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E-Book

Lahmheitsuntersuchung beim Pferd

AutorGuido Stadtbäumer, Michael Becker, Michael Röcken
VerlagGeorg Thieme Verlag KG
Erscheinungsjahr2018
ReihePraxisbuch Pferd 
Seitenanzahl184 Seiten
ISBN9783132197916
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis109,99 EUR
Hier finden Sie alles für eine komplette Lahmheitsuntersuchung beim Pferd. Von der Adspektion und Palpation über Röntgen- und Ultraschall-Untersuchungen bis hin zu Leitungs- und Gelenkanästhesien. Antworten auf die immer wieder gestellten Fragen: Welche Beugeprobe ist hier aussagekräftig? Wo genau setze ich die Leitungsanästhesien? Welche Strukturen anästhesiere ich damit? Ist die Röntgenaufnahme korrekt angefertigt? Systematisch aufgebaut, folgt dieses Buch einer strukturierten Lahmheitsuntersuchung - und Sie können jede Technik und jede Röntgenaufnahme nachvollziehen. Die Aufarbeitung der lahmheitsverursachenden Strukturen erfolgt anhand der Untersuchungsergebnisse, denn die Befunde bestimmen den nächsten Schritt. So können Sie Fälle aus der Klinik gezielt aufarbeiten. Kein Befund bleibt unbemerkt, keine Diagnose unbedacht. Für Tierärzte in der Pferde- und Gemischtpraxis, Anfangsassistenten und Studenten, die einen Überblick über den systematischen Ablauf der Lahmheitsuntersuchung beim Pferd erhalten möchten. Praxisbuch.Pferd. Die problemorientierte Reihe.

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Leseprobe

3.3 Beurteilung in der Bewegung


Ziel dieses Untersuchungsschritts

  • Identifizierung der lahmen Gliedmaße(n), des Lahmheitsgrads und der Art der Lahmheit!

  • Durch Provokationsproben werden möglichst selektiv Strukturen unter Stress gesetzt. Verstärkt sich anschließend die Lahmheit, kann die betroffene Region möglicherweise eingegrenzt werden (nur hinweisender Charakter).

3.3.1 Vorführen des Pferdes auf gerader Strecke


Ein erstes Vorführen des lahmen Pferdes erfolgt bevorzugt auf hartem, ebenem Untergrund (z.B. Pflaster) über eine wenigstens 20–30 m lange gerade Strecke. Je nach Temperament kann das Pferd am Halfter oder aufgetrenst vorgeführt werden. Das Pferd sollte dabei am relativ langen Zügel gemustert werden, ansonsten können Einwirkungen des Vorführers das Gangbild erheblich beeinflussen. Das Vorführen erfolgt im fleißigen Schritt ( ▶ Abb. 3.4) und im Trab ( ▶ Abb. 3.5) möglichst ruhig und gleichmäßig.

Abb. 3.4 Bereits beim Vorführen des Pferdes im Schritt sollte man die Beurteilung von vorne, von der Seite und von hinten vornehmen. Dies erlaubt das Erkennen von Schrittverkürzungen oder auch eines ungleichen Absinkens von Schulter bzw. Hüfte.

Abb. 3.4a Vorführen im Schritt, Ansicht von vorne.

Abb. 3.4b Vorführen im Schritt, seitliche Ansicht.

Abb. 3.4c Vorführen im Schritt, Ansicht von hinten.

Abb. 3.5 Wie schon im Schritt erfolgt das Vorführen im Trab auf ebenem hartem Boden und wird aus den 3 vorgenannten Positionen beurteilt. Sitz, Art und Grad der Lahmheit werden registriert.

Abb. 3.5a Vorführen im Trab, Ansicht von vorne.

Abb. 3.5b Vorführen im Trab, seitliche Ansicht.

Abb. 3.5c Vorführen im Trab, Ansicht von hinten.

Identifikation der erkrankten Gliedmaße Man begutachtet erst alle Gliedmaßen gleichzeitig, dann die Vorhand bzw. Hinterhand gesondert und zuletzt die einzelne Gliedmaße. Dazu muss der Untersucher das Pferd von vorne, von der Seite und von hinten gesehen haben. In der Regel sind Vorhandlahmheiten von vorne und von der Seite, Lahmheiten der Hinterhand von der Seite und von hinten am besten zu erkennen.

Geachtet wird auf Nickbewegungen von Kopf und Hals, Schritt- oder Trittverkürzungen, Asymmetrien im Bewegungsablauf. Im Zweifel empfiehlt sich der wiederholte Vergleich der verdächtigen Extremität mit der kontralateralen Gliedmaße. Neben dem visuellen Eindruck beim Vortraben findet auch ein akustischer Vergleich des Hufschlags statt, oftmals wird das kranke Bein vorsichtiger aufgesetzt und damit leiser. Es kann auch hilfreich sein, sich vom Pferd wegzudrehen (oder die Augen zu schließen) und sich nur auf das Gehör zu konzentrieren. Voraussetzung ist, dass dann eine 2. Person gleichzeitig das Auffußen beobachtet und so der „Hörbefund“ einer Gliedmaße zugeordnet werden kann.

Graduierung der Lahmheit Ebenso wird der Grad der Lahmheit beurteilt. Man beginnt mit der Bewegung des Pferdes im Schritt. Ist die Lahmheit schon hier offensichtlich, dann erfolgt die Besichtigung im Trab mit Vorsicht (über wenige Tritte), um weitere Traumatisierungen der betroffenen Gliedmaße zu vermeiden.

Die Graduierung der Lahmheit ist in der Literatur uneinheitlich. Eine Standardisierung ist daher empfehlenswert, und es wird zu einer 5-stufigen Einteilung der Lahmheit im Trab geraten ( ▶ Tab. 3.1).

Tab. 3.1 Lahmheitsgrade (nach Ross MW, Dyson SJ. Diagnosis and Management of Lameness in the Horse. 2nd ed. Oxford: Elsevier Ltd; 2010: 72).

Lahmheitsgrad

Klinisches Bild

0

Ohne Lahmheit.

1

Undeutliche, geringgradige Lahmheit im Trab auf gerader Linie. Möglicherweise ist ebenfalls undeutlich in einzelnen Phasen eine geringe asymmetrische Bewegung von Kopf oder Hüfte zu beobachten.

2

Deutliche geringgradige Lahmheit. Die asymmetrischen Bewegungen von Kopf oder Hüfthöcker sind konstant zu erkennen.

3

Mittelgradige Lahmheit mit deutlicher Nickbewegung bzw. Hüfthöckerasymmetrie. Entlastungsbewegung mit Gewichtsverlagerung auf die diagonal fußende Gliedmaße.

4

Hochgradige Lahmheit mit extremer Kopf- oder Beckenbewegung. Die Fußung ist plan, und Trab über einige Tritte ist möglich.

5

Höchstgradige Lahmheit ohne Lastaufnahme bei Zehenspitzenfußung oder fehlender Belastung in der Bewegung.

Art der Lahmheit Neben der Identifikation der lahmen Gliedmaße und der Bestimmung des Lahmheitsgrads ist die dritte und ungleich schwieriger zu beantwortende Frage die nach Art und eventuell Ursache der Lahmheit.

Grundsätzlich kann man zwischen Stützbein- und Hangbeinlahmheiten unterscheiden; dazwischen liegen zahlreiche Variationen von sog. gemischten Lahmheiten.

Bei einer Stützbeinlahmheit vorne wird die Nickbewegung des Kopfes zur Entlastung der erkrankten Gliedmaße vermindert, umso deutlicher erfolgt sie beim Stützen der gesunden Seite, was den Eindruck gibt, das Pferd „falle“ auf die gesunde Extremität. Ähnlich verhält es sich mit einer eingeschränkten Bewegung des Beckens bei Belastung der kranken Hintergliedmaße, wohingegen die Kruppe mit dem gesunden Bein deutlich gesenkt und gehoben wird.

Hangbeinlahmheiten werden nicht selten von schmerzhaften Zuständen aus den proximalen Gliedmaßenabschnitten verursacht. Dabei wird das erkrankte Bein kürzer und flacher geführt, die Beugung der betroffenen Regionen ist eingeschränkt.

Bei bilateralen Lahmheiten (z.B. palmar foot syndrome) verringern sich häufig die asymmetrischen Bewegungsabläufe bzw. verschwinden völlig. Übrig bleibt ein gebundener, klammer Gang mit schwunglosen, kurzen Tritten. Das Erkennen der hauptsächlich lahmen Gliedmaße wird dadurch ebenso erschwert wie beim Vorliegen von diagonalen oder sagittalen Ausgleichsbewegungen, die zu sog. Scheinlahmheiten führen können.

3.3.2 Untersuchung auf gebogener Linie, verändertem Untergrund und unter dem Reiter


Speziell zur weiteren Abklärung solcher differenzialdiagnostischen Fragestellungen ist es sinnvoll, die adspektorische Beurteilung einer Lahmheit außer auf harter, gerader Vorführbahn auch auf anderem Untergrund und auf gebogener Linie fortzusetzen.

Speziell Hangbeinlahmheiten verstärken sich oft auf weichem Boden (Reithalle/Reitplatz), da das Vorführen der erkrankten Gliedmaße durch den Sandboden zusätzlich erschwert wird. Die Beurteilung kann dabei sowohl an der Hand als auch an der Longe ( ▶ Abb. 3.6) auf beiden Händen erfolgen, da die Symptomatik sich oft deutlich verändert, je nachdem, ob die erkrankte Gliedmaße die innere oder äußere im Bogen ist.

Abb. 3.6 Das Longieren in allen 3 Gangarten und auf beiden Händen ergänzt den Gesamteindruck. Der Lahmheitsgrad an der Hand sollte für ein – vorsichtiges – Longieren im Trab nicht mehr als 3/5, für ein Galoppieren an der Longe nicht mehr als 2/5 betragen.

Abb. 3.6a Longieren im Schritt auf der linken Hand.

Abb. 3.6b Longieren im Trab auf der linken...

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