ZUM LAUFEN GESCHAFFEN
»Lucy« war keine Schönheit, zumindest nicht nach heutigen Maßstäben. Nur einen Meter groß, am ganzen Körper stark behaart und wenn sie lächelte, zeigten sich etliche Lücken zwischen den braunen Zähnen. Trotzdem war und ist sie etwas ganz Besonderes. Forscher fanden Teile ihres Skeletts 1974 in Äthiopien; es gibt auch Wissenschaftler, die es für männlich halten. Der Australopithecus afarensis »Lucy«, benannt nach einem Song der Beatles, lebte vor rund 3,2 Millionen Jahren. Zwei Eigenschaften zeichneten das Individuum aus: Es ging aufrecht durchs Leben und war extrem ausdauernd – bis zu 40 Kilometer täglich war Lucy meist laufend unterwegs, um ausreichend Nahrung zu finden. Evolutionsbiologen nehmen an, dass es genau diese beiden Eigenschaften waren, die den Menschen zu dem gemacht haben, was er heute ist.
Ganz die Alten …
Der noch junge Forschungszweig der Epigenetik ist ebenfalls bereits zu hochinteressanten Ergebnissen gekommen. Epigenetiker untersuchen die Zusammenhänge zwischen Genen und Lebensstil. Sie fanden heraus, dass sich das menschliche Erbgut in den letzten 10 000 Jahren nicht mehr verändert hat. Nicht allein die Gene sind also dafür verantwortlich, ob wir gesund oder malade durchs Leben gehen, sondern vor allem unser Lebensstil. Denn je nachdem, wie wir mit unserem Körper umgehen, können wir bestimmte Gene ein- oder ausschalten. Ernährung, Stress, Liebe und Zuneigung, Sport oder Bewegungsmangel sind in der Lage, unsere Zellen umzuprogrammieren – zum Guten wie zum Schlechten. In diesem Buch geht es natürlich um die Dinge, die Sie tun können, um alles zum Guten zu wenden. Wenn Sie also mehr Energie und Kraft möchten, sich gesünder und begehrenswerter fühlen wollen, sind Sie hier richtig.
Warum eine positive Energiebilanz nichts Gutes ist
Bewegungsmangel wirkt sich negativ auf Körper und Psyche aus. Die Natur hat den menschlichen Organismus für ein Leben ausgestattet, das die meisten von uns nicht mehr führen. Dabei ist unser Körper zu erstaunlichen Leistungen fähig – wenn wir ihn entsprechend fordern. Natürlich reicht es da nicht aus, wenn wir engagiert den Arm heben, um Essen zu bestellen! In einigen Bereichen unseres angenehmen modernen Lebens lohnt sich ein Umdenken. Studien im öffentlichen Raum haben gezeigt, dass bei 90 Prozent der Passanten die Bewegung erstirbt, wenn sie auf der Rolltreppe stehen. Das Benutzen der Treppe in einem mehrstöckigen Haus scheint out zu sein. Auch Kollege Computer hat dazu beigetragen, dass der tägliche durchschnittliche Energieverbrauch seit den 1940er-Jahren um mehr als 400 Kalorien gesunken ist. Das entspricht pro Jahr drei Kilogramm Fettgewebe mehr!
INFO
RAUS AUS DEM SESSEL!
Mit dem ruhigen Leben kommt unser auf Bewegung ausgerichteter Körper nicht zurecht. Ärzte wundern sich kaum über die deutliche Zunahme an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Rückenschmerzen, Gelenkbeschwerden, psychischen Erkrankungen und Krebs. Diese hängen in hohem Maße mit Bewegungsmangel zusammen. Dabei ist es so leicht, mehr Bewegung ins Leben zu bringen … und das »Couching« ist so viel schöner, wenn die Muskeln zuvor ausgiebig arbeiten durften.
Schöne Aussichten voraus: Wer läuft, hat deutlich mehr vom Leben.
Das beste Medikament
Wissenschaftler in aller Welt forschen nach der Pille für ein langes und gesundes Leben, die das Altern bremst, Herz und Kreislauf pusht, für kräftige und stabile Muskeln sorgt, Stimmung und Stressresistenz hebt und das Gehirn täglich zu Höchstleistungen befähigt. Bis es so weit ist, dürfte es noch eine ganze Weile dauern …
Statt eines Hightechmedikaments aus dem Labor gibt es längst eine viel bessere Möglichkeit, bis ins hohe Alter fit und gesund zu bleiben: Joggen! Nur wenn Muskeln, Knochen, Lunge, Herz und Gehirn beansprucht werden, verlieren sie nicht an Leistungskraft. Moderate, individuell abgestimmte Laufprogramme sind hier das überlegene Mittel. Mit vielen positiven Nebenwirkungen, die durch die moderne Medizin bestätigt werden.
Leistungsstarkes Herz-Kreislauf-System
Das Volumen des Herzens nimmt durch regelmäßiges Laufen zu. Mit der Zeit ist der wichtigste Muskel des Körpers in der Lage, bis zu 20 Prozent mehr Blut zu pumpen, was die Versorgung aller Körperzellen mit Sauerstoff und Nährstoffen erheblich verbessert.
Die Menge des im Körper zirkulierenden Blutes erhöht sich um bis zu einen Liter. Dadurch stehen dem Organismus mehr rote Blutkörperchen zur Verfügung, die Muskeln und Organe mit Sauerstoff versorgen. Auch die Fließeigenschaften des Blutes verbessern sich, der Stoffaustausch zwischen Blut und Gewebe läuft reibungsloser ab.
Durch die Beanspruchung sprießen zudem, wie frische Zweige an einem Baum im Frühjahr, neue kleine Gefäße im ganzen Körper. Auch dadurch wird der Organismus viel gründlicher mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt, was ganz erheblich zu mehr Wohlbefinden beiträgt. Laufen macht überdies die Blutgefäße deutlich elastischer. Dadurch pendelt sich der Blutdruck auf Normalwerte ein: Sowohl ein niedriger als auch ein zu hoher Blutdruck werden dauerhaft ausgeglichen. Moderates Lauftraining senkt den Blutdruck um bis zu 20 mmHg. Von den rund 20 Millionen Menschen in Deutschland, die unter Bluthochdruck leiden, könnten viele mithilfe von Joggen aufgrund der verbesserten Ausdauer auf Medikamente verzichten, weil sich die Werte wieder in Richtung Normalniveau einpendeln. Ein niedriger Blutdruck ist in der Regel nicht gefährlich, aber etwas mehr Schwung und Energie steigern die Lebensqualität.
Wer läuft, nimmt dem Herzen, bei aller Leistungssteigerung, auch viel Arbeit ab. Bis zu 30 000 Herzschläge lassen sich durch ein regelmäßiges Lauftraining Tag für Tag einsparen – und weil das Herz in einem gemächlicheren Takt arbeiten darf, schlägt es zum Dank zehn Jahre länger.
Effiziente Muskelkraftwerke
Durch das wachsende Herz und die stärkere Pumpleistung erhalten die kleinen Gefäße in den Muskeln mehr Blut. Davon profitieren die Mitochondrien in den Muskelzellen. Diese Minikraftwerke wandeln die Kalorien aus der Nahrung in Adenosintriphosphat (ATP) um; dies ist der universelle Energieträger, den alle Körperzellen brauchen, um ihre Arbeit verrichten zu können. Auch die Muskelzellen selbst benötigen ATP. Je besser unsere Mitochondrien arbeiten, desto mehr Energie steht uns also für die Muskelarbeit zur Verfügung. Hinzu kommt, dass trainierte Sportler bis zu 90 Prozent ihrer Muskelfasern aktivieren können. Bei Untrainierten sind es nur etwa 60 Prozent.
Mehr Sauerstoff
Ein ausdauertrainierter Mensch atmet weniger, aber deutlich tiefer. Schon nach zwei Monaten Training erhöht sich die Vitalkapazität, das Lungenvolumen zwischen maximaler Ein- und Ausatmung, um 25 Prozent. Ein trainierter Läufer erreicht daher mit einem Drittel der Atemfrequenz die gleiche Sauerstoffversorgung wie ein Couch-Potato.
INFO
MEHR MENTALE FITNESS
Wer läuft, steigert die Gehirndurchblutung – in manchen Hirnregionen um bis zu 30 Prozent. Das verbessert die Konzentration: Das Gehirn arbeitet zum einen schneller und flexibler, zum anderen ausdauernder. Auch die Zahl junger Nervenzellen im Hippocampus wächst – jenem Hirnbereich, der für die Gedächtnisleistung zuständig ist. Das Laufen ruft stimmungsaufhellende Glückshormone wie Serotonin und Dopamin auf den Plan, ebenso das Anti-Stress-Hormon DHEA, zugleich sinkt die Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Cortisol. Wir sind entspannt, gut gelaunt, selbstbewusst und hellwach – nicht nur während des Laufens, sondern im gesamten Alltag.
Stoffwechsel und Kilos im Lot
Die Schilddrüse eines Läufers produziert mehr von den Hormonen Thyroxin und Trijodthyronin. Das erhöht die Stoffwechselaktivität. Der Körper verbrennt auch im Ruhezustand mehr Kalorien, und das macht sich positiv auf der Waage bemerkbar.
Die Bauchspeicheldrüse reagiert mit einer gleichmäßigen Ausschüttung von Insulin. Dadurch wird vermehrt Zucker in die Zellen geschleust, der Blutzuckerspiegel sinkt. Die Insulinrezeptoren werden (wieder) empfindlicher für Insulin – der beste Schutz vor Typ-2-Diabetes siehe ab >. Die Leber kann ihre Kohlenhydratdepots aufstocken und hat deutlich weniger Probleme, den Blutzuckerspiegel konstant zu halten. Bei körperlicher Aktivität schütten die Muskeln ganz besondere Botenstoffe aus: die Myokine. Noch steht die Wissenschaft hier am Anfang, fest steht aber, dass diese Botenstoffe für den Muskel extrem wichtig sind. Sie fördern Muskelaufbau und Fettverbrennung, unterstützen den Zuckerstoffwechsel und schonen so die Bauchspeicheldrüse.
»Zu unserer Natur gehört die Bewegung.«
BLAISE PASCAL, FRZ. NATURWISSENSCHAFTLER UND LITERAT
Außerdem sorgen sie dafür, dass die Gefäße elastisch bleiben, und beugen auf diese Weise einer Gefäßverkalkung (Arteriosklerose), einem Schlaganfall und Herzinfarkt vor.
Nicht zuletzt erhöht sich durch mehr Beanspruchung der Energiebedarf des Organismus. Er greift auf freie Fettsäuren zurück, das bringt Fettpolster zum Schmelzen.
Außerdem erhöht sich der Anteil des »guten« HDL-Cholesterins, während derjenige des »bösen« LDL-Cholesterins sinkt siehe >. Das hält die Adern elastisch und reduziert die Belastung des Herzens.
Starke Abwehr
Natürlich profitiert auch das Immunsystem. Die Zahl der für die Körperabwehr zuständigen Immunglobuline steigt deutlich an. Schnupfen, Husten und andere...