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Lebensplanung für Fortgeschrittene

Wie wir älter werden wollen

AutorMarkus Müller
VerlagSCM Hänssler im SCM-Verlag
Erscheinungsjahr2016
ReiheWeise alt werden 
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783775173285
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Die große Generation der 'Babyboomer' geht in Rente! Wer zwischen 1950 und 1968 geboren wurde, gehört zu den sogenannten Babyboomern - einer Generation, die im deutschsprachigen Raum rund ein Viertel der Bevölkerung ausmacht. Geprägt von einer Zeit des Aufschwungs und der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten. Alles war möglich! Doch wie steht es mit dem Älterwerden? Während manche das Alter als ungebetenen Gast sehen, gilt es für andere, sich neu zu erfinden. M. Müller liefert Denkhilfen und praktische Tipps, wie die zweite Lebenshälfte gestaltet werden kann, und macht Mut das unbekannte Land Alter zu erkunden. Eine einzigartige, manchmal bedrohliche und mitreißende Abenteuerreise. Willkommen zum Aufbruch!

Markus Müller (Jg. 1955) studierte Erziehungswissenschaft und promovierte in Behindertenpädagogik. Er war Direktor der Pilgermission St. Chrischona und ist bis heute Pfarrer eines Altenheims bei Winterthur. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. über gesellschaftliche Trends.

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KAPITEL 2
IRRITIERENDES AUF DEM WEG IN UNSERE ZUKUNFT


Wir sind wir. Recht so! Doch was geschieht um uns herum? Wovon sind wir umgeben? Was kommt auf uns zu und womit müssen wir rechnen? Was stellt sich uns entgegen?

Es sind vor allem zwei Dinge, die uns, die Generationen im Alter zwischen 40 und 70 – reflektiert und unreflektiert – umtreiben. Zunächst wissen wir, dass heute nichts so selbstverständlich ist wie Wandel und Veränderung des persönlichen Lebensumfeldes wie auch der globalen Welt. Und dann kommt – ganz konkret – ein eigenartiges bis befremdliches Erleben dazu: Das Ergehen unserer eigenen, jetzt 75-, 85- oder 95-jährigen, uns stets mehr oder weniger nahestehenden Eltern. Natürlich: Für die einen oder andern kein Thema, sind doch die Eltern früh und unauffällig bereits gestorben. Oder: Da ist doch die Schwester. Sie wird das schon regeln, wie bisher auch. Oder: Die Eltern sind noch so selbstständig und lebensfreudig: Warum sich sorgen, wenn doch keine Spur von Vergänglichkeit zu erkennen ist? Und doch: Die meisten von uns, speziell Babyboomern, erleben im Zusammenhang mit den eigenen Eltern etwas, das für sie neu und manchmal erschütternd ist.

Die Frage liegt auf der Hand: Wenn wir so ticken, wie wir ticken, wenn die Zeit ist, wie sie ist, und wenn sich plötzlich etwas von Hinfälligkeit und Endlichkeit unseres Lebens andeutet: Wie gehen wir damit um? Was tun, denken und empfinden wir? Was geht in uns ab, was »macht das Alter mit uns«? Was planen wir, sozusagen als Fortgeschrittene?

Die kommenden Jahre – womit wir gesellschaftlich zu rechnen haben


Es sind wohl drei wesentliche Herausforderungen, die im Grundsatz von uns nicht (mehr) zu beeinflussen sind, allerdings für unsere individuelle Zukunft so etwas wie den Rahmen bilden, in dem unser künftiges Leben stattfinden wird. In den bevorstehenden Jahrzehnten werden sich diese Trends und Tendenzen verstärken. Wir werden mit ihnen zu leben haben – gewollt und ungewollt, freudig oder trotzig, als Chancenseher oder hoffnungslose Skeptiker.

Auch wenn wir uns hier nicht in die Trendforschung vertiefen (bei Interesse siehe Literaturverzeichnis), so sollen doch jene drei Grunddynamiken, von denen unser Lebensrahmen künftig in besonderer Weise geprägt sein wird, in unser Bewusstsein geholt werden. Wie schnell erkennbar ist, kommen sie unserem Lebensentwurf und -empfinden nicht immer nur entgegen. Zu den drei Dynamiken gehören die demografischen Veränderungen, der Ressourcenmangel und die Auseinandersetzung mit Menschen aus fremden kulturellen und religiösen Hintergründen.

Demografische Veränderungen


Die demografischen Veränderungen betreffen im engeren Sinn die Zunahme älterer Menschen und den zahlenmäßigen Rückgang jüngerer Menschen. Behauptet wird, mit Berufung auf nicht immer hieb- und stichfeste Statistiken, dass im Jahr 2060 in Deutschland jeder Erwerbstätige seinen persönlichen Rentner hat. Er, der Erwerbstätige, hat also zu ermöglichen, dass von seinem eigenen Erwerb nicht nur er und gegebenenfalls seine Familie zu leben hat, sondern zusätzlich ein Rentner, der vermutlich sein Leben lang treu in die Altersvorsorge einbezahlt hat. Er nun wird, logischerweise, beanspruchen, gemäß den früher gemachten staatlichen Versprechen versorgt zu werden: »Zum Mitschreiben: Die Rente ist sicher.« (so Norbert Blüm im Bundestag am 10. Oktober 1997)

Das Faktum also ist bekannt. Deutschland – und mit ihm Mitteleuropa und eine Reihe weiterer Länder weltweit – »altert dramatisch«, so Horst W. Opaschowski, bekannt als »Mister Zukunft« oder »Zukunftspapst«. Die Deutschen sind nicht nur Spitzenreiter im Fußball, im Bierkonsum und in der Anzahl Krankenhausbetten. Neu sind sie – oder wir – auch an der Spitze, was die weltweit niedrigste Geburtenrate betrifft. Leere Kindergärten, volle Altersheime: Das könnte uns als (unbewusste) gesellschaftliche Leitidee untergeschoben werden.

Die Alterspyramide steht buchstäblich Kopf. Bekannt ist: Bereits 2020 ist jeder zweite Deutsche über 50 Jahre alt. Wenn heute rund 25 Prozent der Wahlberechtigten über 65 Jahre alt sind, so sind es im Jahr 2030 bereits 35 Prozent. 2060 wird jede dritte Person über 65 sein, und jede siebte Person ist dann über 85 Jahre alt. 14,3 Prozent der über 65-jährigen Menschen in Deutschland kennen jetzt schon das Risiko der Altersarmut. Verständlich, dass im März 2012 »das andere Angstthema« neben der Energie die »Demografie, der Doppeltrend aus Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung«, ist.13 Das 21. Jahrhundert, so wird etwas spöttisch angemerkt, wird zu einem »Jahrhundert der Senioren«.14 Sogar dann, wenn ab sofort gebärfähige deutsche Frauen durchschnittlich vier Kinder zur Welt bringen, wird es angesichts des Einbruchs der Geburtenzahlen seit rund 1968 vier Generationen dauern, bis sich wieder eine stabil bleibende Bevölkerung auf dem Stand des Jahres 2000 einstellt.

Verheißungsvoll und gleichzeitig bedrohlich erweist sich die Zunahme der Lebenserwartung im Laufe der vergangenen 100 Jahre. Wurden unsere Urgroßeltern im Durchschnitt zwischen 44 und 47 Jahre alt, so haben wir heute eine rund 30 Jahre höhere Lebenserwartung. Schmunzelnd nehmen wir zur Kenntnis, dass sich die durchschnittliche Lebenserwartung zurzeit täglich um 6 Stunden und somit jährlich um 3 Monate erhöht. Die Frage ist berechtigt: Was machen wir mit den uns zusätzlich geschenkten Jahren? Peter Gross kommt auf die grotesk anmutende These, dass wir aufgrund dieser zusätzlich geschenkten Jahre gar keinen Bedarf an ewigem Leben und Ewigkeit mehr haben – ein Gedanke, den man zunächst verdauen muss, der aber doch eine Art Erklärung liefern könnte, wieso die Lust zum Leben gerade am Ende des Lebens dramatisch abnimmt. Genug ist genug! Doch wir werden nicht nur mit einigermaßen wuchtig daherkommenden demografischen Veränderungen zu leben haben:

Zunehmender Ressourcenmangel


Hauptstichworte sind zunächst Energie und Finanzen. Tatsächlich vergeht seit der Hiobsbotschaft des Club of Rome im Zusammenhang mit dem 1972 veröffentlichten Bericht »Die Grenzen des Wachstums« kaum ein Tag, an dem wir nicht neue dramatische Nachrichten zum Thema Energie (und damit Umwelt) und Finanzen zur Kenntnis nehmen müssen. Wir leben, dummerweise, in der Grundüberzeugung der Unerschöpflichkeit von Energiereserven. Und noch schlimmer: Wir leben in der Annahme, dass finanzielle Ressourcen ohne Ende verfügbar sind. Das Dramatische bezüglich Finanzen: Bereits die Beträge, die wir in Form von Geld ausgegeben haben, ohne sie zu besitzen, und deshalb jetzt schulden, also zu ent-schulden haben, sind unvorstellbar astronomisch hoch. Rechnet man allerdings zu diesen bereits geschuldeten Beträgen all jenes Geld dazu, das aufgrund von politischen Versprechungen bestimmten Menschen zusteht, ohne generiert zu sein (Rente, Pflegeversicherung, Krankenkassen …), vervierfachen sich die jetzt schon nicht vorstellbaren Schulden in Billionenhöhe. Keine sehr zuversichtlich stimmende Aussicht also für die kommenden Jahre.

Die Jahre der zunehmenden Wohlfahrt haben ihre Schattenseite. »Softfaktoren« wie Wertschätzung, Vertrauen, Verantwortungsbewusstsein, Versöhnungsbereitschaft, Durchblick, Hoffnung, Liebe, Leidensbereitschaft, Toleranz oder Lebenszufriedenheit haben nicht in gleichem Maß wie unser Wohlstand zugenommen. Beispiel Lebenszufriedenheit: Meinhard Miegel, einer der bedeutendsten Sozialforscher in Deutschland, weist darauf hin, dass die »Parallelentwicklung« von Wohlstandszunahme und Lebenszufriedenheit um 1970 endete. Davor, das heißt ab dem Jahr 1945, stieg »die Lebenszufriedenheit … parallel zur Wohlstandszunahme«. Rund sechzig Prozent der Bevölkerung waren 1970 »zufrieden oder sehr zufrieden«. Das verfügbare Einkommen und damit die Möglichkeit, Leben nach eigener Vorstellung gestalten zu können, nahm bis 2009 um 75 Prozent zu, während »der Anteil Zufriedener und sehr Zufriedener wie festgenagelt« bei 60 Prozent »verharrte«.15

Vertrauen, Durchblick oder Zufriedenheit als Ressource. Es scheint, als würden sich nicht nur in den Bereichen Energie und Finanzen Engpässe im Sinne von Ressourcenmangel ankündigen, sondern auch, und vielleicht nochmals mit viel weitreichenderen Folgen, im Bereich unseres Denkvermögens und unserer Beziehungen. Gerade der Faktor Zufriedenheit – nicht mehr durch zunehmendes materielles Wohlergehen zu steigern – ist die entscheidende Ressource, um mündig mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts umzugehen.16

Ungewohnte Lebens- und Glaubensvorstellungen


Die dritte elementare Herausforderung, mit der wir unweigerlich in den kommenden Jahrzehnten zu rechnen haben, besteht im Umgang mit verschiedenartigen, uns zunächst fremd erscheinenden Lebens- und Glaubensvorstellungen. Seit dem Jahr 1989 ist eine hitzige Diskussion im Gange, ob nach dem scheinbar endgültigen Sieg des Westens »das Ende der Geschichte« (so der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama) eingetreten ist, oder aber, ganz im Gegenteil, ob anstelle des bisherigen »Krieges der Nationen« so etwas wie ein »Kampf der Kulturen« (so der Titel des 580-seitigen Buches von Samuel Huntington) entbrannt ist. Die ersten 15 Jahre des 21. Jahrhunderts widerlegen definitiv die These Fukayamas und liefern zahllose Belege für die Voraussage von Huntington. Beispiele: Terroranschlag 2001 in den Vereinigten Staaten, später in Madrid (2004) und London (2005), dann 10 Jahre danach in Paris. Das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer,...

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