. Bewährte Werkzeuge müssen hierzu angepasst, neue Werkzeuge müssen implementiert werden. Dazu zeigt dieses Lehr- bzw. Studienbuch die Konzepte einer kundenzentrierten Unternehmensführung auf und konkretisiert sie als Schlüsselprozesse in Marketing, Kundendienst und Vertrieb. Dabei werden die Paradigmen des CRM aufgenommen und mit Bezügen zur traditionellen Marketinglehre ausgestattet.

Prof. Dr. Stefan Lubritz lehrt Internationales Marketing an der Hochschule Worms. Daneben ist er als Managementberater tätig.

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Leseprobe

2          Grundlagen der Kundenzentrierung


 

 

2.1       Begriffe


»Der Kunde ist König« galt lange als ein zentrales, wenngleich nicht immer gelebtes Paradigma der kaufmännischen Denkweise. Viele Jahre kam diese Aussage über die Qualität eines Slogans nicht hinaus, sondern etikettierte vielfach nur die produkt- oder produktionsorientierte Unternehmensführung.

In Deutschland muss man dies zum einen im Kontext des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg sehen: Nach der Fokussierung auf die Wiederherstellung von Produktionskapazitäten für Investitions- und Konsumgütern folgte die Phase der Versorgungsorientierung, in der oftmals ein Nachfrageüberhang bestand. Erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts traten rezessive Tendenzen ein und wurden in einigen Branchen durch den Markteintritt internationaler Konkurrenten noch verstärkt. Zum anderen ist zu beachten, dass sich eine echte Serviceorientierung in Deutschland als Element einer Geschäftskultur erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts manifestierte.

Die Orientierung an Kundenerwartungen und vor allem die Fähigkeit zu ihrer Erfüllung wird als ein entscheidender Wettbewerbsvorteil angesehen, da zufriedene Kunden tendenziell

•  weniger preissensibel sind,

•  weniger wechselbereit sind,

•  höhere Umsätze generieren,

•  seltener reklamieren.

Damit ist offensichtlich, dass neben den Umsatzwirkungen auch Kosteneffekte erwartet werden können. Geringe Kundenorientierung wird häufig mit entsprechenden Mängeln in der Gestaltung und Etablierung der Unternehmenskultur erklärt. Trotz zahlreicher Studien zur Wirksamkeit der Kundenorientierung können aber entsprechende Maßnahmen nicht verallgemeinert werden und es bleiben situative Aspekte dominant. Hier ist jedoch die Wirkung eines konsistenten Verhaltens des Unternehmens und seiner Vertreter zu betonen.

Mit dem Begriff der Kundenorientierung etablierten sich in der deutschen Betriebswirtschaftslehre vor allem die Anteile einer Prozessorientierung und Marketingausrichtung, die die Abhängigkeit der Unternehmen vom Kunden in den Mittelpunkt unternehmerischer Entscheidungen stellen.

Die aktuelle Diskussion zur Kundenorientierung befasst sich mit der Antizipation von Kundenerwartungen. Angesichts häufig wechselnder, situativ ausgeprägter und teils auch widersprüchlicher Präferenzen streben Unternehmen danach, die Wünsche geradezu »vorhersagen« zu können. Hierzu werden oftmals große Datenbestände (»Big Data«) zusammengetragen, die mit IT-gestützten Analyseverfahren zu Handlungsempfehlungen verdichtet werden. Unter dem Begriff »Next Best Activity« werden Marketingmaßnahmen zusammengefasst, die auf Basis der Analyse großzahliger Datenbestände segmentspezifische, oftmals individuelle Angebote generieren und unterbreiten.

Um die weiter fortschreitende Bedeutung der Kundenorientierung und die sich ausweitende Geltung der entsprechenden Maßnahmen Rechnung zu tragen, hat Peter Fader (2012) von der Wharton School an der University of Pennsylvania den Begriff der »Customer Centricity«, also der Kundenzentrierung geprägt.

Kundenzentrierung bedeutet die Ausrichtung des Unternehmens im Allgemeinen und des Marketings im Besonderen auf die Wünsche und Bedürfnisse der einzelnen Kunden unter Berücksichtigung der unternehmenseigenen Belange. Damit entsteht ein unternehmerisches Leitbild, das den Einzelkunden als Maßstab unternehmerischen Handelns etabliert. Darin ist implizit auch eine Negativauswahl bzw. eine Segmentierung enthalten: Das Unternehmen trifft eine bewusste Auswahl aus dem potentiellen »Commercial Audience« und entscheidet bewusst über die Art und Intensität der angestrebten Austauschbeziehung.

Zur Umsetzung sind demnach die Steuerung aller Unternehmensbereiche nach Kundenprioritäten und die Herstellung einer stärker symmetrischen Beziehung zwischen Kunden und Unternehmung erforderlich. Angestrebt wird eine enge und individuelle Interaktion mit den Kunden. Unabhängig von ihrer Zahl sollen Positionierung, Strategie, Struktur, Organisation, Prozesse, Verhalten usw. vollständig auf den Einzelkunden ausgerichtet sein. Eingeschlossen sind dabei Produktentwicklung, Finanzierung, Liefergeschwindigkeit, Beratung und Service. Grundlage dafür sind u. a. technische Medien, die eine Mitwirkung der Konsumenten bei Konfiguration und Optimierung der Produkte gestatten.

Gegenüber dem CRM kann der Ansatz dadurch abgegrenzt werden, dass er über die operative Ebene weit hinausgeht und nicht nur Kundenbeziehungen und Kundendaten pflegt. Dennoch ist die Begriffsbestimmung noch nicht abgeschlossen und der Ansatz aktuell jedoch in der Literatur nicht wirklich trennscharf ausgeprägt.

2.2       Ziele


Obwohl die Begriffsbildung noch nicht abgeschlossen ist, können bereits zentrale Ziele der Kundenzentrierung festgelegt werden. Aus heutiger Sicht ist dabei insbesondere der Ansatz von Fader (2012) nennenswert, der folgende Ziele umfasst:

•  Überwindung der bekannten Schwächen der produktzentrierten Unternehmensführung,

•  Schaffung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile in dynamischen Umwelten,

•  verstärkte Nutzung von Kundenwertkonzepten,

•  Individualisierung in der Kundenansprache auf Basis der Kundenwertkonzepte,

•  Bereitstellung aggregierter Kundeninformationen für die Strategiedefinition.

Konkreter hingegen argumentieren Gebhardt et al. (2006), deren weitreichende Auffassung der Kundenorientierung folgende Zielsetzungen formuliert:

•  Umfassende Ausrichtung des Unternehmensverhaltens (und seiner Kultur) an Kundenbedürfnissen,

•  Schaffung einer Vertrauensbasis zwischen Kunden und Unternehmen,

•  Einbezug und »Empowerment« der Mitarbeiter bei der Erfüllung von Kundenbedürfnissen,

•  kollaborative Zusammenarbeit im Unternehmen und Überwindung von Abteilungsgrenzen und »Fürstentümern« in der Kundenarbeit,

•  Wertschätzung von Kundenwünschen – auch wenn sie von den gewohnten und optimierten Prozessen der Leistungserstellung abweichen,

•  offener kundenbezogener Informationsaustausch im Unternehmen und zum Kunden hin.

Abb. 2.1: Handlungsebenen der Kundenorientierung (Quelle: In Anlehnung an Gebhardt et al., 2006, S. 43)

Kundenzentrierung – das zeigen aktuelle Forschungsergebnisse und die Unternehmenspraxis – kann einen Ausgleich zwischen Kunden- und Unternehmensinteressen schaffen. Damit ist zugleich ein wichtiger Erfolgsfaktor benannt: Nur wenn für beide Seiten Vorteile entstehen, ist Customer Centricity ein Konzept mit erfolgversprechender Wirkung. Konkrete Ansätze, um die Wirtschaftlichkeit und Profitabilität der Kundenbeziehungen zu erhöhen, bieten u. a. das Dienstleistungs- und Servicegeschäft bei produzierenden Unternehmen, die Integration der Kunden in Wertschöpfungsprozesse und die systematische Analyse und Optimierung der Customer Journey (vgl. Schögel/Herhausen, 2015).

2.3       Grundkonzepte des Beziehungsmanagements


2.3.1     Kundennähe, -zufriedenheit, -bindung


Im Rahmen der marktorientierten Unternehmensführung und des CRM tauchen immer wieder die Schlagwörter Kundenorientierung, -nähe, -bindung, und -wert auf. Im folgenden Unterkapitel sollen diese Konstrukte voneinander abgegrenzt und in den Gesamtkontext der Kundenzentrierung eingeordnet werden.

Bruhn (2009, S. 37) sieht in der Kundenorientierung eine an den Kundenbedürfnissen ausgerichtete Unternehmensführung mit dem Ziel, langfristig stabile und gewinnbringende Kundenbeziehungen zu etablieren. Davon abgegrenzt meint die Marktorientierung die konsequente Ausrichtung an den für das Unternehmen relevanten Märkten. Hierbei werden über die Kundenansprüche hinaus auch die Wünsche/Forderungen der Konkurrenz, Absatzmittler, Mitarbeiter, Anteilseigner oder Fremdkapitalgeber betrachtet.

Unter Kundennähe wird nach Albers und Krafft (2001, S. 12 ff.) eine Unternehmensstrategie verstanden, die vollständig auf die Erfüllung der Kundenwünsche abzielt. Konkret sollen eine außerordentlich hohe Produkt- und Dienstleistungsqualität, eine am Kunden orientierte Informations- und Organisationsstruktur und...

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