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Leben und Ereignisse des Peter Prosch (Autobiografie eines Hoffnarren)

Das wunderbare Schicksal - Geschrieben in den Zeiten der Aufklärung

AutorPeter Prosch
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl180 Seiten
ISBN9788026847021
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Leben und Ereignisse des Peter Prosch (Autobiografie eines Hoffnarren)' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Peter Prosch (1744-1804) war ein einfacher Bürger, der im deutschsprachigen Raum den Adel kennenlernte und darüber eine Autobiographie schrieb. Das Leben des gelernten Handschuhmachers Prosch war zunächst durch Armut geprägt. Mit neun Jahren zog er aus seiner Heimat, um das Glück in der Ferne zu finden. Er wollte beim reichen Adel um Geld bitten, um sich den Traum einer eigenen Schnapsbrennerei zu erfüllen. So zog er von Fürstenhof zu Fürstenhof und lernte als einfacher Bauernsohn den Adel seiner Zeit im deutschsprachigen Raum kennen. Es war weniger seine Vision, die bei den Herrschaften Gefallen fand, als vielmehr seine Person selbst. Peter Prosch wurde, ohne dass er es wollte, zu einem 'geachteten Hofnarren', der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in allen deutschen Fürstenhäusern bekannt und willkommen war. 1789, er war inzwischen Bauer und Gastwirt in Ried, wurde seine Autobiographie erstmals verlegt, die heute einen einmaligen und vor allem ungetrübten Blick in die Gesellschaft dieser Zeit gibt. Vor allem das Leben der deutschen Fürstbischöfe wird sehr eindrücklich geschildert.

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Leseprobe

Zweites Kapitel

Nun war es mir wie ein Traum, daß große Herrschaften auf der Welt sind, und ich bin so arm zu Hause, daß ich nicht einmal eine Herberg und ebensowenig Geld und Hausrat habe; meine Schwestern konnten mir auch so wenig helfen, wiewohl zwo verheuratet waren: denn sie hatten selbst nichts, als jede einen Haufen kleiner Kinder und Ölträger zu Männern.

Mein übler Nachbar, der Hunger, fand sich auch bei mir wieder ein.

Ich redete oft mit meinen Spielkameraden, von welchen keiner aus dem Ort gekommen ist, von der weiten Welt; denn sie hielten mich schon für einen Gereisten, und ich erzählte ihnen von den großen Herrschaften, Tafeln und was ich immer gesehen habe.

Wie in der ganzen Welt bekannt, daß die unsterbliche Kaiserin Maria Theresia von allen ihren Untertanen nicht umsonst als eine wahre Mutter geliebt wurde, so hörte ich auch, daß sie die Tyroler absonderlich gern hätte. Tag und Nacht gingen mir dergleichen Gedanken, wie ich mich etwa bei ihr beliebt machen könnte, in meinem Gehirn herum.

Allein der Hunger tat weh, und ich mußte mich bestreben, daß zu essen bekam.

Ich ging deswegen unter meinen Befreunden bald zu diesen, bald zu jenen, aber die Freundschaft hatte bald ein Ende, und sie wurden meiner Visite gleich überdrüssig; ich mußte mich, um mich des Hungers zu erwehren, zum Schafhüten verdingen. Nun hütete ich am Riedberge, eben bei demjenigen Bauern, nämlich z' Örtler, wo ich das erstemal hätte hin sollen, die Schafe, und bekam in der Frühe eine Suppe und ein Mus zu essen; auf Mittag gab man mir ein paar Hände voll Dämpfnudeln mitzutragen, welche allemal um zehn, längstens bis eilf Uhr schon verzehret waren. Fünfzig bis sechzig Schafe hatte ich zu hüten, und diese gingen im Gebirge so weit auseinander, daß ich den ganzen Tag Kreuz hin, Kreuz her, über Stöcke, Steine und gefährliche Gräben laufen und springen mußte, um keines davon zu verlieren.

Eine Tages, auf den Abend, legte ich mich in der Dämmerung sehr hungrig und abgemattet nach aller Länge auf den Wasen hin und überlegte das, was sich zeither mit mir zugetragen, wie auch meinen gegenwärtigen Zustand. Auf einmal hörte ich neben meiner im Gesträuß etwas dahertrappen und wurde also in meinem Nachdenken gestört. Futsch war ich auf und sah eine junge weiße Ziege mit einem Jungen. Ich schlich ihr durchs Gesträuch nach, ohne zu bedenken, wo wir waren, weil ich halt Milch bei ihr zu bekommen hoffte, um sie zu trinken und meinen Hunger damit zu stillen; ich erwischte sie auch wirklich bei einem hintern Lauf und hielte sie fest; die Ziege aber erschrak und machte mit mir, weil ich sie nicht entlassen wollte, einen Kapriol von zwölf Schuh hoch über einen Felsen, Stock und Stauden hinunter. Wie wir uns unterwegs getrennet haben, weiß ich nicht mehr. Ich lag auf einer Ebene, geschunden und zerkratzet am ganzen Leib, und sah die Ziege mit ihrem Jungen an einem andern Felsen klettern; mich lüstete aber nicht mehr nach ihrer Milch, sondern ich mußte darauf bedacht sein, auf welcher Seite des Felsens ich wieder zu meinen Schafen kommen könnte; trieb diese zusammen und nach Hause. In Zeit von vierzehn Tagen gingen die Schafe auf die Alpe, und mein Verdienen nahm ein Ende.

Nun kam ich zu meinem alten Görgen und bat ihn wieder um die Herberge, welcher mich auch einnahm. Da schlief ich dann auf dem Solder unter dem Dach, hatte einen Teppich halb unter, halb über mich und ein Stück Holz unter dem Kopf. Endlich wurde ich krank; und das Häusl von meinen Eltern verkauften mein Bruder und sein böses Weib an meinen Schwager, welcher mich in meiner Krankheit abholte und mich in sein neuerkauftes Häusl ebenfalls unters Dach auf das Heu überlegte, wo ich auch besser ausruhen konnte.

Ich wurde (Gott sei Dank) wieder gesund und logierte noch bei meinem Schwager auf dem Heu.

Tausenderlei Gedanken von großen Herren, von Gnaden und Glück, von der guten Kaiserin, welches ich von den Leuten öfters sagen hörte, quälten mich Tag und Nacht, und war ohne Unterlaß damit beschäftiget.

Eines Abends ging ich wie gewöhnlich schlafen, da träumte mir ganz natürlich: ich wäre zu der guten Kaiserin gekommen, hätte meinen Hut unterm Arm, welchen sie mir voll Geld geschenkt und mir auch auf einen gewissen Flecken, wo eine alte Brechlstube gestanden, eine Wohnung und ein Brandweinhüttel bauen lassen.

Voll Freude erwachte ich, dankte meinem Schöpfer, sprang über die Stiege hinab und erzählte es meiner Schwester, welche just kochte; diese lachte mich aus, ich aber achtete es nicht und ging flugs, den Platz zu betrachten, welchen ich so fand, wie ihn mir der Traum geschildert hat.

Der Bauer, welchem dieser Platz zugehörte, hieß Anton Krapf, ein alter ehrlicher Mann, welcher eben einen Steinwurf weit davon einen Zaun machte. Ich ging zu ihm hin und sagte: »Guter Toni, sei doch so gut und gieb mir das Plätzl, wo die Brechlstube steht, zu kaufen (welches etwa sechs bis sieben Schritte ins Quadrat ausmacht), die Kaiserin läßt mir ein Haus darauf bauen.« – »Woher weißt du dann das?« – »Es hat mir heute nacht so natürlich davon geträumt, daß ich glauben muß, es sei gewiß.« – »Armer Jung, du erbarmest mich, ich will dir ihn geben, du kannst dich darauf verlassen. Deine Eltern hab ich gut gekannt, waren auch brave Leute; ich hätte ihn zwar schon öfters verkaufen können, aber du sollst ihn haben.« – »Wie teuer?« – »Zween Gulden, ein Skapulier und ein Gläsl Brandwein.« – »Die Hand darauf! richtig.«

Wir gingen miteinander hinauf zu meinem Schwager, welcher mir die zween Gulden vorstreckte; ich bezahlte ihm damit den Platz, gab ihm auch das Skapulier und ein Fräckäl Brandwein.

»Gelt, Schwester, es wird wahr, was ich dir heut morgen gesagt hab? Itzt glaubst du es wohl? denn ich hab wirklich schon Grund und Boden, und durch unsern Herrgott und die Kaiserin bekomm ich auch ein Haus und werde noch reich; darnach will ich mir erst recht gute Schmalznudeln kochen und sie mir recht schmecken lassen.«

Zehnmal des Tags ging ich hin, meinen Platz zu besehen, legte mich darauf und sah mein künftiges Haus schon in Gedanken.

Ich hatte weder Rast noch Ruhe; ich mußte zu der Kaiserin meine Reise antreten, obschon alles meiner spottete und mich jedermann auslachte.

Endlich ward der Trieb so stark, daß ich mich nun wirklich auf den Weg machte. Ich nahm in einem gemalten gläsernen Fläschl eine Maß Kirschengeist mit mir und wanderte im Gottes Namen durchs Tal hinaus, ohne einen Kreuzer Geld oder Zehrung, nach Innspruck zu, weil ich gehört hatte, daß dort große Herren wären, welche über alles zu befehlen hätten, so dachte ich mir, wird wohl auch die gute Kaiserin dort zu Hause sein. Ich kam den ersten Tag über acht Stunden weit, ohne einen Bissen geessen oder etwas getrunken zu haben, nämlich bis gegen Hall. Der Hunger plagte mich, und matt ward ich auch; da begegnete mir ein Herr in einer Chaise (wie ich es hernach erfragte, war es der Baron Crusina); dieser fragte mich: »Was fehlt dir, kleiner Duxer? und warum weinest du?« – »Narr! wenn dich so hungern tät wie mich, so würdest du auch nicht lachen.« – »Hungert dich denn stark?« – »Ja, ich habe heut noch nichts geessen.« – »Wo willst du dann noch hin?« – »Ich gehe zu der Kaiserin.« – »Was willst du dann bei ihr machen?« – »Ich hab da ein Fläschl Kirschenbrandwein, den gebe ich ihr, und sie läßt mir ein Häusl bauen.« – »Willst du mit mir auf mein Schloß, dort, so du siehst? Ich will dir zu essen geben, will dich über Nacht behalten, und du mußt mir noch mehr erzählen.« – »Wohl!«

Er nahm mich also zu sich in den Wagen, und wir fuhren hinauf ins Schloß unweit der Foldererbrücke.

Da wir ins Schloß kamen, empfing ihn seine Frau. »Schatz!« sagte er, »hier bring ich dir einen kleiner Duxer: er begegnete mir auf dem Wege und weinte aus Hunger; du mußt ihn recht füttern lassen.«

»Ja, mein Schatz! er ist ein hübscher Jung, er gefällt mir.« Und zu mir: »Du sollst gleich was bekommen, Kleiner!« Sie nahm mich darauf bei der Hand und führte mich in das Zimmer. Auf dem Abend gingen sie zum Essen und nahmen mich zu sich an die Tafel, wobei ich herrisch gefüttert wurde, bekam auch Wein, und wir brachten den Abend mit verschiedenen Gesprächen zu; der Gärtner nahm mich sodann zu sich in das Bette, welches ich mir auch trefflich schmecken ließ.

Dem andern Tag stunden wir auf; ich gab ihnen beiden einen guten Morgen, küßte ihnen die Hände und bekam eine Milchsuppe zu einem Frühstück. Der alte Herr und die Frau unterhielten sich mit mir, fragten mich um alles aus; ich gab ihnen über alles meine Antworten und zeigte ihnen mein Brandweinfläschl. »Gut«, sagte er, »du bleibst noch ein paar Tage bei mir da; ich habe eine Schwester zu Hall im königl. Stift, ich besuche sie bald wieder, ich will dich mit mir nehmen, wer weiß, ob sie dich in dem Stift nicht annehmen, oder brauchen können.«

Ich war mit allem recht wohl zufrieden; denn ich sah, daß er alles sehr gut mit mir meinte.

Dem dritten Tag fuhr er wieder hinein und nahm mich mit sich in den Wagen. Als wir in das Sprachzimmer kamen, sah ich mit Verwunderung bei zehn schwarzgekleidete Weibsbilder, wie Jesuiten, und auf den Köpfen hatten sie Piretter. Es war die Gräfin Arko, als Oberste, die zwo Gräfinnen Fugger, des Barons Schwester, Fr. v. Stotzingen, Fr. v. Aufseß, Fräulein Severin und andere mehr.

Sie grüßten mich und redeten freundlich mit mir; durch dieses wurde ich beherzt zu reden und erzählte ihnen meinen ganzen Traum. Durch Rekommandation des Baron Crusina behielten sie mich endlich ganz in dem Stift, und...

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