Aufruhr und Unruhe macht sich in den Reihen der Rechnungslegungs-Szene laut:
Durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) wir der Versuch unternommen, die Reputation der alt ehrwürdigen HGB-Rechnungslegung aufzuwerten. Dies möchte das BilMoG erreichen, indem es sich an die IFRS-Rechnungslegung annähert.[1] Die Deregulierung bezieht sich auf die einzelnen Entlastungen für einzelkaufmännische Kleinstunternehmen als auch auf die Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit.[2] Bisher war es vielen Unternehmen möglich, natürlich mit Ausnahme der Konzerngesellschaften, eine Einheitsbilanz aufzustellen. Die Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanz waren durch deren Konnexität und durch die damals noch bestehende umgekehrte Maßgeblichkeit nicht derart hoch. Damit war aber auch die Bedeutung der Abgrenzung latenter Steuern in der Vergangenheit nicht hoch.[3]
Für die Rechnungslegung gibt es nicht nur Neuerungen der einzelnen Bilanzpositionen durch das BilMoG, sondern auch bei den bisher kaum praxisrelevanten latenten Steuern.[4]
Der Gesetzgeber hat die Anwendung des 274 und 306 HGB der latenten Steuern neu gestaltet. Die wesentlichsten Änderungen liegen in der Klarstellung der Normen sowie der Umstellung vom gewinn- und verlustrechnungsorientierten Konzept zum bilanzorientierten Konzept.[5]
Möchte nun der Unternehmer steuerliche Vergünstigungen in Anspruch nehmen, kann er Abweichungen in der Handels- und Steuerbilanz nicht mehr vermeiden. Damit treten latente Steuern auf, welche bedingt durch den Wegfall der umgekehrten Maßgeblichkeit eine deutlich höhere Relevanz entfalten.[6]
Im Folgenden möchte ich auf die Änderungen und Neuerungen eingehen und anhand der einschlägigen Literatur aufzeigen, wie der Gesetzgeber der Umsetzung nachgekommen ist. Ferner möchte ich die Auswirkungen der Novellierung des HGBs aufzeigen, sowie die einzelnen Problemstellungen beleuchten und anhand von Beispielen veranschaulichen.
Bisher erfolgte die Abgrenzung latenter Steuern nach dem gewinn- und verlustrechnungsorientierten Konzept (Timing-Konzept). Die Differenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz wurden allein anhand der GuV bestimmt. Ziel war es einen Steueraufwand in der Handelsbilanz aufzuweisen, welcher mit dem handelsrechtlichen Ergebnis korrespondierte.[7] Es soll dadurch ein periodengerechter Erfolgsausweis erreicht werden.[8]
Damit wurden permanente Differenzen, also Differenzen, welche sich z. B. durch nicht abzugsfähige Betriebsausgaben wie beispielsweise, Strafzahlungen [9] ergeben und quasi permanenten Differenzen, Differenzen, welche sich erst außerhalb des unternehmerischen Planungshorizonts auflösen z. B. handelsrechtliche Abschreibung auf Grundstücke nach h. M. nicht abgegrenzt.[10]
Nach der Fassung des HGB alt wurden die passiven latenten Steuern unter den Rückstellungen ausgewiesen, hierfür gab es keine eigene Bilanzposition.
Durch die Änderung des BilMoG
274 HGB wird nun nicht mehr das GuV-orientierte Konzept
(Timing-Konzept), sondern das bilanzorientierte Konzept (Temporary-Konzept) angewendet.[11] Es wird auf die Unterschiede zwischen den Wertunterschieden von Vermögensgegenständen und den Schulden zwischen Handels- und Steuerbilanz abgestellt.[12]
Das bedeutet, dass der Zweck der Bilanzierung latenter Steuern nicht mehr in der Erfolgsermittlung, sondern in der richtigen Darstellung der Vermögenslage liegt.[13]
Damit werden, hingegen der bisherigen Regelungen, auch die
quasi-permanenten Differenzen und
erfolgsneutral entstandenen
bei der Steuerabgrenzung berücksichtigt.[14]
Es kommt nunmehr nicht mehr auf die Zeitdauer bis zur Umkehrung an[15]. Der Reg-Entwurf des BilMoG [16] sieht in seiner Erläuterung die Berücksichtigung quasi-permanenter Differenzen ausdrücklich vor.
Damit ist das Temporary-Konzept deutlich umfassender in der Steuerabgrenzung.
Die erfolgsneutrale Bewertung ist handelsrechtlich nicht zulässig, sodass dies faktisch zu fast keinen latenten Steuern führen kann, solange der Gesetzgeber daran festhält, dass eine erfolgsneutrale Bewertung unzulässig ist.[17]
Nur in Einzelfällen kann es zu einer erfolgsneutralen Bewertung kommen und daraus resultierenden latenten Steuern. Wie auch bisher besteht für aktive latente Steuern keine Aktivierungspflicht.
Weiterhin, bleiben, was auch dem Konzept der Steuerabgrenzung entspricht, permanente Differenzen außer Ansatz.
Das Ziel, den Adressaten des Jahresabschlusses durch das BilMoG eine verbesserte Aussagekraft des Jahresabschlusses zu liefern und auch die Anpassung an die internationale Rechnungslegung, welche schon lange das Temporary-Konzept vorsieht, wird durch die Bildung der latenten Steuern stark verbessert.[18]
Die umgekehrte (formelle) Maßgeblichkeit[19] gibt es seit 01.01.2009 nicht mehr. Die Ausübung
steuerrechtlicher Wahlrechte war abhängig davon, dass in dem handelsrechtlichen Jahresabschluss übereinstimmend bilanziert wurde. [20]Durch die Änderung des Einkommensteuergesetzes ist nun eine abweichende Bilanzierung in der Steuerbilanz möglich. Die abweichend bilanzierten Wirtschaftsgüter müssen in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufgenommen werden.[21]
Durch den Verzicht der umgekehrten Maßgeblichkeit sowie den Verzicht der kodifizierten handelsrechtlichen Öffnungsklauseln ( 247 Abs. 3, 254, 270 Abs. 1 Satz 2, 280 Abs. 1, 281, 285 Satz 1 Nr. 5 HGB) beendet dies nun die Beeinflussung der Vermögens- und Ertragslage von
steuerlich geprägter Zielsetzung in der Bilanzierung. [22] Diese Reduktion der Verzerrung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage führt zu einer Stärkung der Informationsfunktion.[23]
Entsprechend wird die Erstellung einer Einheitsbilanz in Zukunft deutlich seltener möglich sein.Im Ergebnis werden keine steuerlichen Sondervorschriften mehr in der Handelsbilanz berücksichtigt. Diese waren insbesondere:
6b EStG (Übertragung stiller Reserven)
7g (Investitionsabzugsbeträge und Sonderabschreibungen zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe)
R. 6.5 EStR(Zuschüsse zu Anlagegüter)
R. 6.6 EStR (Übertragung stiller Reserven bei Ersatzbeschaffung)
7a - i EstG
Verfolgt man die Adressaten des Jahresabschlusses: Gläubiger, Arbeitnehmer, Gesellschafter, Mitglieder der Unternehmensleitung, Konkurrenten sowie Presse[24], so ist es absolut positiv zu verzeichnen, dass eine Stärkung ihrer Interessen stattgefunden hat. Die Steuerbilanz wird hauptsächlich für die Finanzverwaltung aufgestellt, diese dient der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen für die Ertragssteuern. So ist es m. E. ein richtiger Schritt, die Handelsbilanz von der Steuerbilanz zu lösen, da die steuerpolitischen Einflüsse sich nicht mit einem realitätsnahen informellen Abbild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage Außenstehender vereinbaren lässt.
Beispiel 1
Aufhebung der umgekehrten Maßgeblichkeit:
Die X-GmbH verkauft ein Gebäude mit Grund und Boden für 1 Mio., dieses wurde vorher zutreffend in der Bilanz mit 0,5 Mio. bilanziert.
Die X-GmbH möchte von dem Wahlrecht nach
6b EStG Gebrauch machen. Ein Jahr später kauft die X-GmbH ein geeignetes Gebäude für 1 Mio., welches zutreffend mit 3 % abgeschrieben wird.
Anmerkung: Alle Tatbestandsvoraussetzungen des 6b EStG gelten als erfüllt. Steuersatz 30 %.
Verkauf:
Es bestehen also temporäre Unterschiede zwischen der Handels- und der Steuerbilanz, welche sich im nächsten Jahr, bei der Investition des neuen Gebäudes abbauen. Das Handelsbilanzergebnis ist also höher als das Steuerbilanzergebnis, es sind damit passive latente Steuern entstanden.
Buchung in der Handelsbilanz:
Latenter Steueraufwand 150 T an passive latente Steuern 150 T
Hierbei kommt es zu einer Abweichung zwischen der Handels- und...