Vorwort
Warum noch ein Buch zum Fasten – und besonders von mir, da ich doch schon einige Bücher zum Thema geschrieben habe? Das hat mehrere Gründe: Fasten ist in den letzten Jahren durch bahnbrechende Studien von wissenschaftlicher Seite immer mehr ins Interesse einer breiten Öffentlichkeit gerückt. Das Jahrzehnte währende schulmedizinische Sperrfeuer dagegen hat sich weitgehend gelegt, und Millionen bekommen nun Zugang zu einer der wirksamsten, günstigsten und einfachsten Therapien, die sich als wahrer Segen für viele Probleme unserer Zeit erweisen wird. Fasten kann in unseren von geradezu unerträglichem Luxus belasteten Zeiten immer mehr zu einer Art Panaceum, einem Allheilmittel, werden. Es ist mir ein Anliegen, dazu weiter beizutragen.
Mit Intervall- und Kurzzeitfasten ist eine ganz andere Dimension von Fasten in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten, deren Wirksamkeit inzwischen wissenschaftlich bewiesen ist, sozusagen Teilzeit-Fasten. Ähnlich wie Teilzeit-Arbeit im Vergleich zu Non-stop-Arbeit fällt es den meisten leichter. Und Teilzeit-Fasten bietet verblüffende Chancen: vom enorm verbesserten Lebensgefühl bis zu verbesserten Laborwerten, die selbst Schulmediziner nicht leugnen können. Das klingt fast unglaublich: Die Wirkungen reichen vom besseren Blutbild über sinkende Entzündungsmarker, niedrigere Zucker- und Insulin-Werte bis zur effektiven Vorbeugung gegen Diabetes, Herzattacken, Krebs, Alzheimer usw. Sogar die Gene des Erbguts lassen sich – wissenschaftlich nachweisbar – positiv beeinflussen. Laut der Epigenetik, die der Genetik zunehmend den Rang abläuft, lassen sich Gene durch äuβere Faktoren an- und abschalten, so zum Beispiel auch durch Fasten. All das macht Kurzzeitfasten zu einem zauberhaften Weg der Epigenetik und obendrein zu einer unvergleichlich einfachen, leichten und angenehmen Methode.
Es gibt inzwischen viele Namen für das Phänomen kürzerer, das heiβt unter einer Woche liegender Fastenzeiten. Intervall- oder intermittierendes Fasten ist die bekannteste Methode alternierenden Fastens, bei dem jeden zweiten Tag gefastet wird. Mir erscheint »Kurzzeitfasten« im Gegensatz zu »Langzeitfasten« ein angemessener Begriff, die verschiedenen Varianten dieser Richtung zusammenzufassen. Dabei sind sie durchaus nicht neu. Der amerikanische Arzt Edward Dewey Hooker (1837–1904) propagierte diese Fastenart schon im 19. und der französische Arzt Guillaume Guelpa (1850–1930) im 20. Jahrhundert. Aber erst heute ist Kurzzeitfasten durch viele wissenschaftliche Belege und den Ernst unserer gesellschaftlichen Situation so ungemein populär geworden.
Kurzzeitfasten ist auch eine Fastenart, die ich in verschiedenen Varianten schon seit Jahrzehnten das ganze Jahr über selbst lebe und so von ganzem Herzen und mit bestem Gewissen weiterempfehle. Die Leidenschaft fürs Essen teile ich mit vielen, habe aber seit meiner Jugend auch eine fürs Fasten entwickelt, die mir sehr geholfen hat und die ich als Arzt engagiert und gern weitergebe.
Fast vierzig Jahre als Arzt verschafften mir einen guten Überblick über die Fastentraditionen vom alten klassischen Heilfasten, das ich noch beim heute über 90-jährigen Hellmut Lützner erlebt und nach Otto Buchinger so oft praktiziert habe, bis hin zu diesen neuen raffinierten Fastenarten, die weder Seminare noch Sanatorien brauchen, sondern in fast jeden Alltag leicht zu integrieren sind und so wundervoll greifen. Damit kann und sollte aus meiner Sicht auch fast jede(r) fasten, da es keine bessere und obendrein einfachere Methode gibt, sich bis ins hohe Alter gesund und fit zu halten. Denn tatsächlich erlauben die verschiedenen Formen des Fastens nicht nur ein besseres, sondern auch ein längeres Leben. Dafür sprechen alle wissenschaftlichen Daten aus den Versuchen mit Tieren. Wäre das bei Menschen anders, wären wir jedenfalls die einzige Ausnahme auf unserem Planeten.
Wissenschaftlich betrachtet ist Fasten die einzige wirklich belegte Methode, das Lebensalter zu erhöhen, und die leicht in den Alltag zu integrierenden Arten des Kurzzeitfastens dürften diese Chance noch erheblich vergröβern. Vor allem aber verfügen sie über das Potenzial, nicht nur für Quantität, sondern auch für (Lebens-)Qualität zu sorgen.
Schon oft habe ich beim Aufkommen einer neuen Idee und eines neuen Verfahrens zu hören bekommen: Jetzt gehen Sie aber wirklich zu weit! Alles ist psychosomatisch – das sei übertrieben. Jeder soll genug gutes unbehandeltes Quellwasser trinken – da gebe es doch so viel Besseres! Pflanzlich-vollwertige Ernährung ist für alle Menschen auf dieser Erde die bessere Lösung – das sei nun wirklich zu viel des Guten. Tatsächlich hat es sich in meinem Leben bewährt, sehr weit zu gehen, für mich und meine Patientinnen und Patienten. Und wir sind damit auch sehr weit gekommen.
Die Lebensqualität zu verbessern, ist heute für so viele so wichtig, und es ist mit Kurzzeitfasten so leicht möglich. Und ja, ich gehe gern wieder so weit, allen Patientinnen und Patienten beides zu raten: Kurzzeitfasten jeden Tag und längeres Fasten zweimal im Jahr – am besten im Frühjahr und Herbst. Das mache ich seit Jahrzehnten selbst, und es bekommt mir blendend. Wer sich dann zwischen den täglichen und jährlichen Fastenzeiten noch anständig, das heiβt für mich: pflanzlich-vollwertig und bewusst (ethisch), ernährt, wird sich und anderen so viel ersparen. In Bezug auf so Wesentliches wie körperliche und seelische Gesundheit hat man schon beinahe ausgesorgt, denn auf dieser Basis wird sich auch der Geist entwickeln.
Besseressen und Besserwissen haben einiges gemein, auch die gemeinsame Schattenseite in Form von Arroganz, vor der Hildegard von Bingen Fastende schon warnte. Beide haben aber auch eine wundervolle Lichtseite, um die es mir hier besonders geht. Wer es besser weiβ, wird besser fasten, und wer besser essen möchte, hat es nach dem Fasten so leicht. Wer dieses Buch gelesen hat, wird zu all dem vieles besser wissen. Dabei kann uns die Wissenschaft, die reichlich zu Wort kommt, helfen, sie ist aber gar nicht zwingend notwendig. Wer mag, kann die seitlich mit blauen Punkten markierten Textstellen einfach überblättern und wird trotzdem das Wesentliche mitbekommen und mitnehmen.
Wie sagte Mark Twain so wundervoll: Es gibt unendlich viele schwere Sorgen, aber die meisten von ihnen treten nie ein. Mit beiden Arten des Fastens wird seine Hoffnung tägliche Realität. Die Sorgen zu minimieren, ohne der Arroganz zu verfallen, ist eine der Aufgaben dieses Buches auf dem Weg zu einem gesünderen, längeren und schlankeren Leben.
Meine persönliche Fastengeschichte
Meine eigenen ersten Fastenerfahrungen waren der Neugierde geschuldet. Wenn etwas von der Schulmedizin strikt abgelehnt wird, haben mich vierzig Jahre als Arzt gelehrt und darin bestätigt, dem jeweiligen Thema erst recht meine Aufmerksamkeit zu schenken. Dieses Gefühl hatte ich schon zu Beginn meiner Auseinandersetzung mit Medizin, eigentlich von Anfang an. In der Schulzeit befreundete ich mich schon deshalb mit einem Jungen, weil ihn wegen seiner roten Haare sonst niemand mochte, und wir wurden beste Freunde.
Anfangs machte ich noch viele Fehler bei meinen Fastenversuchen, bis ich auf das Buch des deutschen Arztes Hellmut Lützner stieβ und zum ersten Mal eine Fastenzeit so richtig genieβen konnte. Ich fühlte mich – wie es der Titel seines Fastens-Bestsellers verspricht – wirklich Wie neugeboren durch Fasten.
Ich merkte, wie meine Meditationen dadurch an Tiefe und Stille gewannen, was mir in meinen Teenagerjahren schon vorrangig wichtig war. Bald stellte ich auch fest, dass sich meine Konzentration fastend noch erhöhen lieβ, sich mein Abstraktionsniveau beim Denken ohne Essen verbesserte und ich überhaupt noch lieber und fundierter dachte.
Versuche, Erklärungen dafür in der Schulmedizin zu finden, scheiterten an der damals üblichen strikten Ablehnung des Fastens durch die klassische Heilkunde. Dieser spürbar irrationale Widerwillen aber machte mich – wie gesagt – nur noch heiβer darauf. Wie konnte etwas, das es in jeder Kultur, Religion und Tradition gab, völlig falsch und gefährlich sein? Wie konnte man etwas überhaupt für so falsch halten, wenn man doch gar nichts darüber wusste, wie ich es immer wieder erstaunt bei Schulmedizinern erlebt habe? Sie setzten herab, was sie tatsächlich nicht kannten, weder aus Erfahrung noch aus wissenschaftlichen Studien. Eine Haltung, die ich bis heute bemerkenswert finde.
So einhellig die schulmedizinische Ablehnung, so positiv war die Meinung aller Religionsstifter von Jesus Christus über Buddha bis zu Mohammed sowie der Propheten der Bibel und der weisen Rishis des Hinduismus. Auch diesen uralten Spuren will ich hier nachgehen. Zumal die altehrwürdigen Erkenntnisse nun plötzlich mit denen jener mutigen Wissenschaftler übereinstimmen, die sich des Fastens – trotz Widerstands seitens der Schulmedizin – forschend annahmen und seine Vorteile ihrerseits...